Was sind die Anforderungen an eine gute Baby- und Kindermatratze und was rechtfertigt die verschiedenen Preispunkte? Childhood Business sprach dazu mit Klaus Blümel, Vertriebsleiter beim Hersteller Alvi, über Matratzenkerne und Funktionsstoffe.
Childhood Business: Was rechtfertigt teurere Matratzen im Vergleich zu Standardmodellen?
Klaus Blümel: Statt „teurer“ möchte ich lieber „wertiger“ sagen. Stellen Sie den Preis einmal in Relation zum Nutzen. Eine wertigere Matratze kostet vielleicht 100 Euro mehr, die ich ohnehin ausgeben würde. Ein Kleinkind nutzt die erste Matratze rund vier Jahre. Das macht 25 Euro pro Jahr oder zwei Euro pro Monat. Ein Baby schläft rund 15 Stunden am Tag. Selbst nach vier Jahren sind es noch etwa elf bis zwölf Stunden. Und diese lange Zeit sollte es den Eltern wert sein, in eine gescheite und auch der Ergonomie des Kindes gerecht werdende Matratze zu investieren.
CB: Was macht denn ein gutes Modell aus?
KB: Ganz allgemein sollte eine gute Matratze eine unterschiedliche Baby- und Juniorseite haben. Die Babyseite ist etwas weicher, die Juniorseite bereits etwas fester. Ebenso gehören trittfeste Kanten dazu, wenigstens an den Seiten, wobei ich meine, am besten sogar rundherum. Und dann kommt noch eine vertikale und auch horizontale Belüftung hinzu. Der Matratzenkern wird durch einen Bezugsstoff, am besten einen Funktionsstoff, der dem Kind gerecht wird, ergänzt.
CB: Schon optisch fallen bei den Querschnittsmodellen einer Matratze als Verkaufshilfe am PoS die Belüftungssysteme auf. Können Sie diese etwas erläutern?
KB: Die vertikale Belüftung wird meist durch Bohrungen gemacht. Dafür haben wir bei Alvi im Haus unsere eigenen Bohrautomaten mit ganz unterschiedlichen Bohrbildern. Im Kopf- und Pobereich sind zum Beispiel meist weniger Bohrungen angebracht als im Körperbereich. Horizontale Belüftungen lassen sich unterschiedlich erzielen. Zum einen über Schnitttechniken mit Konturschnittmesser, die über die Oberflächen gehen und Rillen oder Noppen schneiden. So lassen sich die Oberflächen auflockern, was auch schon zu einer Belüftung führt. Aufwendigere Matratzen bestehen aus mehreren Materiallagen, sodass durch die jeweilige Oberflächenbehandlung auch in der Matratze horizontale Belüftungen hineinkommen. Eine weitere Möglichkeit sind besonders gut belüftende 3D-Abstandsgewirke. Diese bestehen meist aus Polyesternetzen. Oben und unten sind ein fester Stoff aufgebracht und drinnen zum Beispiel formstabile Polyesterfäden, die die Punktelastizität unterstützen. Diese Gewirke können wir auf der Matratzenoberfläche oder bei zusammengefügten Modellen mittig im Matratzenkern einbringen.
CB: Solche Abstandsgewirke sind sicherlich in der Verarbeitung herausfordernd.
KB: Hier muss man als Hersteller sehr sorgfältige Lösungen finden, nicht, dass sich die Fäden lösen und dem Baby in die Nase piksen oder eingeatmet werden können. Wenn Sie auf die Einarbeitung der Gewirke schauen, werden Sie feststellen, dass wir bei der Verarbeitung immer extra etwas Stoff zugeben. Das machen wir bewusst, damit sich keine Faser aus dem Gewirk herauslösen kann. Was für den einen wie eine unsaubere Verarbeitung erscheinen mag, ist tatsächlich ein Qualitätsbeweis. Und Qualität steht bei uns im Haus einfach immer an erster Stelle. Das hört sich vielleicht etwas platt an, aber für uns bedeutet es, dass wir für jedes Detail eine optimale Lösung suchen.
CB: Gibt es noch komplexere Matratzenmodelle?
KB: Vor zwei Jahren haben wir eine Boxspring-Variante entwickelt. Dabei besteht das Matratzeninnenleben aus 525 einzeln eingenähten Federtaschen. Zusätzlich zur guten Belüftung liefert dieses Modell eine sehr hohe Punktelastizität.
CB: Die Komplexität der Kernbelüftung einer Matratze bestimmt also den Preis.
KB: Die technische Umsetzung ist in der Tat wesentlich. Am preiswertesten ist ein einfacher Oberflächennoppenschnitt mit vertikalen Bohrungen. Wird auch noch ein Konturenschnitt in der Mitte der fertigen Matratze eingebracht, dann ist zweimal geschnitten worden, was das Modell schon etwas teurer macht. Und Matratzengewirke verteuern ein Modell natürlich weiter, da diese in sich sehr aufwendig gefertigt sind. Bei einem High-End-Produkt wird die horizontale Belüftung auch noch mittels Schlitzen seitlich durch die trittfesten Kanten geführt. Konsequenterweise müssen dann auch die Bezugsstoffe speziell gefertigt werden, damit die Luft durch Matratze, Kanten und Stoff optimal zirkulieren kann.
CB: Hier gibt es dann sicherlich auch wieder Abstufungen je nach Qualität.
KB: Auch die Stoffe lassen sich nach Wertigkeit abstufen. Am einfachsten ist ein simpler Baumwollstoff. Es geht weiter über mit Watte versteppte Baumwolle, reines oder mit Watte verstepptes Polyesterdrell bis hin in den höherwertigen Bereich der Funktionsstoffe wie Tencel- oder Medicott-Garne.Durch Tencel-Stoffe und die Kernbelüftung ergeben sich vorteilhafte klimatische Schlafbedingungen.
CB: Was beeinflusst denn den Schlafkomfort?
KB: Dieser setzt sich aus der Regulierung der Luftfeuchtigkeit und Temperatur zusammen. Ein Baby kann anders als wir Erwachsenen nicht einfach die Bettdecke zurückwerfen, wenn ihm zu warm wird. Hier bieten sich Funktionsstoffe wie Tencel an. Interessanterweise boten wir schon vor Jahren Lyocell-Stoffe an. Aber erst als wir dabei auf die Marke Tencel wechselten, ging die Nachfrage deutlich nach oben. Hier will der Verbraucher die Marke haben.
CB: Welche Eigenschaften hat denn das Tencel?
KB: Es gibt drei vorteilhafte Faktoren. Der Lyocell-Stoff besteht aus Cellulosefasern mit Kapillaren, die die Feuchtigkeit vom Körper schnell wegtransportieren. Im Ergebnis liegt das Kind trocken und gut belüftet, was für einen erholsamen Schlaf sorgt. Das Garn ist auch weicher, was angenehm ist. Und zum Dritten wirkt es antibakteriell und ist für Allergiker geeignet. Lyocell verhindert die Einnistung von Hausstaubmilben.
CB: Wird die Wirkung gegen die Hausstaubmilbe durch eine spezielle chemische Ausrüstung „erkauft“?
KB: Nein, ganz und gar nicht. Die Lyocell- oder auch sogenannten Medicott-Stoffe greifen vielmehr auf natürliche Weise in die Nahrungskette der Hausstaubmilbe ein und verhindern deren Einnistung. Dabei ist es deren Kot und nicht die Milbe selbst, der Allergien auslösen kann. Im Babybett herrschen für die Milbe eigentlich beste Bedingungen: Es ist schön warm und eine Menge Hautschuppen sind auch da. Zur Verdauung der Schuppen braucht die Milbe aber Schimmelpilze, die die Hautschuppen aufspalten und für die Milbe verdaulich machen. Und diese Pilze wachsen nur da, wo es feucht ist. Wenn also die Funktionsbezugsstoffe und Matratzenkerne die Feuchtigkeit gut ableiten, können keine Schimmelpilze entstehen, die Schuppen werden nicht aufgespalten und die Milben finden keine Nahrung. Die Funktionsstoffe gehen also auf natürliche und nicht chemische Art gegen Hausstaubmilben vor.
CB: Bekommen Sie diese Zusammenhänge über den Fachhandel auch an den Endverbraucher?
KB: Wir schulen durch unseren Außendienst das Personal im Handel. Das Wissen im Handel ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Zugleich ist der Bedarf an Schulungen stark gestiegen, da das Personal auf der Fläche oft wechselt. Aber hier investieren wir für alle Beteiligten gern.