Mit Reinartz Babyland aus dem Münchner Vorort Gräfelfing behauptet sich ein bemerkenswertes Familienunternehmen gegenüber der Online-Konkurrenz und dem örtlichen Strukturwandel.
Manchmal sind launische Chefs auch zu etwas gut. Manchmal helfen sie sogar dabei, den Lebenslauf zu verändern und stehen am Anfang einer Erfolgsgeschichte. Aber so weit sind wir noch nicht. Zuerst ärgert sich Eric Reinartz über die Methoden und den rüden Umgang seines Meisters. Zugegeben, als 16-jähriger Tischler-Lehrling gilt für ihn: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“ Aber es steckt eben ein unabhängiger Geist im jungen Eric. Dank dieses auf den ersten Blick nicht ganz glücklichen Zusammentreffens können sich heute werdende Mütter und Väter, genau wie Neu-Eltern, in Gräfelfing über eine wunderbare, helle, große, lichtdurchflutete Einkaufsgelegenheit voller Liebe zum Detail freuen: herzlich willkommen im „Reinartz Babyland“.
Ein Geschäft für jeden Anspruch
„Wir sind kein Warenhaus-Discounter, aber auch nicht die kleine Boutique im Trendviertel“, beschreibt Reinartz, inzwischen 50 Jahre alt, sein 1.000 Quadratmeter großes Geschäft im Münchner Vorort. Der Besitzer freut sich über eine gut ausgebildete, einkommensstarke Kundschaft, die – wie könnte es anders sein – „Qualität und Beratung sucht“. Die Kundschaft macht in Biotech, Forschung, Online-Firmen – hier entsteht die nächste Generation mit Laptop und Lederhosen.
Und es hat sich einiges verändert in den Jahren seit Eric Reinartz’ Eintritt in das elterliche Geschäft. Denn nach dem Ärger mit dem Meister wollte der 16-jährige eigentlich nur ein paar Monate in dem damals 200 Quadratmeter kleinen Laden in Germering aushelfen. Beim Schreinern und Umbauen der Einrichtung haben ihn allerdings immer wieder „Kunden am Ärmel gezupft und hatten Fragen zu unseren Angeboten“.
Aus dem Zupfen und Fragen-Beantworten wurde erst ein fester Job. Und nach dem Ausscheiden des Vaters aus dem Geschäft die eigene Existenz. Es kommt im Unternehmer-Leben eben manchmal anders als man denkt.
Strukturwandel im Münchner Nordwesten
Heute hört man Klassiker der 80er und 90er und shoppt mit viel Licht in der zweistöckigen Verkaufshalle, „wo zwischen Alupress-Regalen und Holzfußboden eine Kombination aus Modernität und Wärme vermittelt wird“, sagt Reinartz nicht ohne Stolz. „Und ich achte wirklich auf jedes Detail, da kann ich ganz schön pingelig werden.“ Ein bisschen Tischler steckt eben doch noch in ihm.
Das schätzt offensichtlich das Publikum. „In den letzten Jahren hat sich das Alter der Kunden verändert.“ Statt Mitte 30 ist die „junge“ Mutter heute Anfang 40, sehr anspruchsvoll und durch das Internet hochinformiert. Heute kommen Käufer vollgestopft mit sogenannten Fachinformationen aus Webseiten, Stiftung Wartentest und diversen Foren. Nicht immer stimme alles, aber „bei der Beratung können wir uns keine Fehler mehr leisten“, stellt Reinartz fest.
Das Internet – für den Händler vor Ort nicht immer ein Quell der Freude. Gerade das Thema Preisstabilität beschäftigt viele. Auch Eric Reinartz. „Wir pflegen hier in der Gegend als Händler einen regen Austausch. Und das große Thema überhaupt ist der Margendruck durch die Online-Konkurrenz. Da sind große Unternehmen im Spiel. Die haben viel Kapital und müssen zurzeit eigentlich gar keine Gewinne machen. Da fällt der Wettbewerb schwer.“
Dabei scheut Reinartz den Online-Handel nicht, im Gegenteil. Schon früh investiert er in eine eigene Website, freut sich über steigende Umsätze und die Akzeptanz bei der eher wankelmütigen und wenig loyalen Online-Klientel.
Am Anfang klappt es gut. „Wir hatten ein tolles Ranking, mit vielen Produkten waren wir bei Google auf der ersten Seite.“ Das Online-Geschäft habe ihm „richtig Spaß gemacht“. Doch dem Spaß folgt die Ernüchterung. Nach viel Herzblut und noch mehr Investment an Zeit und Geld hat Reinartz aufgegeben. „Im Online-Geschäft hinkt man immer einen Schritt hinterher. Wir können einfach nicht gewinnen, egal wie hoch der Umsatz ist, wir sehen keinen Gewinn und müssen ständig mehr investieren.“ Stichworte: Suchmaschinen-Optimierung oder teure Google-Werbung. „Es herrscht ein Goldrausch, aber wirklich verdienen tun nur die Schaufel- und Sieb-Verkäufer“, lautet das Resümee. Einzig Google und Co. profitieren wirklich vom Online-Shopping. Ende des Jahres ist für Reinartz Schluss damit: er zieht den Stecker.
Die Trümpfe des stationären Handels
Was bleibt: eine attraktive Homepage, die das Ladengeschäft in Szene setzt und den Erstkontakt erlaubt. Die sei unerlässlich, nur eben ohne Shop-Funktionalität, dafür aber mit atmosphärischen Bildern und vielen Informationen.
Die Online-Seite ist ein wichtiger Schritt zur Kundengewinnung. Schließlich ist die reale Welt eben doch etwas anders als der Handel im digitalen Medium. „Unsere Klientel ist die Schönste der Welt. Eine Mutter, die ein Kind erwartet – es gibt nichts Schöneres auf der Welt. Und es macht mir Spaß, mit den Menschen im Laden zu reden und sie gut zu beraten.“
Ein wichtiges Werkzeug im Kampf gegen die Online-Riesen sind die Fachhandelsprodukte: exklusiv und nicht per Internet bestellbar. Aktuelle Renner sind der „2waypearl“ von Maxi-Cosi oder auch die Produkte der schwedischen Traditionsfirma Emmaljunga, die seit 1925 Kinderwagen baut.
Apropos die Kinderwagen: für Reinartz das wohl wichtigste Produkt für den Kundenerstkontakt. Denn es geht um eine teure Anschaffung und jede Mutter wie jeder Vater pflegt in den ersten Jahren eine intensive Beziehung mit dem Vehikel.
Beim Kinderwagen kann auch Reinartz einen Trumpf des örtlichen Händlers ausspielen: Die eigene Reparaturwerkstatt hilft schnell und stellt bei Bedarf einen Ersatzwagen bereit. Welcher Online-Händler kann da mithalten?
Allein zwei der 20 Mitarbeiter kümmern sich ums Lager und sind für den Reparaturservice verantwortlich. „Auch die eigene Schwester ist Teil des Teams“, erzählt Reinartz. Was seinen jüngsten Sohn angeht? Der sei mit drei Jahren dann doch noch etwas klein, um mit anzupacken.
Dafür schaut der Kleine begeistert zu, wenn Vater Eric seiner Freizeit-Passion nachgeht: an zwei US-Oldtimern schrauben und diese bei günstigem Wetter ausfahren. In der Garage steht ein 1953er Pickup Chevy und ein Ford Mustang aus dem Jahre 1968. Im Mustang hängt natürlich ein Stoffwürfel am Rückspiegel. Die Liebe zum Detail verlässt Eric Reinartz eben nicht.
(Klaus Madzia)