Ein grüner (Irr-) Garten

Oft steckt weniger GOTS drin als draufsteht. Fragt man bei den Designern nach, werden die hohen Kosten angeführt. Aber stimmt das überhaupt und was ist eigentlich erlaubt? Ein Ein- und Überblick.

Konsequent und erfolgreich:
Das schwedische Label Maxomorra setzt auf GOTS und ist damit auch in Deutschland mit über 200 Handelspartnern erfolgreich.

Erst kürzlich ging durch die Medien, dass der Textildiscounter Kik gut ein halbes Jahr lang fälschlicherweise mit dem Siegel des Global Organic Textile Standards (GOTS) warb. Das Problem: KiK ist selbst zertifiziert, jedoch ein Lieferant in der Produktionskette war es nicht, deklarierte den Artikel aber dennoch als GOTS-Produkt, wie Katharina Jonas, stellvertretende Abteilungsleiterin der Unternehmenskommunikation von Kik, erklärt. Hier lag also ein eindeutiger Verstoß gegen die Philosophie des Siegels vor, denn der GOTS-Standard beinhaltet Richtlinien, die für eine nachhaltige Herstellung von Stoffen sorgen sollen – und zwar entlang der gesamten textilen Kette. Angefangen vom sozial- und umweltverträglichen An- und Abbau der Rohstoffe bis hin zur umweltschonenden Herstellung sowie dem fairen Handel müssen die strengen sozialen und ökologischen Regularien des seit 2006 gültigen Textilsiegels eingehalten werden. Erst wenn jeder Teil der Produktionskette zertifiziert ist, darf mit dem GOTS-Logo auf der Ware geworben werden. Doch nicht jeder hält sich daran.

Grün, Grüner, GOTS

Deutschland bietet einen großen Markt für nachhaltige Mode – die Nachfrage nach Öko-Kleidung boomt. Das Interesse, woher ein Produkt kommt und wie es gefertigt wurde, ist ungebrochen. Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Splendid Research antworteten auf die Frage „Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit beim Kauf von Bekleidung?“ 34,3 Prozent der Befragten mit „sehr wichtig“ und 38,9 Prozent befanden den Aspekt für „eher wichtig“. Verbraucher sind demnach bereit, für grüne Mode etwas tiefer ins Portemonnaie zu greifen. Auch ein erhöhtes Interesse an der nachweisbaren Qualifizierung eines Produktes ist von Seiten der Konsumenten gegeben, wie Lina Pfeifer, GOTS-Repräsentantin für den deutschsprachigen Raum, weiß: „Nach dem Startschuss für die Zertifizierung im Jahr 2006 gab es 27 zertifizierte Unternehmen, zehn Jahre später sind es über 4600 – und zwar weltweit. Der GOTS bietet als Risikomanagement-Tool die Möglichkeit, Nachhaltigkeit in der textilen Wertschöpfungskette nachzuweisen.“ Pfeifer führt mit Unternehmen, die sich für das GOTS-Siegel interessieren, die Erstberatung durch. Sie sieht vor allem die Glaubwürdigkeit, die ein Logo dem Käufer garantiert und die damit nicht auf einer unbelegten Eigenaussage des Herstellers basiert, als einen wichtigen Grund, sich zertifizieren zu lassen – insbesondere dann, wenn das Zertifikat wie im Fall von GOTS, durch unabhängige Institute verliehen wird. Aber was macht den Standard so besonders?

Wer ist GOTS?

Vorgegeben und überwacht werden die Richtlinien von den vier hinter GOTS stehenden internationalen Organisationen International Association Natural Textile Industry (IVN) aus Deutschland, der Soil Association (SA) aus England, der Organic Textile Association (OTA) aus den USA sowie der Japan Organic Cotton Association (JOCA) und zwar im Rahmen der Working Group on Organic Textile Standard (IWG). Mit der Zahlung von Mindestlöhnen, dem Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, vertraglichen Arbeitsbedingungen sowie Arbeitsschutzmaßnahmen sollen mindestens die Kriterien der International Labour Organization (ILO) eingehalten werden. Aus Sicht des Umweltschutzes müssen die verwendeten Textilfasern zu mindestens 95 Prozent aus Naturfasern bestehen. Hiervon müssen wiederum mindestens 70 Prozent aus biologischem Anbau stammen. Dabei ist ganz konkret definiert, welche Fertigungsprozesse erlaubt sind.

Die Regeln

Generell müssen sich Hersteller und B2B-Händler, also Händler, die nicht an den Endverbraucher verkaufen, dem strengen Kontroll- und Zertifizierungssystem unterziehen. Eine Ausnahme gilt für alle Endverbraucher-Händler einschließlich der großen Ketten, die ihre GOTS-zertifizierte Ware fertig verpackt sowie gekennzeichnet erhalten und nicht mehr weiterverarbeiten. Ebenfalls ausgenommen von einer Zertifizierung sind Zwischenhändler, deren Jahresumsatz mit GOTS-Waren weniger als 5.000 Euro beträgt und die die Waren nicht umverpacken oder umkennzeichnen. Allerdings müssen sie sich bei einem zugelassenen Zertifizierer registrieren lassen und umgehend informieren, wenn ihr Jahresumsatz 5.000 Euro übersteigt. Im Allgemeinen gilt, dass sich zertifizierte Betriebe, Händler und Einzelhändler an die GOTS-Zertifizierungsstelle wenden müssen, wenn sie die Produkte selbst mit dem Logo kennzeichnen oder gekennzeichnete Waren verkaufen wollen. Unternehmen, die sich nicht zertifizieren müssen, können ihren zertifizierten Lieferanten bitten, die Verwendung des Logos zu beantragen. In diesem Fall steht auf dem Etikett die Lizenznummer des Lieferanten. Nur GOTS-zertifizierte Unternehmen dürfen nach Genehmigung durch einen Zertifizierer Produkte mit einer GOTS-Kennzeichnung labeln. Dies gilt insbesondere auch für die Werbung, den Online-Vertrieb sowie in Katalogen. Einzelhändler, die freiwillig am Zertifizierungssystem teilnehmen, dürfen die gleiche GOTS-Kennzeichnung auf Internetseiten und in Katalogen verwenden, die auf der Produktkennzeichnung auf dem zertifizierten Produkt zu finden ist, welches sie fertig verpackt und gekennzeichnet erhalten. Hier bedarf es allerdings der Lizenznummer des Lieferanten sowie der Referenz des Zertifizierers des Lieferanten.

Wichtig ist: Es darf bei der Vermarktung nicht zur Irreführung des Endverbrauchers oder zu einer Verwechslung zwischen zertifizierten und nicht zertifizierten Produkten kommen. Geschieht dies dennoch, können Abmahnungen bis hin zu Strafen durch die IWG erfolgen. Denn hier greift nicht nur das Wettbewerbs-, sondern auch das Markenrecht, da das Siegel markenrechtlich geschützt ist. Auch Mitbewerber entsprechender Hersteller, Lieferanten und Händler sind befähigt, wettbewerbsrechtlich gegen Fälle des Betrugs vorzugehen und abzumahnen. Aber Achtung: Manches Mal stellt sich heraus, „dass der B2C-Händler die Ware fertig verpackt mit Transaktionszertifikat erhält“, erklärt Pfeifer. Der Händler, der die Ware nicht weiterverarbeitet, ist somit von der Zertifizierungspflicht ausgenommen, muss aber dennoch korrekt labeln, um kenntlich zu machen, woher die Ware kommt.

(K)eine Frage der Kosten

Die klar definierten Regeln schützen das Siegel dennoch nicht vor Missbrauchsfällen. Oftmals resultieren diese aus Unwissenheit, die in den meisten Fällen durch eine Ermahnung gelöst werden kann. Doch auch der vermeintlich hohe Kostenfaktor führt oft dazu, dass sich Unternehmen nicht oder nicht vollständig zertifizieren lassen.

Die Kostenfrage gehört immer mit zu den ersten Fragen, berichtet Pfeifer: „Ich kläre die Unternehmen schon im Erstgespräch auf, dass wir als gemeinnützige GmbH 120 Euro Lizenzgebühren erhalten, die sie für das Jahr einplanen sollen. Dazu kommen noch die Zertifizierungskosten.“ Um besser kalkulieren zu können, rät sie ihren Klienten, einen Kostenvoranschlag von den Zertifizierern einzuholen und gegebenenfalls auch mehrere anzufragen. Entscheidend für die Zertifizierungsgebühren ist nicht die Anzahl der Produkte, sondern die Größe des Unternehmens. Die Kosten beruhen auf einer individuellen Analyse und können sich in einer Spanne von 1.200 bis 4.000 Euro bewegen.

Wer als Einkäufer oder Händler sichergehen will, ob eine Marke wirklich GOTS-zertifiziert ist, kann auf der GOTS-Website jederzeit in der Herstellerdatenbank nachschlagen. Denn leider bewegen sich nicht wenige Kindermode-Label im Graubereich und weisen auf „GOTS-Stoffe“ hin, wobei sie in den meisten Fällen lediglich – und hoffentlich tatsächlich – entsprechende Vorprodukte eingekauft haben und selbst nicht zertifiziert sind.

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