Mehr Marken für das Kinderschuhsortiment

Trends, Looks und Outfits: Wenn wie auf der Pitti Bimbo Ideen zusammen­gestellt werden, leuchten die Augen.

Die klassischen Schuhveranstaltungen bieten einen fundierten Überblick der gut eingeführten Marken. Doch um dem Preisdruck und der Austauschbarkeit zu entrinnen, müssen die Sortimente ergänzt werden. Ein Plädoyer.

Gerade der Schuhfachhandel wird durch den Vertriebskanal des Online-Handels besonders attackiert. Nicht nur dass der Gesetzgeber hier eine großzügige Rücknahmepflicht etabliert hat, die den Wettbewerb beeinflusst. Obendrein sind die ärgsten Wettbewerber nicht darauf angewiesen, sich aus dem Bestandsgeschäft zu finanzieren, sondern können vielmehr als vollgepumpte Kapitalmarktwetten mit dem Ziel „The winner takes it all“ darauf aus sein, aggressiv zu wachsen – um der Größe und der Skalen­effekte willen.

Der Verbraucher mag darüber jubilieren, aber die digitalen Elefanten bieten nicht einfach ein größeres Warenangebot, sondern sie verändern die lang eingespielten Usancen der Branche ganz wesentlich. Was die reinen Online-Player vormachen, hat solch eine Sogwirkung, dass auch der stationäre Handel, der seine schmalen Mittel ebenfalls in einen Online-Shop investiert, nicht daran vorbeikommt, es ihnen nachzutun. So ist die kostenlose Rücksendung zum Standard geworden. Und diese triggert zusätzlich bei den enthemmten Verbrauchern eine regelrechte Bestelleritis: Anprobiert wird zu Hause und was nicht passt, wird einfach zurückgesendet.

Modelle wie Amazon Prime verstärken dieses entfesselte Konsumverhalten, da selbst Schnürsenkel einzeln geordert werden, wenn König Kunde sie vermeintlich ganz dringend benötigt. Auf den Gedanken, Einkäufe zu bündeln, achtet der auf diese Weise von jeder Zurückhaltung entbundene Konsument kaum noch. Und anstatt dass sich Kunden zum Einkaufsbummel aufmachen und die Parkhäuser belegen, stehen die Lieferwagen in zweiter Reihe, um zahlreiche, meist mit viel Luft umverpackte Bestellungen auszuliefern.


Ungleiches Spiel

Viele Newcomer im Lauflerner- und Kinderschuhbereich nutzen die Playtime Paris als Debütmesse. Das Umfeld der Kindermode, aber auch Interior und Accessoires bieten ein einzigartiges Ambiente für Kindermodefachgeschäfte.

Dabei könnte eine Beispielrechnung der Textilwirtschaft Mut machen. Diese belegt, dass der stationäre Handel trotz Personal, Miete und guter Lage auf eine zwar schmale, aber positive Rendite kommt. Für reine Online-Händler wurde hingegen ermittelt, dass die Geschäftsbilanz aufgrund der Kosten für Lager, Rücksendungen und Retourenausfall negativ ist. Nur, was nützt das, wenn der Kapitalmarkt, durch billiges Zentralbankgeld geflutet, einen längeren Atem hat als der langjährige Händler? Dessen Hausbank ist durch diverse Bankrenregularien wie Basel II kaum noch in der Lage oder willens, von einem Unternehmer benötigte Investitionsmittel bereitzustellen. Der stationäre Handel gehört inzwischen gar zu einer Risikoklasse, in der Geldmittel am liebsten nur noch dann bewilligt werden, wenn diese durch entsprechende Sicherheiten hinterlegt sind – der Händler das Geld also eigentlich ohnehin hat, nur eben nicht flüssig.

Die Konsumgewohnheiten ändern  sich also und selbst die Vorteile des persönlichen Services, der Beratung und direkten Tuchfühlung wollen nicht mehr so recht greifen. Umso verwunderlicher ist es, dass viele Fachgeschäfte bei der Zusammenstellung ihres Sortiments zwar auf wohlbekannte Marken, verlässliche Lieferanten und vernünftige Preise setzen, zugleich aber zu wenig Überraschungen bieten, um Kunden zu locken und für sich einzunehmen.

Chance: Sortimentskompetenz

Weil das Durchschnittssortiment meist lediglich ein, zwei Dutzend Kernmarken führt, darunter zahlreiche der großen Anbieter, gilt es, das Angebot an den Rändern durch Newcomer, Spezialisten und auch manch verrückten Sonderling zu ergänzen. Und die Welt der Kinderschuhe bietet eine wunderbare Vielfalt. Allein in den letzten zwei Jahren haben sich rund 850 Marken im Kinderschuhbereich auf den relevanten Messen in Deutschland und Westeuropa präsentiert. Vergleicht man diese mit den etwa 180 Marken, die sich sozusagen vor der Haustür wie auf der Gallery Shoes in Düsseldorf, der Cookies Show  in Berlin sowie den jüngsten Kinderschuh-Ordertagen im SOC Breitscheid  sichten lassen, dann erkennt man: Der Eisberg verbirgt den größten Teil seiner Pracht eben unter Wasser.

Viele der kleineren neuen Marken debütieren gar nicht auf Schuhveranstaltungen, sondern im  Kindermodebereich. Rund 100 davon nutzten in den letzten beiden Jahren die Playtime Paris, rund 170 die Pitti Bimbo, um nur einige der Orte zu nennen, wo sich erstaunlich viel um den Kinderschuh dreht. Dabei geht es nicht um die absolute Menge an Möglichkeiten, sondern um die Trüffelsuche nach dem Besonderen. Es geht um Marken, die zum Geschmack der eigenen Kundschaft passen, die ebenfalls die vor Ort erreichbaren Preislagen bedienen und die auch in der Abwicklung die Prozesskosten schonen. Aber es kommt weniger auf die lange Liste der möglichen Widrigkeiten an, mit der sich nahezu jeder Impuls wegargumentieren lässt. Vielmehr geht es ganz einfach um das Momentum des Mutes, mit der einen oder anderen neuen Marke und, ja, auch mal mit einigen Modellen im Schaufenster die Passanten zu locken, auch wenn sie sich an der Kasse für die konventionellen Farben und Modelle entscheiden sollten.

Dem Handel wird von vielen Beratern empfohlen, mehr Erlebnisse zu schaffen. Aber das ist weder von jedem finanzierbar, wie auch nicht jeder gute Verkäufer der geborene Entertainer ist. Doch wer ein gutes Gespür für seine Kunden hat, kann mit Sicherheit das Sortiment durch tolle und eben noch nicht überall gesehene Marken ergänzen. Denn wenn Instagram für viele Marken funktioniert, um so ganz augenscheinlich neugierige und für das Neue aufgeschlossene Kunden zu generieren, dann sollte der stationäre Handel diesen Marken ebenfalls Aufmerksamkeit schenken. Viele von den Marken sind mit eigenen Online-Shops unterwegs. Aber warum? Vielleicht weil der Handel ihnen zu selten eine Chance bietet? Wer hier die Hand reicht, beschenkt seine Kunden und kann Marken an sich binden. Vor allem aber bieten diese Labels eines: die nötige Prise Unverwechselbarkeit!

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