Ob Video-Babyfon, Hightech-Pulsmesssocke, digitale Waage, intelligente Heizungs- oder Lichtsteuerung: Smarte Helfer rund ums Babybett sind ein Wachstumsmarkt. Nicht nur auf der Kind + Jugend, auch auf der Consumer Electronics Show CES in Las Vegas wurde 2017 deutlich: Babytech liegt im Trend.
Die nächste Generation nach den Helikopter-Eltern ist die der Drohnen-Eltern. Dieser Satz war kürzlich in einem Artikel zu lesen, mit einem Augenzwinkern zwar, aber doch tatsächlich so gemeint. Die Entwicklung ist nachvollziehbar: Welches noch junge Elternpaar kennt nicht die Sorge um das Wohlergehen seines Babys, erst recht wenn der winzige und wertvolle Mensch erst wenige Tage alt und gerade erst zu Hause „eingezogen“ ist. Da ist es nur logisch, dass die Mamas und Papas auf die neuen digitalen Überwachungsprodukte ansprechen, die ihnen ein besseres Sicherheitsgefühl vermitteln.
„Für frisch gewordene Eltern steht die Sicherheit ihres neugeborenen Kindes an erster Stelle“, verdeutlicht Marcella Vermeij, Marketing Managerin bei Philips Avent, die just unter anderem ein neues Video-Babyfon lanciert hat. Vermeij sagt dazu: „Smarte, mobile und Connected-Produkte spielen bereits jetzt eine große Rolle und werden dies auch in Zukunft tun.“
Die „Digital Natives“ werden jetzt Eltern
Forciert wird der Trend dadurch, dass die sogenannten „Digital Natives“ langsam Eltern werden. „Diese sind selbst mit technischen Produkten aufgewachsen und viel offener dafür, dass Technologie Teil unseres Alltags ist“, erklärt Asi Meskin, Co-Founder des Unternehmens Bowhead Technology. Es hat unter dem Namen Gululu interaktive Trinkflaschen entwickelt, die Kindern mittels eines „Gamification“ genannten Spielfaktors helfen, ausreichend zu trinken. Die Eltern haben währenddessen via App den täglichen Flüssigkeitskonsum ihrer Kleinen im Blick.
Ohnehin wird das Smartphone zum Dreh- und Angelpunkt. WLAN-Schläfen- oder -Schnuller-Thermometer wie von Nokia oder Pacif-i liefern die ermittelten Daten an dazugehörige Apps, so, wie es auch Pulsmesssocken von Owlet oder digitale Körperwaagen mit Baby-Modus, ebenfalls von Nokia, tun. Bei der Waage begibt sich ein Elternteil gemeinsam mit dem Baby im Arm und noch einmal allein auf die Waage. Die Waage rechnet das Gewicht des Nachwuchses exakt heraus. Die Eltern haben per App die laufende Gewichtsentwicklung im Blick und können die Messdaten mit dem Kinderarzt teilen. Philips Avent hat die produktübergreifende uGrow-App entwickelt, die sich ebenso mit „Smart Babyphone“ wie mit „Smart Ohrthermometer“ verbinden lässt und nicht nur alle Parameter übersichtlich an einem Ort sammelt sowie aufbereitet, sondern die gesunde Entwicklung von Babys zudem mit professionellen Ratschlägen und Informationen für die Eltern begleitet.
Programmierungen nach Wunsch
Warum sollte das Smart Home ausgerechnet vor den Zimmern größerer Kinder und von Teenagern halt machen? Auch Steckdosen, Heizung, Licht und Jalousien lassen sich, als Alternative zu nachrüstbaren Wand- und Handsendern, via App steuern. Ein großes Spielfeld an Möglichkeiten eröffnet sich so: Jalousien hoch, Sonne rein – die neue Art des Youngster-Weckservice. Wenn dieser nicht reicht, schaltet man das Multiroom-Audio-System dazu, das auch abends mit der Gutenachtgeschichte weiterhelfen kann. TV-Sperre am Nachmittag oder ab 22 Uhr abends helfen bei den Hausaufgaben und der Nachtruhe. Das ist alles heute kein Problem mehr. Auch die Beleuchtung lässt sich nach der Präsenz steuern – schließlich lassen die Kids gerne mal das Licht an. Mit der Gute-Nacht-Taste herrscht im ganzen Haus Ruhe, alle Lichter gehen aus, alle Stand-by-Geräte vom Netz. Zum Einschlafen kann die Beleuchtung im Kinderzimmer aber auch erst einmal mit zehn Prozent Leuchtkraft anbleiben. Darüber hinaus gibt es die Option, einen Schalter für das Kind zu programmieren, falls die Angst zu groß wird. Der „Monster-Hau-Ab-Schalter“ kann zum Beispiel gleichzeitig das Licht im Zimmer und im Flur oder im Elternschlafzimmer auslösen. Wachsenden Zuspruch erfahren überdies Raumluftsensoren, die regelmäßig den CO2- und Feuchtigkeitsgehalt der Luft messen und die Luftqualität per Ampelsignal mit LED-Lichtern anzeigen. Analog dazu hilft ein smartes Thermostat dabei, im Kinderzimmer die optimale Schlaftemperatur – nicht zu kalt, nicht zu warm – zu gewährleisten. Kontaktsensoren können derweil mit softem Signal darauf hinweisen, wenn Türen oder Schubladen geöffnet werden, beispielsweise wenn sich die Kinderzimmertür öffnet, obwohl doch gerade Schlafenszeit ist.
Auf die richtige Zielgruppe achten
Sowohl Babytech als auch Smart-Home-Technologie versprechen dem Fachhandel spannende neue Absatzchancen und Beratungsgesprächsthemen mit Wow-Effekt. Dabei gilt es jedoch, die individuellen Elterntypen gut einzuschätzen. Denn neben den technikaffinen Konsumenten gibt es auch jene, die der Entwicklung skeptisch gegenüberstehen.
Und tatsächlich gilt es, an der ein oder anderen Stelle genau hinzusehen, die Produkte sorgfältig auszuwählen und hohes Beratungs-Know-how aufzubauen. „Die smarten Produkte sind dann sinnvoll, wenn sie ihren Zweck erfüllen, ohne dabei zu schaden“, urteilt Dr. Urs-Vito Albrecht. Er ist stellvertretender Leiter des Peter L. Reichertz Instituts für Medizinische Informatik der TU Braunschweig am Standort Hannover sowie der Medizinischen Hochschule Hannover, an der er zudem geschäftsführender Arzt der Ethikkommission ist.
Sind auch die Daten geschützt?
Datenschutz sei eines der kritischen Themen, so Albrecht: „Problematisch wird es, wenn Eltern Daten in der Cloud speichern, ohne zu hinterfragen, was der jeweilige Anbieter damit macht. Das Netz vergisst nie, dessen sollten sich Eltern bewusst sein beziehungsweise darauf aufmerksam gemacht werden. Informationen über den Gesundheitszustand, Erkrankungen oder das Erkrankungsrisiko könnten für das Kind im späteren Leben Konsequenzen bei der Arbeitssuche oder dem Beantragen von Versicherungen haben.“
„Spione im Kinderzimmer“ titelte kürzlich die Digitalausgabe der Süddeutschen Zeitung und berichtete, dass die Stiftung Warentest gefährliche Sicherheitslücken bei smarten Puppen, Plüschtieren und Robotern entdeckt habe. Manche Geräte sendeten Namen und Geburtsdatum des spielenden Kindes an den Anbieter, andere setzen Tracking-Programme ein, die auch das Surfverhalten der Eltern mitschneiden können; mitunter können sich auch fremde Smartphone-Besitzer mit den Spielwaren verbinden, um die Kinder abzuhören, auszufragen oder ihnen Anweisungen zu geben. Die Bundesnetzagentur habe bereits 160 Verfahren eingeleitet und die smarte Puppe „My Friend Cayla“ von Genesis Toys Anfang des Jahres verboten. Sie musste aus dem Handel genommen werden.
Mattel zog das geplante „Smart Home Hub für Kinder“ wieder zurück, nachdem US-Senatoren Auskunft darüber verlangt hatten, wie das Gerät Daten sammelt und speichert. Albrecht empfiehlt Herstellern „eine penible Berücksichtigung von Datenschutz & Co. bei der Gestaltung ihrer Produkte. Wenn sie aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht mehr gekauft werden, können auch an sich sinnvolle Produkte schnell zu Ladenhütern werden“, so der Experte. Philips Avent zum Beispiel verweist in seiner Pressemitteilung zum neuen „Video-Babyphone SCD630“ daher ausdrücklich darauf, dass „die adaptive FHSS-Technologie für eine sichere und private Verbindung mit dem Baby“ sorgt.
Ein weiterer, teils kritisch gesehener Aspekt ist die Strahlung der Geräte. Wie es heißt, reagiert der Organismus von Babys und Kindern deutlich empfindlicher darauf als der von Erwachsenen. Daher sollte auf strahlungsarme Geräte geachtet werden, die möglichst frei von niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern sind.
Empfehlenswert sind auch Modelle, die nicht permanent senden oder funken, sondern die Übertragung erst dann aktivieren, wenn mögliche Probleme bei der Atmung des Babys oder Geräusche erkannt werden. Netzfreischalter gelten ebenfalls als gute Investition und Abrundung der Angebotspalette aufseiten des Handels. Und auch einen Elektrosmog-Schutz, der die Funktion der Geräte nicht einschränkt, gibt es zum Beispiel von Memon Bionic Instruments.
Aber eines sollte nicht vergessen werden: Was helfen die vielen Geräte, wenn im Fall eines Falles nicht gewusst wird, wie dem Kind zu helfen ist? Wenn also Geräte zur Überwachung von Vitalfunktionen Alarm schlagen, weil beispielsweise die Atmung des Babys ausgesetzt hat, dann ist es wichtig, dass die Eltern Erste-Hilfe-Kenntnisse anwenden können und sachgerecht reagieren.
Fachhändler können ihren Service auch durch das Angebot passender Kurse in Zusammenarbeit mit örtlichen Experten, sei es durch Hebammen oder durch Mitarbeiter zum Beispiel des Deutschen Roten Kreuzes, erweitern. Zumal das Angebot nicht nur für technisch besonders aufgeschlossene Eltern, sondern für die gesamte Kundschaft interessant ist.