Kindersitze auf dem Prüfstand

Auf jeder Autofahrt vertrauen Eltern dem Kindersitz das Leben ihres Kindes an. Um ihnen dabei ein rundum sicheres Gefühl zu geben, testen ADAC, ÖAMTC, TCS und Stiftung Warentest zweimal jährlich die wichtigsten Modelle.

Im Einklang der
Prüfbereiche: Gute Sitze wie der „Concord Reverso“ schneiden in allen vier Kategorien mit „gut“ oder „sehr gut“ ab.

Während der Kauf vieler anderer Produkte für das Baby sehr emotional sein­­ kann, verhält es sich bei den Kindersitzen anders. Hierbei handelt es sich um eine pragmatische Investition. Parameter wie das Design spielen zumeist eine untergeordnete Rolle, vielen Kunden kommt es lediglich darauf an, dass der Sitz sich möglichst unauffällig in das bestehende Interieur des Autos einfügt. Vielmehr sind neben dem Preis vor allem Sicherheit und einfaches Handling kaufentscheidende Faktoren. Daraufhin testet der ADAC gemeinsam mit Stiftung Warentest sowie den österreichischen und Schweizer Automobilclubs ÖAMTC und TCS seit inzwischen 15 Jahren zweimal jährlich eine große Auswahl an Kindersitzen.

Dieser Test gibt den Endkunden eine einfache Orientierungshilfe an die Hand. In dem jüngsten, am 27. Oktober 2015 veröffentlichten Testbericht wurden 22 Kindersitze vorgestellt. Immerhin sechs davon wiesen Mängel auf und bekamen die Note „mangelhaft“. Dabei handelt es sich um die Babyschalen „Aton 4“ von Cybex und „Hold“ von Cosatto, die beide in jeweils drei verschiedenen Varianten getestet wurden. Auf der anderen Seite wurde 13-mal die Note „gut“ und dreimal die Note „befriedigend“ vergeben.

Anspruchsvoller als gesetzliche Normen

cb11_2015-testuebersicht-2015-oktober-s-54Nach den Anforderungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) entsprechen alle für den Verkauf zugelassenen Kindersitze prinzi­piell den gesetzlichen Anforderungen. Dennoch gibt es natürlich maßgebliche Unterschiede zwischen den Kindersitzen. Während bei der KBA-Zulassung lediglich über „Ja“ oder „Nein“ entschieden wird, gibt der Test ein differenziertes Bild. Zudem ist der Test deutlich strenger.

Andreas Ratzek, Projektleiter des Kindersitztestes beim ADAC, erklärt: „Wir stellen deutlich höhere Ansprüche als das KBA. Der Frontalaufprall geschieht bei 64 km/h statt bei 50 km/h und wir testen alle Sitze nach Sicherheit bei Seitenaufprall, wie es sonst nur nach der neu­en i-Size-Verordnung geschieht. Zudem gibt es eine Schadstoffprüfung und wir untersuchen die Handhabung der Sitze. Zwar gibt es bestimmte Vorschriften, etwa dazu, unter welchem Druck sich ein Gurtschloss öffnen darf. Wir aber machen eine vollumfäng­liche Überprüfung.“

Insbesondere die Schadstoffprüfung, beispielsweise auf gefährliche Weichmacher, führt immer wieder dazu, dass einige Modelle abgewertet werden – so auch in diesem Test. Zudem spielen auch die Ergonomie und der Sitzkomfort eine Rolle bei der Bewertung, denn schließlich ist es wichtig, dass das Kind nicht nur sicher, sondern auch angenehm reist.

Was interessant ist, wird getestet

Darüber, welche Kindersitze getestet werden, entscheidet vornehmlich deren Marktrelevanz. Aber auch besondere Neuheiten werden aufgenommen. „Wenn ein Sitz für unsere Partner in­teressant ist, dann untersuchen wir ihn auch“, sagt Ratzek. Weil der Test für viele europäische Institutionen durchgeführt wird, finden sich in den Tests auch einige nicht auf dem deutschen Markt erhältliche Modelle. Eingekauft wurden alle Sitze anonym bei Fachhändlern. Der Test selbst wurde dann an verschiedenen Orten durchgeführt: Frontal- und Seitenaufpralltests fanden im ADAC-Technik-Zentrum in Landsberg statt, ÖAMTC und TCS überprüften das Handling und Stiftung Warentest beauftragte ein externes Labor mit der Durchführung der Schadstoffanalyse, wobei die Auswertung selbst übernommen wurde.

Der Test wurde in diesem Jahr in diversen Punkten verändert. Unter anderem wurden neue Richtlinien zu Schadstoffen berücksichtigt und es wurde ein neues Seitenaufpralltestverfahren angewendet.

Nach der Durchführung bekamen die Hersteller der Sitze die Ergebnisse mit der Bitte um eine Stellungnahme übermittelt, ob die Resultate den Erwartungen entsprechen. „Die Firmen können aber trotz des ersten Feedbacks nicht eins zu eins ausrechnen, wie das endgültige Ergebnis aussieht. Sie führen jedoch auch eigene Tests durch und wissen ungefähr, wie wir testen,“ sagt Ratzek.

So besitzt Recaro zum Beispiel eine hauseigene Crash-Anlage. „Darauf können wir die Kindersitze bereits früh in der Produktentwicklung unter nahezu gleichen Bedingungen wie der ADAC testen“, erklärt Andreas Fellenz, der bei dem Unternehmen die Bereiche Verkauf und Marketing leitet.

Die Bedeutung für die Hersteller

Der Autositztest verrät nicht nur, wie sich der Kindersitz im Vergleich zur Konkurrenz behauptet. Die differenzierte Betrachtung einzelner Faktoren aus anderer Position kann die Produktentwicklung beeinflussen. So wird beispielsweise ein vom Unternehmen vielfach erprobtes System zum Öffnen der Sitz­gurte anders als wie vorgesehen verwendet. Was intuitiv für gut und sicher empfunden wird, muss es im Alltag nicht notwendigerweise sein. Zu allen Punkten können die Hersteller zudem ein ausgiebiges Feedback erhalten. „Das gibt uns noch einmal konkrete Hinweise darauf, was am Kindersitz als besonders gut bewertet wurde und wo noch Verbesserungspotenzial besteht,“ sagt Fellenz.

Der neutral durchgeführte Test ist natürlich für jeden Hersteller ein wichtiges Marketing-Tool. Oliver Mecky, Geschäftsführer von Joie, sagt dazu: „Für uns Hersteller birgt die Publikation der Testergebnisse sowohl Chancen als auch Risiken. Speziell wenn die Hausaufgaben nicht korrekt gemacht wurden, kann ein negatives Resultat zu einer kritischen Marktresonanz führen, die im Endeffekt über die Daseinsberechtigung eines Produkts entscheidet.“ (ch)

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Original aus CHildhood Business:

Dieser Beitrag erschien in der gedruckten Ausgabe 11/2015 von Childhood Business.

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