Influencer Marketing: Immer mehr Einfluss für die Einflüsterer

Das sogenannte Influencer Marketing ist bei vielen Unternehmen schwer angesagt. Weil große Unternehmen die Glaubwürdigkeit von echten Multiplikatoren suchen, bieten sich immer mehr Blogger als willige Produktvermittler an. Von der schweren Gratwanderung zwischen elektronischen Tupperpartys und echter Consumer Relations.

Nahezu jeder Social-Media-Kanal wird inzwischen genutzt, um über die Profile von Influencern mit vielen Followern Marken und Produkte an den Konsumenten heranzutragen. Galten diese Multiplikatoren lange als authentisch, sind sie inzwischen meist professionelle Testimonials. Die Preise schwanken stark und fast immer mangelt es an echten Werbewirkungsnachweisen.

Marie Claire, Brigitte und Grazia müssen aufpassen. Denn Nina, Jessica und Sarah sind ihnen auf den Fersen, zumindest was das Buhlen um die Aufmerksamkeit der Konsumenten und die Werbebudgets der Unternehmen angeht. Immer mehr Modeblogger konkurrieren mit den etablierten Publikumsmagazinen. Fehlt ihnen meistens zwar das journalistische Format, reizen sie aber mit einer ganz neuen Währung: einer digitalen Anhängerschaft, die sich oft konsumfreudig und folgebereit zeigt. Mit harten Fakten können die neuen Meinungsmacher ihre Leistung nicht belegen, aber ihre Follower teilen, liken und kommentieren im besten Fall, was auf der digitalen Agenda aufbereitet wird. Auch bei Modenschauen sitzen nicht mehr nur Redakteure der klassischen Hochglanz-Magazine in der ersten Reihe. Immer mehr Designer laden inzwischen auch einflussreiche Blogger zu den modischen Hochämtern ein.

Influencer im Content Marketing

Immer mehr Unternehmen nutzen Influencer als Bestandteile einer Strategie des Content Marketings. Als Influencer werden zumeist Privatpersonen oder prominente Multiplikatoren bezeichnet, die als Testimonials für eine Marke auftreten oder bereitwillig deren Produkte und Botschaften in ihre Web-Kanäle implementieren. Die Spanne reicht von schwangeren Blogger-Mamis, die zugesandte Produkte vor ihren digitalen Freunden besprechen, über bereits semi-professionell betriebene Themenportale mit einer meist weiterhin authentisch anmutenden Ansprache an die Fans und Freunde der Angebote bis hin zu mehr oder weniger prominenten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Diese nutzen ihre Instagram-Accounts oder Facebook-Profile, um durch die meist bezahlte Integration von Marken die Fans zu Nachahmekäufen zu animieren. Die genutzten Kanäle sind dabei inzwischen zahlreich geworden und reichen von YouTube über Instagram, Twitter und Snapchat bis hin zu Facebook oder der eigenen Blog-Website.

Authentische Botschaften

Der Charme beim Influencer Marketing liegt in der Authentizität. Absender ist nicht das Unternehmen mit seinen werblichen Botschaften. Stattdessen informiert ein leidenschaftlicher Experte, der die Inhalte frisch und auf die eigene Art aufbereitet, ohne allzu aufdringlich zu sein. Follower, die den Blogger als Experten auf seinem Gebiet anerkennen, folgen seinen Ratschlägen und Empfehlungen oftmals gern. Und Unternehmen können den Zugang des Experten zu seinen Freunden nutzen, um über ihn die eigenen Produkte an die potentiellen Konsumenten zu bringen. Besonders für Fashion-Firmen kommt ein Pluspunkt hinzu. Social Media und Mode haben viele Gemeinsamkeiten, ergänzen sich und können voneinander profitieren. Beiden geht es um den Ausdruck eines individuellen Lebensstils, sie agieren schnell und aktuell. Fans beider Welten suchen Inspiration und Ideen für Outfits, freuen sich über exklusive Einblicke in Markenwelten und interessieren sich natürlich für moderne Trends. Besonders junge, kaufkräftige Nutzer vertrauen deshalb den Trendsettern. Genauso erhalten Unternehmen in dieser direkten Kommunikation wichtige Informationen über ihre Zielgruppen und welche Designs gefallen.

Modemarken im Netz

Bekannte Modemarken sind deshalb in fast allen sozialen Netzwerken zu finden und nutzen die Plattformen für den Dialog. „Influencer Marketing ist in Branchen gefragt, die produktnah sind“, sagt Roland Schweins, Geschäftsführer bei Styleranking Media. „Mit den Produkten können sie testen, fotografieren und somit inszenieren, im Gegensatz zu abstrakteren Themen wie Finanzen oder Gesundheit.“

Schweins schätzt, dass es rund 5.000 Modeblogger in Deutschland gibt. „Vor zehn Jahren starteten die ersten mit Mode­blogs. Da viele Kinder bekommen haben, wandelten einige ihre Fashionblogs zu professionellen Elternblogs. Dort tauschen sie im Freundeskreis Tipps aus. Das ist eine sehr starke, beachtete und shoppingaffine Szene. Außerdem preisunsensibel – da sie immer das Beste für’s Kind möchte.“

Trotz dieser zahlreichen Vorteile ist für viele Modemarkenmacher von Start-ups sowie etablierten Unternehmen die Zusammenarbeit mit den Influencern aber noch Terra ingocnita. Die Welt dieser neuen Meinungsbeeinflusser ist komplex und unübersichtlich. Wer gehört ihr überhaupt an? Natürlich können auch Journalisten, Mitarbeiter oder sogar Geschäftspartner als Blogger Teil des großen Netzes der Kommunikation sein. Selbst Kunden werden Teil von Werbekampagnen und antworten mit selbst produzierten Videos zum Bespiel auf Gewinnspiele.

Oft lässt die Professionalität in der Vermarktung zu wünschen übrig: Einige Influencer haben zwar Manager, die sich jedoch nur um Angebot und Kontakt kümmern. Es fehlt oft an Leistungszahlen, Mediadaten, Kampagnenlenkung und einem Qualitätsmanagement. Mediabudgets zerinnen da schnell wie ein umgekippter Eimer Wasser am Strand.

Messbare Erfolge

Größere Unternehmen setzen stattdessen auf unabhängige Vermarktungsagenturen, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen: Sie sprechen überhaupt erst einmal passende Influencer an, definieren mit dem Kunden eine Strategie mit klar formulierten Zielgruppen und messbaren Ergebnissen. Sie stecken Nutzungs- und Buyout-Rechte fest und kümmern sich um einen Code of Conduct, der die Haftbarkeit klärt, falls gegen die Kennzeichnungspflicht verstoßen wird. Schlussendlich begleiten sie die Kampagne und werten sie mit einem qualitativen und quantitativen Reporting aus.

Erfolgskennzahlen sind dann zum Beispiel die Anzahl der sogenannten Likes, oftmals kaum mehr als ein schneller Klick auf ein Sympathiesymbo oder von Fans verfasster Kommentare, die immerhin eine gewisse Auseinandersetzung mit dem Beitrag voraussetzen. Ihre Qualität wird idealerweise genau analysiert: Wie viele zahlen wirklich auf das Produkt ein, sind positiv, negativ oder irrelevant? Foto- und Videokanäle wie Instagram oder Youtube eignen sich dabei als attraktives Umfeld, um Bilderwelten zu präsentieren und mit Product Placements für neue Produkte zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Umfeld zu punkten. Rezensionen und Vorstellungen von erklärungsbedürftigen Produkten und Branding-Effekte benötigen jedoch oft mehr Platz und benötigen daher Anbieter, die auch eine eigene Website redaktionell betreiben.

Der Preis ist heiß

Bei der Bezahlung ist die Ära der profanen Produktüberlassungen vorbei. „Das wächst sich raus“, sagt Schweins. „Anfänger freuen sich noch über ein Produkt. Aber sobald es um Kampagnen mit ernstzunehmenden Reichweiten geht, fließt Geld.“ Posts können dann zwischen 200 und 40.000 Euro kosten. Beim reichweitenstarken YouTube liegen die Preise noch höher. Faktoren wie Zielgruppen­genauigkeit, Reichweite, aber auch Qualitätsmerkmale wie Beliebtheit und Profil des Influencers spielen dann bei der Preisverhandlung eine Rolle. Und natürlich sind auch Influencer eitel: Neben Barem sind sie an exklusiven Informationen, Dialog auf Augenhöhe und Renomee interessiert.

Spreu und Weizen

Allerdings verleiten gerade die oberflächlichen, digitalen Medien vielfach zur Schleichwerbung. Selbst Fußball- oder Filmstars verbreiten inzwischen über ihre Netzwerke ganz offen Werbebotschaften. Mancher Influencer geht gleich ein Dutzend unterschiedlicher Kooperationen pro Monat ein und wirkt nach dem Posten von Anwender-Fotos, die die Reichweite erhöhen sollen, wie eine digitale Litfaßsäule, auf der kein Unternehmen wirklich nachhaltig zur Geltung kommt. Einige Influencer haben sogar dieselbe Followerstruktur wie andere. Gesponserte Posts werden oft nicht entsprechend gekennzeichnet. Hinweise auf eine Kampagne verschwinden in der Bildunterschrift oder in einer Wüste an Hashtags. Mangelnde Transparenz vergrault so manchen Nutzer und die gewonnene, authentische Nähe gerät in Gefahr, als korrupter Kanal an Vertrauen zu verlieren.

„Influencer sind moderne Testimonials mit einem Social-Media-Kanal, den man messen kann“, fasst Schweins die Szene zusammen. „Niemand von denen berichtet neutral und würde sich einem Journalistenverband anschließen. Wenn Sie so wollen, sind sie die Anzeige in der Zeitschrift und nicht die qualitative Berichterstattung. Influencer erhalten Geld für die Inszenierung eines Produkts, das zu ihnen passt, mit einer vereinbarten, bitteschön positiven Tonalität. Sind die Beiträge entsprechend gekennzeichnet, ist das legitim. Schleichwerbung beginnt erst dann, wenn der Influencer das Sponsoring verschleiert.“ Influencer Marketing ist zurzeit schwer angesagt, aber auch keine Wunderwaffe. Nur wer hier sorgsam agiert, kann damit auch langfristig eine gute Reputation für seine Marke erzielen.

[su_box title=”10 Tipps für erfolgreiches Influencer Marketing”]1. Authentisch
Wer sich für einen Influencer entscheidet, sollte nicht allein auf die Zahl der Likes und Follower starren. Auch die können gekauft sein. Fundierte Berichterstattung starker Persönlichkeiten schlägt immer vorgespielte Reichweite. Erfahrene Influencer bewahren sich ihre Neutralität für die treue Community. Nur ehrliche Empfehlung dank Expertise führt zum Erfolg.

2. Strategisch
Vorsicht vor Aktionismus bei der Recherche nach Partnern. Je zielorientierter und effizienter sich Kommunikation gestaltet, desto gewinnbringender ist sie. Passende Inhalte sollen schließlich die richtigen Nutzer erreichen.

3. Erzählerisch
Wer auf seinem Blog nur stumpf Bilder pinnt, nimmt selten Einfluss. Erlebnis- und Erfahrungsberichte mit Empfehlungscharakter sind das A und O in Blogs. Marken und Produkte werden in Geschichten eingebettet. Abonnenten kommentieren dann in einer Diskussion entsprechend regelmäßig.

4. Thematisch
Influencer, die inhaltlich zur eigenen Marke passen, lassen sich oft selbst via Keyword und Hashtags mit Relevanz zum Thema recherchieren. Aktuelle Posts sollten eine direkte Nähe zu den eigenen Produkten und Inhalten haben.

5. Mehrwertig
Die Nachricht ist auch im Web 2.0 die heiße Ware. Was können wir dem Influencer also bieten? Es muss ja nicht gleich der Scoop sein. Aber mit welchen unveröffentlichten Informationen oder exklusiven Angeboten kann sich der Meinungsmacher wiederum bei seiner Community profilieren?

6. Freiheitlich
Erstklassige Influencer wollen nicht unter Druck gesetzt werden. Influencer Marketing bedeutet für die Unternehmen auch ein Stück Kontrollverlust. Rahmenbedingungen des Kampagnen- Briefings schränken deshalb nie die Kreativität und Individualität des Bloggers ein.

7. Nachhaltig
Wer seine Marke langfristig in den Köpfen der Nutzer verankern möchte, muss Produkte wie in der Werbung mehrfach präsentieren. Einmalige Schnellschüsse verpuffen in der Unendlichkeit des Webs und schrumpfen unnötig das Marketingbudget.

8. Kontrolliert
Keine Erfolgsmessung ohne Evaluation: Social- Media-Kennzahlen müssen nach einem Reporting analysiert werden. Wichtig: Hohe Reichweiten bedeuten noch lange keine hohe Relevanz. Wichtiger sind in der Folge-Traffic auf der Webseite, neue Newletter-Abonnenten oder erhöhte Abverkäufe.

9. Ausgewogen
Wie auch sonst beim Branding macht’s der Mix. Aber nicht jeder Kanal ist für jeden Einsatz geeignet. Videos oder Artikel haben zum Beispiel eine längere Halbwertzeit und bieten mehr Raum für Produkttests als schnelllebige, fotolastige Channels. Gute Influencer kennen die ideale Plattform für jedes Produkt.

10. Kompetent
Influencer Marketing funktioniert wie andere Formen der Kommunikation am besten auf der Langstrecke. Idealerweise gibt es unternehmensseitig einen Kümmerer, der permanent einen Blick auf Entwicklung der hauseigenen sozialmedialen Interaktion wirft. [/su_box]

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