It’s Playtime in Berlin

Drei Kontinente, vier Hauptstädte und ein fesselndes Format: Childhood Business sprach mit dem CEO Sébastien de Hutten über die Playtime-Serie und die Herausforderungen des Marktes.

Aus aller Welt: Die Playtime Paris ist für Marken wie Einkäufer weltweit der zentrale Hotspot. Inzwischen gastiert die Messe auch in New York, Tokio und Berlin.

Als mit der Playtime Berlin im Sommer 2017 eine neue Veranstaltung für Kinderbedarf Premiere hatte, überraschte der gute Zuspruch zur ersten Veranstaltung nur jene, die mit dem Konzept der Playtime nicht vertraut waren. Ausrichter ist das Pariser Unternehmen Picaflor, das von Sébastien de Hutten und seiner Schwester Maria Czapska geführt wird. Mit großer Ausgeruhtheit wollen sie sich in Deutschland langfristig etablieren. Sie seien so anders, dass sie nicht in Konkurrenz zu den bestehenden Formaten stünden, so de Hutten. Doch sei die Zeit der etablierten Formate abgelaufen, ist er sich ebenfalls sicher.

Childhood Business: Unter den europäischen Messeformaten sticht die Playtime hervor. Sie ist ein kreativer und umfassender Tummelplatz für Marken im Kinderuniversum. Wodurch erreichen Sie diese spezielle Mischung?

Sébastien de Hutten: Die wichtigste Zutat ist vermutlich, dass wir keine herkömmlichen Messeveranstalter sind, sondern Modefachleute. Daher wissen wir, wie wichtig es ist, Angebote zu machen und dabei zugleich auch eine Auswahl zu treffen, anstatt einfach nur Räume zu füllen. Wir möchten Marken wie Einkäufern eine gleichermaßen professionelle wie angenehme Umgebung bieten.

CB: Zumindest hierzulande haben die Einzelhändler im Kinderbekleidungsbereich zu kämpfen. Der Online-Wettbewerb, die sinkende Besucherfrequenz in Innenstädten und auch die abnehmende Rolle der Mode sind Gründe dafür. Wie sieht es im französischen Markt aus?

SDH: Ich könnte keinen einzigen Markt nennen, der heutzutage nicht zu kämpfen hätte. Die Welt hat sich verändert. Doch ich glaube, dass sie vor allem lauter neue Chancen birgt! Das ist es, was den Wandel ausmacht. Und es ist auch das, was wir den Besuchern der Playtime zeigen wollen. Die Menschen erwarten neue Produkte von ihrem lokalen Händler, eine Sortimentsauswahl, die vielleicht öfter wechselt als früher – sie wünschen sich ein Angebot, das die ausgetretenen Pfade verlässt und überrascht. Jeder kann heute online gehen und sich Tausende Produkte anschauen, die angeboten werden. Was ein Konsument aber von einem Händler erwartet, das ist eine Auswahl. Sie wollen den Standpunkt des Profis spüren, der alles daransetzt, seinen Kunden eine interessante und außergewöhnliche Selektion zu offerieren.

CB: Sie richten auch in New York und Tokio eine Fachmesse aus. Welche Eindrücke haben Sie von diesen Märkten gewonnen? 

SDH: Unsere New Yorker Show wuchs in den letzten zwei Jahren erfreulich und bietet den amerikanischen

Mit einer Stylistin als Mutter war Sébastien de Hutten schon früh in die Welt der Mode eingetaucht. Nach einer 15 Jahre währenden Karriere als Opern­sänger kehrte er 2007 mit seiner Schwester Maria Czapska zur Mode zurück und lancierte die Playtime Paris als Referenzmesse für Kindermode und Lifestyle, die inzwischen in vier Städten ausgerichtet wird.

Einkäufern genau das, was sie erwarten: etwas anderes, Unerwartetes. Japanische Einkäufer sind ohnehin immer aus auf das Neue und Unbekannte. Die haben eine wahrlich interessante Kultur! Allerdings leiden das Land und der dortige Fachhandel seit Jahren unter einer katastrophalen, rückläufigen Geburtenrate. Gleichwohl: Eltern kaufen für ihre Kinder Produkte, die Welt dreht sich weiter und auch in Japan gibt es einen Markt. Und auch hier gilt: Jene Marken, die etwas Neues, etwas anderes zu bieten haben, funktionieren am besten.

CB: Ein besonderer Aspekt des Playtime-Formats ist ja, dass Sie sich nicht nur auf Bekleidung und Schuhe fokussieren, sondern auch arrondierende Produktbereiche prä­sentieren. Wie wichtig sind diese Produktbereiche für die Messe – und natürlich für die Besucher?

SDH: Das ist absolut unverzichtbar geworden, da es nur noch wenige Facheinzelhändler gibt, die ausschließlich von Mode leben können. Der Markt für Geschenke und Präsente ist einfach unerlässlich und wir ermutigen die Käufer, ihr Angebot in diese Richtung zu erweitern, um sich für ihre Kunden attraktiver zu machen. Die Leute wollen überrascht werden!

CB: Welche Produkte funktionieren für welche Art von Händler? Sicher, Concept-Stores können fast alles kombinieren. Aber die meisten Geschäfte sind nach wie vor traditionell aufgestellt.

SDH: Diejenigen, die nicht sicher sind, wie sie sich für die Zukunft neu aufstellen wollen, sollten ihr Konzept eher nicht von einem Tag auf den anderen revolutionieren. Aber es ist vorteilhaft, ein paar neue Elemente in das Angebot aufzunehmen und damit zu starten. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass man in diesen schwierigen Zeiten neue Dinge ausprobieren und aus der Beliebigkeit herausstechen muss.

CB: Im Sommer 2017 startete die Playtime Berlin: Die erste Ausgabe war ein Erfolg, da sie mehr Besucher als jeder der herkömmlichen Ordertage verzeichnen konnte. Was sind die Ziele für die nächste Ausgabe?

SDH: Wir haben alle unsere Messen immer mit einer langfristigen Perspektive gestartet. Daher zielen unsere Erwartungen auf keine sensationellen Ergebnisse oder Aktionen! Wenn es einfach an allen Stellen immer ein bisschen besser wird und vorangeht, sind wir schon zufrieden. Das Gleiche gilt für das Angebot: Wir hören zu, was Besucher und Designer zu sagen haben, und passen die Dinge entsprechend an. So ergänzen wir Kleinigkeiten von Saison zu Saison . . .

CB: Sie haben sich entschieden, das Messedatum zu ändern. Zur zweiten Ausgabe liegt die Veranstaltung nicht mehr parallel zur Fashion Week in Berlin. Was war der Grund dafür und haben Sie keine Angst, jene Besucher zu verlieren, die nach der Fashion Week nicht länger in der Stadt sind?

SDH: Wir wollten diese Entkopplung, um ehrlich zu sein, eigentlich nicht vornehmen. Aber wenn wir wieder zur gleichen Zeit wie die Berliner Fashion Week stattgefunden hätten, wären wir terminlich mit Pitti Immagine Bimbo, einer weiteren wichtigen Kindermodemesse in Europa, kollidiert. Das hätte zur Folge gehabt, dass wir eine gewisse Anzahl internationaler Einkäufer und großartiger Marken nicht nach Berlin bekommen würden. Aber wir wissen ja auch, dass Damenmode und Kinderbekleidung ohnehin zumeist nicht von den gleichen Einkäufern geordert wird. Unsere Pariser Show, die Europas wichtigste Veranstaltung ist, findet übrigens auch niemals gleichzeitig mit der Fashion Week in Paris statt.

CB: Worin sehen Sie den besonderen Vorzug einer Playtime in Berlin, wo es bereits so viele etablierte Ordertage in Deutschland gibt? 

SDH: Es gibt in Deutschland in der Tat eine Reihe großartiger Messen für Damen oder Herren, eine starke Messe für Babyzubehör in Köln (Kind + Jugend, die Red.) und zudem zahlreiche regionale Veranstaltungen. Da die Playtime aber eine etablierte internationale Messe ist, die nicht auf dem gleichen Niveau wie die anderen Shows spielt, haben wir einfach ein anderes Angebot und auch eine andere Sichtweise, die ich für sehr interessant halte. Ich sage nicht, dass die Playtime besser ist als andere Events. Ich bin mir sicher, dass sie anders ist. Und wenn wir uns alle einig sind, dass die alten Rezepte an ihre Grenzen stoßen, dann denke ich, dass die durch die Playtime bewirkte Veränderung interessant ist!

CB: Was hat Sie bei der ersten Ausgabe in Berlin überrascht? Und was unterscheidet das deutsche und das französische Publikum?

SDH: Was uns besonders überraschte, das war die häufige Frage nach Bio, die in der Nachfrage stark zum Ausdruck kommt. Das ist definitiv etwas, wonach insbesondere deutsche Einkäufer gesucht haben, als sie zu unserer Show kamen. Und daran haben wir zur neuen Auflage des Events gearbeitet. Mit einem vor allem französischen Publikum kann ich das gar nicht vergleichen, weil unsere Pariser Show zu mehr als 60 Prozent von internationalen Einkäufern besucht wird.

CB: Die Kleine Fabriek in Amsterdam ist eingestellt und auch die Kid Paris pausiert, wie es heißt. Wie schätzen Sie die Marktlage insgesamt ein?

SDH: Es ist kein Geheimnis, dass der Markt in den letzten zehn Jahren geschrumpft ist. Daher können Aussteller wie Einkäufer nicht mehr so viele Events besuchen, wie sie es einmal gewohnt waren. Dazu reichen weder das Budget noch die Zeit mehr aus. Bis vor ein paar Jahren war die Kleine Fabriek eine sehr interessante Show. Aber sie hat unzweifelhaft unter dem Rückgang dieser Budgets sehr gelitten. Es ist sicherlich schwer abzuschätzen, welchen Raum es derzeit für neue Messen oder Marken gibt. Keinen Platz haben aber definitiv all jene neuen Unternehmungen, die nicht mit einem wohl überlegten und sehr starken Konzept an den Start gehen.

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