Tests für mehr Sicherheit

Tests sind gut. Verbraucher und Handel nutzen sie zur Orientierung. Die Hersteller treiben sie zu noch besseren Produkten. Doch nicht immer sind die Ergebnisse nachvollziehbar. Und manchmal sind sie falsch.

Bei Sonnenschein
… und bei guten Testergebnissen steht Herstellern wie Britax Römer wegen ausgezeichneter Modelle wie „Go Big“ das Lächeln im Gesicht.

Wenn der ADAC, die Stiftung Warentest oder das Magazin ÖkoTest Autositze, Kinder­wagen, Baby­matratzen oder Bekleidung für die Kleinen testen, tun sie das mit dem Ziel, die Verbraucher vor allzu dreisten Werbeaussagen der Industrie zu schützen. Sie wollen Mängel und nicht eingehaltene Grenzwerte aufdecken und die Unternehmen durch die öffentliche Bloßstellung zum Einlenken zwingen. In einer Industrie, in der die Hersteller in den allermeisten Fällen hoch motiviert sind, immer bessere Produkte zu machen, nimmt die in den 1970er-Jahren mit Sicherheit sehr nötige Wächterfunktion bisweilen nicht immer nachvollziehbare Formen an. Während eine Publikumszeitschrift wie Öko-Test ihre Existenzberichtigung zu verlieren fürchtet, wenn sie bei einem Test nicht von dramatischen Funden in den untersuchten Produkten berichten könnte, wird die Stiftung Warentest zu einem nicht unerheblichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert. Während jeder Marktteilnehmer – selbst überführte Hersteller geben das zähneknirschend zu – Verständnis für die Überprüfung und Ankreidung bei Verfehlen entsprechender Normen und Grenzwerte aufbringt, sinkt die Wertschätzung in jenen Fällen, bei denen nicht transparent gemacht wird, wie getestet werden soll, oder wenn Grenzwerte ohne Vorinformation unter die der gesetzlichen oder anderer Normen abgesenkt werden. Zumindest hinter vorgehaltener Hand wird immer wieder gemutmaßt, dass es manchmal darum gehe, die eigene Robin-Hood-Pose zu stärken.

Doch Panikmache kann kein Selbstzweck sein. Der gern als mündiger Bürger deklarierte Adressat solcher Tests wird zum Beispiel vom Magazin Öko-Test gern durch Konjunktive und Vermutungen zu Vorbehalten vor Produkten geleitet, die von den Herstellern durch vage Formulierungen nicht auf die Gegenprobe gestellt werden können. Selbst Grenzwerte im Milligrammbereich, oft auch weit unter den gesetzlichen oder auch unter den gar schärferen Grenzen des Oeko-Tex Standards 100, erscheinen in Mikrogramm ausgedrückt einfach noch bedrohlicher. Einige Beispiele aus den letzten Monaten illus­trieren diese Gratwanderung.

Beispiel: Kinderwagen

Dramatisch verpackt die Stiftung Warentest den jüngsten Kinderwagen-Test auf dem Titel der test-Ausgabe 03/2017 und schreibt: „Kinderwagen – Nur drei sind gut und sicher“. Ein schneller Blick in die Testergebnisse (siehe S. 59) bestätigt zwar nur drei insgesamt „gute“ Testurteile. Aber ein Blick in die Kategorie „Sicherheit“ bescheinigt zumindest neun von zwölf Produkten eine ausreichende bis gute Sicherheit. Zudem geht der Faktor „Sicherheit“ auch nur mit fünf Prozent in die Gesamtwertung ein. Dabei liest sich der Testbericht ausgewogener und bittet die Hersteller in der Regel um eine Stellungnahme, die mit einem plakativen Auszug Platz im Beitrag findet. Dass dabei die Einschätzungen auseinandergehen können, liegt in der Natur der Sache. Geprüft auf Flammhemmstoffe, stürzt das ansonsten als „gut“ bewertete Modell „Buffalo“ vom Hersteller Bugaboo („Buh – auch für Bugaboo“) auf die Schadstoffnote „4,6“ ab. Dass aufgrund nicht vorhandener Grenzwerte für den Kinderwagenbereich jene für Kinderspielzeuge angewendet wurden, kritisiert Jeroen Kuiper, Global Quality & Compliance Director von Bugaboo, wie folgt: „Eine Grundlage für ein solches Vorgehen sehen wir allerdings nicht.“ Michael Neumann, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattungs-Her­steller (BDKH) und zugleich Geschäftsführer von Dorel Europe, gibt als BDKH-Vorstand zu Protokoll, dass von den Testern gesetzte Grenzwerte als Herausforderung an die Industrie durchaus positiv zu bewerten seien. Zugleich mahnt er an, dass es dabei aber zu einem fairen Austausch und mehr Transparenz kommen müsse (siehe Interview S. 61).

Und dass die Tester nicht nur in überzeichneten Grenzbereichen gründeln, sondern auch auf ganz handfeste Probleme hinweisen, macht sich am Beispiel Knorr-Baby deutlich. Hier hat das Unternehmen zwar auf die Einhaltung der Europäischen Norm für Kinderwagen EN 1888:2012 hingewiesen, zugleich aber auch ein kostenloses Nachrüstset ausgelobt und eine Kippsperre entwickelt, die ab sofort in alle neuen Noxxter-Kombikinderwagen mit eingebaut wird. Auch bemängelte Schiebergriffe werden neu produziert und bei Wunsch ausgetauscht.

Beispiel: Kinder­jeans

Im Januar 2017 testete Öko-Test das Segment Kinderjeans. Und es war haupt­säch­lich ein einzelner Schad­stoff, der zur harten Abwer­tung der Produkte führte: Anilin. Mit abgestraft wurde ein Jeansmodell von Hessnatur. Das Unternehmen ließ nachmessen und wurde nicht fündig. Zudem zitierte es Heike Hess, Leiterin der Geschäftsstelle des Inter­na­tio­nalen Verbandes der Natur­tex­til­wirt­schaft (IVN): „Wiederholt falsche Prüfverfahren, nicht nachvollziehbare Grenzwerte sowie der Verzicht auf Bewertung von Produktionsbedingungen machen uns fassungslos. Solche als unabhängig kaschierten Test­ergebnisse eines kommerziellen Magazins bringen niemandem etwas, weder den Vorreitern und Pionieren der Bio-Branche noch den kommerziellen Modeanbietern. Sie machen die Verwirrung der Verbraucher komplett.“ Eine eingehende Bewertung des als äußerst streng geltenden IVN führt aus: „Keine Behörde, kein Standard dieser Welt fordert derzeit eine Anilin-Belas­tung von unter 5 mg/kg im Produkt. Nur Öko-Test.“ Und weiter heißt es: „Solche Grenz­werte führen letzt­end­lich dazu, dass die Verbrau­cher verwirrt sind und verun­si­chert. Schüt­zende Gesetze, vertrau­ens­wür­dige Standards und fundierte Grenz­werte werden infrage gestellt. Anbie­tern von Kinder­mode, die seit vielen Jahren als nachhaltig und verbrau­cher­ori­en­tiert bekannt sind, wird das Vertrauen entzogen, und besorgte Eltern greifen lieber zur konven­tio­nellen Billig­hose, die mögli­cher­weise noch schlimmer mit anderen gefähr­li­chen Substanzen belastet ist und unter schlechten sozialen und Umwelt­be­din­gungen produ­ziert wurde.“

Auch der Outdoor-Spezialist BMS wird, in der Ausgabe 04/2017 von Öko-Test, abgestraft. Die dadurch in Frage gestellte Oeko-Tex Association kritisierte die Einrichtung deutlich „als unseriös und unfair“ und bemängelte auch, dass die Messung an einem – wohlgemerkt zertifizierten – Sicherheitsreflexstreifen so
vermittelt würde, als wäre das gesamte Produkt betroffen. BMS-Geschäftsführer Bernd-Michael Schrö­der fordert dabei, dass Verbraucher zumindest aufgeklärt werden müssten, dass es „derzeit weltweit keine produktionstechnisch bessere Alternative für Sicherheitsreflexstreifen als die verwendeten gibt – mit dem Ziel, dass der Verbraucher entscheiden kann, ob er die ja nur außen aufgebrachten und nicht mit dem Kind in Kontakt kommenden Reflexstreifen zulasten einer deutlich verminderten Sichtbarkeit im Straßenverkehr eintauschen möchte.“ Er fügte an: „Unsere Stellungnahme in dieser Sache fand im Beitrag leider keinen Eingang in den Beitrag.“

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