Die lieben Sieben: Analyse der deutschen Ordertage

In den letzten Jahren gab es mehrere Versuche, eine zentrale Messe oder zumindest einen bundesweiten Ordertag einzurichten. Allein gescheitert sind sie alle. Braucht es aber insgesamt sieben regionale Veranstaltungen? Der Frage ging Childhood Business mit einem Blick auf die aus­gestellten Marken nach.

10_2016graph1-s-62Schaut man auf die Landschaft der deutschen Ordertage, so zählt man sieben größere Kindermode-veranstaltungen an fünf Standorten. Eine zentrale Messe aber fehlt, während eine solche in den umliegenden Ländern wie in Dänemark, Italien, Frankreich, Großbritannien, in den Niederlanden und Spanien beherrschend ist. Versuche, das zu ändern, hat es schon zahlreiche gegeben – sogar in dem stillen Bestreben, etablierte Formate dadurch zu beschädigen und möglichst zu verdrängen. Bislang gelang es aber niemandem, eine Nachfrage nach einem überregionalen Produkt zu wecken – und zu stillen.

Bundesweite Formate scheitern

So kam das Ansinnen des sich an Modefotografen richtenden Spezialmagazins „Kid’s Wear“ nicht über die Planungsphase hinaus. Auch die kolportierte Bemühung, ein solches Projekt gemeinsam mit einem etablierten und mit der Organisation von Fachmessen vertrauten Veranstalter wie der „Kleinen Fabriek“ aus Amsterdam durchzuführen, brachte das Vorhaben nicht voran. Als die Koeln­messe antrat, eine bundesweit adressierte Fachmesse auszurichten, waren die Vorschusslorbeeren groß. Schon in früheren Zeiten hatte das Messeunternehmen die Kinderbekleidung im Haus, und auch mit der Kind + Jugend verfügt es bis heute über eine große Expertise. Teilweise überschneiden sich auch die Aussteller. Allerdings sprechen der späte Termin der Kind + Jugend, das dort ohnehin begrenzte Platzangebot sowie die für die Kinderbekleidungsbranche zu hohen Standpreise gegen eine Integration in das bestehende Format. Trotz der Bereitschaft zu großen Investitionen gelang es nicht, das mit viel Engagement und vermutlich zu großem Budget in zu kurzer Zeit betriebene Experiment der „Children’s Fashion Cologne“ (CFC) zu einem Erfolg zu führen. Mit dem Start hatte die Koeln­messe allerdings nicht nur die hohen Erwartungen der Branche nach der Mobilisierung von Einkäufern zu befriedigen. Auch startete der Düsseldorfer Modemessen­veranstalter Igedo zeitgleich die „Little Gallery“ in Düsseldorf, als gäbe es nicht nur Kekse, sondern gleich zwei Sahne­torten an die im Bereich der Kinderbekleidung mangels geeigneter Formate ausgehungerten Hersteller zu verfüttern. Dieses mit Harald Glööckler als prominenten Aussteller werbende Parallelformat hätte für sich allein schon keinem der etablierten Orderformate ernsthaft Konkurrenz machen können. Und doch hat es zugleich die Bereitschaft seitens der Hersteller, von dem neuen Messeformat in Köln zu kosten, zumindest teilweise irritiert. Nach der vierten Ausgabe der CFC wurde die fünfte aufgrund von Termin­problemen paralleler Messen auf dem Gelände der Koelnmesse verschoben und, wie sich herausstellte, offenbar gleich mit beerdigt. Der Versuch, aus dem Umfeld des ehemaligen Medienpartners der Koelnmesse in Berlin, der angeblichen Modehauptstadt Deutschlands, erneut die „Deutschen Ordertage“ auszurufen, führte zur jüngsten, am Himmel der Messeträume schnell verglühenden Sternschnuppe. Die nach dem damals noch gleichnamigen Fachmagazin des Medienpartners benannte Berliner Veranstaltung „Cookies“ fand im Sommer 2015 einmal mit angeblich rund 4.000 Besuchern statt. Diese Zahlen hätten einen nationalen Rekord bedeutet, denn selbst die auch marketinsseitig stark aufgestellte CFC kam nach vier Veranstaltungen nur auf rund 1.300 Besucher, während die seit Jahren etablierten Ordertage Zahlen von mehr oder weniger weit unter 1.000 Einkäufern vermelden. Nach der ersten Ausgabe kam es zu einer offenbar stillen Beerdigung. Jedenfalls erfolgte zur zweiten Ausgabe der Cookies eine kurzfristige Absage wenige Tage vor der eigentlichen, kurz zuvor noch bestätigten Veranstaltung, die auch angemeldete Aussteller kalt erwischte. Bevor auch dieser Versuch verschied, lautete ein letzter Twitterfeed vom 15. Januar 2015: „Die Cookies Show wird ihre Winterausgabe aussetzen, aber wie geplant vom 28. – 30. Juni 2016 stattfinden.“

Ordermessen: hier werden die Geschäfte gemacht

Offenbar besteht in Deutschland kein Bedarf ein einem Event, das die vertrauten, bestehenden und bei allen Schwierigkeiten weiterhin funktionierenden Ordertage ablösen will. Steffi Kranawetter von der Kindermoden Nord beantwortet die Frage nach den Gründen so: „Alle Versuche in der Vergangenheit, große Messen mit Herstellern zu machen, sind gescheitert. Offenbar ist das einfach nicht das, was der Markt braucht. Vermissen die vielen, oft kleinen Fachhändler Hersteller mit großen, beeindruckenden Ständen? Was ist der eigentliche Mehrwert? Die Zeit ist knapp und das Geld ja häufig auch. Insofern treffen die regionalen Ordertage den Nerv der Zeit besser. Unsere Handelsvertreter kennen ihre Kunden ohnehin sehr gut und wissen, was läuft und was nicht.“ Und Veranstalter wie Aussteller können recht einfach aus kaufmännischen Abwägungen heraus beurteilen, ob sich der Unterhalt eines jeden der sieben regionalen Formate rechtfertigt. 10_2016graphp-2-3-s-63

Was die Veranstalter eint, ist der Hintergrund, zumeist, wie in München, Wallau oder mit der Kindermoden Nord in Hamburg, Mieter oder, wie zwei Mal in Neuss, Schkeuditz oder mit der Lollypop in Hamburg, Betreiber von einer auf das Modegeschäft ausgerichteten Gewerbe­immobilie zu sein. Das mag manches Mal an der einen oder anderen Ecke zu spüren sein, bietet aber ganz offenbar zugleich ein Erfolgsmomentum, diese Formate auf Dauer nachhaltig zu betreiben.10_2016graphp-3-s-63

Ein Blick auf die Strukturen der Ordertage

Dennoch lohnt sich die Ausrichtung eines Ordertages nur, wenn die adressierten Einkäufer kommen. Daher stellt sich gerade für diese die Frage: Lohnt sich für mich ein Besuch von Ordertagen?

Reicht der Besuch des nächstgelegenen Events aus? Welchen Mehrwert bietet sich, wenn ich ein oder zwei weitere Tage pro Saison investiere und eine zusätzliche Veranstaltung besuche?

Um für diese Entscheidungen Orientierung zu bieten, hat Childhood Business diesen Sommer die aktuellen Ausstellerverzeichnisse der sieben Ordertage ausgewertet. Im Vordergrund standen für uns dabei die ausgestellten Marken. Denn ein prägendes Element der Ordertage ist, dass es vielfach die Handelsvertretungen sind, die an einer Veranstaltung teilnehmen und die Kosten tragen. Da eine Vertretung oftmals nur für eine bestimmte Region in Deutschland zuständig ist, stellt sie dann nicht bundesweit aus.

Bei der Analyse haben wir gemeldete Marken bereinigt und mehrere Markenmeldungen zusam­mengefasst, wie zum Beispiel mehrfache Meldungen einer Marke mit dem Zusatz „Newborn“, „Baby“, „Kids“ oder „Junior“. Nachmeldungen haben wir berücksichtigt, sofern sie uns bekannt wurden, unvollständige Markenmeldungen teilweise korrigiert, sofern uns das auffiel. Aufgrund der von uns gezählten 1.257 Markenmeldungen über alle
sieben Ordertage des Sommers von insgesamt 648 verschiedenen Marken fallen leichte Abweichungen statistisch kaum ins Gewicht.

Ergebnisse der Auswertung

Geht man allein nach Anzahl der ausgestellten Marken, so bieten die Ordertage drei Gruppen (vergleiche Abb. 1a). Zu den Spitzenreitern gehören die Supreme Kids (365 Marken), die Kindermoden Nord (276) und die Kids Now (216). Gefolgt wird die Gruppe von den mittelgroßen Anbietern wie der 4-Kidz.eu (134) sowie Step by Step (101). Mit nur wenig Abstand folgen die kleineren Veranstaltungen MMC Kids Collections (95) und Lolly­pop (70).

cb0910_2016tabelle-s-64-abb-4Da die meisten Marken über ihre Vertretungen teilnehmen, aber einige Messen wie die Supreme Kids vermehrt auch von den Herstellern direkt besucht werden, ergibt es sich, das bei einigen Formaten wie der Lollypop, MMC Kids Collections oder Step by Step relativ wenige Aussteller für eine überproportional große Anzahl an Marken sorgen. Ein Besuch dieser Events ist dann meist weniger zeitaufwendig beziehungsweise hängt auch sehr stark davon ab, ob ein Einkäufer mit den wenigen Handelsvertretungen, die ausstellen, bereits im Geschäft ist oder nicht.

Die Reihenfolge der Orderveranstaltungen und damit zumindest in gewissen Teilen auch die Bedeutung eines Standorts verändert sich übrigens, wenn man in Neuss und Hamburg die parallelen Veranstaltungen zusammenfasst (Vergleich Abb. 1b). Addiert rutscht der Standort Hamburg mit 336 Marken näher an München heran und Neuss setzt sich mit gemeinsam 235 Marken knapp vor die Kids Now.

Wenn sich also an den meisten Standorten eine große Anzahl an Marken präsentiert, muss sich der Einkäufer fragen: Lohnt der Besuch einer weiteren Veranstaltung?

Dazu haben wir ermittelt, wie viel Marken je Standort exklusiv zu sehen sind, also auf keinem anderen Ordertag ausstellen. Handelt es sich bei diesen – anders als jene 21 Marken, die an fünf von sieben Ordertagen ausstellen (vergleiche Abb. 4) – zumeist um kleinere Labels, bieten sie gleichwohl oftmals das besondere Etwas für das Sortiment. Und hier ergibt sich ein nicht ohne Weiteres zu ermittelndes Bild (vergleiche Abb. 3). Die geringste Anzahl an Exklusivmarken weisen die Lollypop (14), 4-Kidz.eu (18) und MMC Kids Collections (21) auf. Bei der Step by Step sind es 30 und bei der Kids Now 35 Marken. Überraschend stark sind die Exklusivstellungen von der Kindermoden Nord mit 83 und von der Supreme Kids mit gar 129 Marken.

München und Hamburg sind also auch nach Anzahl der Marken führend. Wichtig scheint, dass die Standorte mit zwei Messen ihre Vorteile gemeinsam ausspielen. Jede Messe hat als regionaler Player ihre besondere Zugangsfunktion zum regionalen Markt. Einkäufer sehen beim Besuch nur einer Messe – selbst bei einer der beiden Großen – einen bloß kleinen Ausschnitt des Gesamtangebots. Daher sollten mindestens zwei Events in zwei Städten Pflicht sein.

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