Einen eigenen Onlineshop betreiben inzwischen immer mehr stationäre Händler. Aber diesen dann auch an die großen Marktplätze anzubinden, ist nicht einfach. Für den Schuhbereich bietet Dr. Dominik Benner mit Schuhe24.de eine Lösung. Und immer mehr Händler nutzen diese.
Manchmal sind es Zufälle, die aus der Not etwas überraschend Neues entstehen lassen. Als Dr. Dominik Benner nach dem Tod seines Vaters die elterlichen Schuhfachhandelsgeschäfte übernahm, widmete er sich gleich auch einer Digitalisierung des Geschäfts. Heute ist schuhe24.de abseits der großen Venture-Capital-getriebenen Unternehmen nicht nur erfolgreich, sondern bietet Händlern partnerschaftlich reale Chancen im Onlinebereich.
Childhood Business: Herr Dr. Benner, Ihre Familie ist seit 1882 im Schuhfachhandel tätig und betreibt noch heute zehn Filialen mit einem marktgängigen, aber auch durchschnittlichen Markensortiment. Eigentlich gehören Sie zu den unter Druck geratenen Handelsunternehmen. Mit dem Start von schuhe24.de sind Sie zugleich aber ein mutiger Vorreiter. Wie kam es zu der Idee?
Dominik Benner: Es war eigentlich ein Zufall: Als mein Vater 2012 überraschend starb, musste ich über Nacht entscheiden, ob ich mich von meiner Konzernkarriere verabschiede und in die Niederungen des Tagesgeschäfts eines Händlers einsteige. Schnell begannen wir, mit Onlinehandel zu experimentieren. Ich selbst hatte schon seit 1999 immer wieder privat auf Plattformen Schuhhandel betrieben. Als wir dann 2013 erste Erfolge hatten, kam auch schon der erste Händler auf uns zu und sagte: „Ich mag das Internet nicht und habe keine Ahnung davon, aber ich will die Umsätze mitnehmen, ohne zu investieren. Bitte mach du das für mich.“ So ist die Idee zu schuhe24 entstanden und inzwischen machen noch viele weitere Händler aus ganz Deutschland mit.
CB: Wie funktioniert schuhe24.de? Und wie werden die Erlöse aufgeteilt?
DB: Wir haben Schnittstellen zu allen Warenwirtschaftssystemen wie BITS, ETOS, HIS oder IPOS gebaut, um nur die wichtigsten zu nennen. Dadurch erhalten wir nicht nur in Echtzeit die Bestände, sondern verbuchen auch alle Onlineverkäufe direkt in die Systeme der Händler. Die Ware der Händler bieten wir europaweit auf einer Vielzahl von Kanälen an, die der einzelne Händler häufig nicht selbst erreichen würde oder dort gar keinen Zugang erhielte. Dadurch erlangen wir hohe Verkaufszahlen und erhöhen direkt die Umsätze der Händler.
CB: Ihre Plattform vereinigt Konkurrenten, was sonst nur selten gelingt. Wie viele Händler haben sich bisher angeschlossen und wo sehen Sie die Grenze?
DB: Inzwischen sind es 520 Filialen, die 120 Händlern gehören. Für ein weiteres Wachstum gibt es hier sicher Grenzen, aber unser Fokus liegt derzeit darauf, dass wir uns dort stärken, wo wir noch Schwächen haben. Solche Themen sind zum Beispiel Kinderschuhe, Mode und Textil, Comfort-Schuhe oder Sportschuhe sowie Sneakers.
CB: Abseits der üblichen Marketing-Charts, worin sehen Ihre angeschlossenen Unternehmen die größten Vorteile, bei schuhe24.de mitzumachen?
DB: Ganz einfach: schuhe24 ist die günstigste Filiale, die man als Händler eröffnen kann. Es gibt überhaupt keine Investitionen, wir sind zu 100 Prozent bidirektional an die Warenwirtschaft des Händlers angebunden, pflegen monatlich dessen Daten, bieten Beratungsleistungen an und bauen so einen sehr engen Draht zum Händler auf. Der Umsatz des Händlers erhöht sich mal um zehn Prozent, mal gar um bis zu 25 Prozent, was enorm ist. Zudem verkaufen wir sehr viel Altware zum Originalpreis, was stationär absolut unmöglich ist. Insofern erhöht sich nicht nur der Umsatz, sondern auch die Abverkaufsquote der Händler, denn diese entscheidet oft über Erfolg oder Insolvenz.
CB: Für Sie ist das Geschäft eigentlich risikolos: Sie schaffen die vermittelnde technische Integration, ein Lagerrisiko aber besteht nicht. Ist das nicht eine perfekte Nische zwischen den großen Onlinestores und den kleinen Fachhändlern?
DB: Wir sind ja genau diese Nische, die für die kleinen und mittleren Händler aktiv ist. Denn diese haben nicht das Knowhow und Kapital sowie qualifizierte Mitarbeiter, um online erfolgreich zu werden. Die großen Onlinestores haben deshalb großes Interesse an uns, weil sie so direkt Zugriff auf 520 Filialen bundesweit haben, die auch alles lokal ausliefern könnten, wenn sie wollten.
CB: Warum haben die etablierten Onlineplayer im Schuhbereich bisher Platz für Ihr Geschäftsmodell gelassen? Und wie verhindern Sie, eines Tages aus der Mitte gedrängt zu werden?
DB: Die Onlineplayer wie Amazon oder Asos haben keinen direkten Draht zum Händler und weigern sich, direkte Schnittstellen zu den einzelnen Systemen zu bauen. Wir machen genau das und haben Händler-DNA. Wir denken und handeln also wie Händler, was ein echter Vorteil ist. Wenn Zalando heute bei Händlern anruft, ist die Begeisterung nicht so groß und es gibt keinerlei Schnittstellen, damit auch Retouren und Stornos gebucht werden. Auch eine Datenpflege bietet dort niemand für den Händler an, was aber essenziell ist, da wir dies jeden Tag vor Ort bei Händlern machen und wir hier einen ganz dringenden Bedarf sehen.
CB: Wäre eine Plattform wie schuhe24.de nicht eher eine Aufgabe der Einkaufsgemeinschaften für ihre Mitglieder gewesen? Der Ariston-Nord-West-Ring (ANWR) bindet mit schuhe.de seine Mitglieder jetzt ebenfalls direkt an Zalando an. Bleibt Platz für alle Akteure?
DB: Ja, das denke ich schon, dass der Markt groß genug ist. Allein Amazon hat derart viele Marktanteile gewonnen, dass es Aufgabe von uns allen ist, hier selbst aktiver zu sein und neue Konzepte zu entwickeln. Das erfordert Mut und Schnelligkeit, sodass ich optimistisch bin. Sowohl schuhe.de (vom ANWR, Anm. d. Red.) als auch wir mit schuhe24 sind hier auf einem guten, stark wachsenden Pfad unterwegs, obwohl beide Plattformen im Ursprung ganz andere Ziele hatten.
CB: Welchen Stellenwert wird der stationäre Fachhandel in zehn Jahren noch haben?
DB: Ihn wird es definitiv noch geben, aber deutlich weniger, mehr auf Städte fokussiert und auch mehr von Herstellern als von Händlern dominiert. Ich denke, wir werden irgendwann bei 50:50 Online zu Offline liegen. Und in dieser Relation pendelt es sich dann ein, sodass beide Seiten durchaus leben und arbeiten können. Aber der Weg dahin wird noch viel Abschmelzung und Schließung für Händler bedeuten.
CB: Vielfach wird geraten, dass der Handel erlebnisreicher werden und das Shoppen wieder mehr Spaß bereiten müsse. Sind Händler die geborenen Entertainer?
DB: Das kann ich nicht beantworten, da ist jeder Händler anders.
CB: Und investieren Sie selbst noch in Ladengeschäfte?
DB: Ja, ich lege Wert darauf, dass die Geschäfte auch mir persönlich gefallen. Allein 2017 haben wir drei unserer zehn Geschäfte komplett modernisiert und mit 3-D-Druck bei Tapeten und Teppichen cool gemacht. Das ist also kein langweiliger Ladenbau mehr. Den kann ich nicht mehr sehen. Ich bin aber immer darauf bedacht, nicht alles Geld in die Läden zu stecken, da es sehr risikoreich ist und man sein Geld auch anderweitig investieren sollte. Wir machen dies vor allem durch Immobilien, die wir erwerben und dauerhaft verwalten, bis die Kinder diese erben.
CB: Und abschließend: Welche Ziele haben Sie sich mit schuhe24.de für 2018 gesetzt?
DB: Wir haben das Ziel, in Richtung 40 Millionen Euro an Verkäufen zu kommen. Unsere Händler sind derzeit sehr positiv und wir haben 2018 neue Kanäle, auch im Ausland, sodass wir vor allem dort wachsen wollen. Und 2018 werden wir sicher auch neue Kooperationen und Partnerschaften eingehen. Während früher jeder in der Branche für sich kämpfte oder Mitbewerber als Feind ansah, verschwimmen diese Grenzen nun.