Ein Standort, zwei Messen und die Frage: Steht die Region am Ende ohne Ordertermin da?
Im Raum Frankfurt scheint es in den kommenden Monaten zu einem Showdown der Ordertermine zu kommen. Das Modecenter Häuser der Mode (HdM) in Eschborn will unter Federführung des Centermanagers Alexander Socher dem angestammten regionalen Event Kids Now von dem Messeveranstalter Muveo Konkurrenz machen. Bereits im Juli 2018 wurden Aussteller der Kids Now angesprochen, künftig doch ins HdM zu wechseln – und so manche Handelsvertretung tuschelte hinter vorgehaltener Hand von dem großen Auszug der Aussteller und der frohen Verheißung aus Eschborn.
Kids Now: Die regionale Traditionsveranstaltung
Seit rund 30 Jahren reisen die zumeist regionalen Einkäufer für das Segment der Baby- und Kinderbekleidung zweimal jährlich zur als Komm Wallau gegründeten und vor wenigen Jahren in Kids Now umbenannten Traditionsveranstaltung nach Hofheim bei Frankfurt. Verkehrstechnisch günstig angebunden, ohne dass die Besucher sich durch den Stadtverkehr Frankfurts drängeln müssten, und doch ein bisschen arg außerhalb gelegen, brachte die Kids Now zuletzt jeweils um die 200 Marken zusammen und investierte kräftig in den Auftritt, die Kommunikation und die Attraktivität des Ordertermins. In Zusammenarbeit mit Childhood Business wurde in den letzten fünf Saisons durch ein gemeinsames Messe-Shooting als besonderer Services der Kids Now die Sichtbarkeit der teilnehmenden Marken durch eine Publikation der von Kindern ausgewählten Looks der kommenden Saison gestärkt.
Allein: Die Besucherfrequenz ging zurück. Gelitten hatte diese, als die Kids Now bereits vor wenigen Jahren in ein erstes Kreuzfeuer geriet, nämlich als die Koelnmesse im Juli 2013 antrat, mit der Children’s Fashion Cologne (CFC) eine Kindermodemesse zu organisieren, die mit der Zielsetzung antrat, sich als bundesweite Leitveranstaltung zu etablieren. Und zeitgleich drängte sich die Igedo Company in Düsseldorf mit dem Format Little Gallery ebenfalls auf das Termintableau der doch recht überschaubaren Branche. Nun ist die Little Gallery längst schon vergessen und die nach vier Saisons eingestellte CFC zumindest Geschichte. Doch die relative Nähe zur Kids Now hat Aussteller abgesogen und auch die Besucherzahlen einreißen lassen. Zeitgleich setzte der Strukturwandel im Handel immer stärker ein, sodass das natürliche Potenzial der Region begrenzt ist.
Jens Frey, Geschäftsführer der Muveo, beschreibt die Situation mit folgenden Worten: „Der stationäre Fachhandel für das Segment Kindermode sieht sich bundesweit massiven strukturellen Veränderungen unterworfen. Betrachtet man die Zahlen im Detail, so hat sich Anzahl der Händler in den letzten zehn Jahren halbiert. Unser Einzugsgebiet hat vor allem einen regionalen Schwerpunkt, was aber bei den meisten Orderformaten der Fall ist.“ Angesprochen auf die neue Konkurrenz aus Eschborn ergänzt Frey: „In Relation zur Marktsituation ist es sicherlich nicht dienlich, eine weitere Orderplattform in einem stagnierenden bis rückläufigen Markt zu lancieren – am Ende haben immer die Besucher das Nachsehen, die weder am einen noch anderen Standort ein ganzheitliches Markenportfolio finden.“
Eschborn: Chance oder Chimäre
Doch das HdM in Eschborn ist angetreten, vom 12. bis zum 14. Januar 2019 mit den „Kinderordertagen“ (inzwischen wurde der Event in “Kids World” umbenannt, Anm. d. Red.) eine neue Plattform zu starten. Auf Anfrage von Childhood Business hat Socher inzwischen bestätigt, dass der Kids-Event als Auftakt für den Einstieg in ein „temporäres Messegeschäft“ zu verstehen sei. Während das Kerngeschäft in der Vermietung von Showrooms besteht, sollen Orderevents für ein paar Tage zusätzlichen Ausstellern die Möglichkeit geben, im HdM auf Kundenfang zu gehen. Auch der Folgetermin für die Kindermode zur SS-20-Saison stehe laut Socher schon fest. Dieser werde vom 21. bis zum 23. Juli 2019 stattfinden.
Was aber hat ihn veranlasst, in dem ohnehin engen Markt anzutreten? Nach anfänglicher Zurückhaltung nimmt Socher inzwischen kein Blatt vor den Mund: „Die Wallauer Messen taten sich in den vergangenen Jahren, mit Ausnahme der Innatex, sichtlich schwerer und werden im gesamten, nationalen Messekontext von der Industrie infrage gestellt. Letztes Jahr hat die Messe gegenüber den Ausstellern eine Zusammenlegung des Kinder- und Wäscheformates in 2019 auf einen Termin als vermeintliche Bedingung für eine Fortführung gemacht. Ab dem Moment mussten wir uns Gedanken machen, wie es weitergehen soll und haben uns nach vielen Gesprächen auf diversen Messen für die Entwicklung eines erweiterten Orderwochenformats in den HdM entschieden.“
Als Vorzug seines Hauses macht er die Tradition und die festen Showrooms aus: „Wir sind seit 46 Jahren an Ort und Stelle – die Kunden wissen genau, was sie erwarten können. Wir haben bereits 45 Kindermarken (über feste Showrooms, Anm. d. Red.) im Haus, dazu kommen mindestens weitere 30 Brands.“ Diese Zahlen bieten im Vergleich zur Kids Now noch keinen Vorteil. Und auch der maximal verfügbare Platz für die zureisenden Aussteller ist mit rund 500 Quadratmetern klar begrenzt. Zum Vergleich: Die Kids Now bietet eine Kapazität von bis zu 3.500 Quadratmetern. Doch die Kernkritik zielt ja auf die Besucherfrequenz. Die Veranstaltung wird das HdM „über Newsletter, Plakate und Social Media in Kooperation mit den Messeausstellern und unseren Partnern vor Ort bewerben“. Der frische Wind hat zumindest einige der Aussteller veranlasst, sich für das HdM zu interessieren. Namen könne er aber noch nicht nennen, so Socher, bevor die Verträge unterschrieben sind.
Zwei, eins oder keins
Im Grunde sind sich beide Veranstalter einig: Die Region ist klein und es dürfte kein Platz für zwei so nahegelegene Events sein. Besteht am Ende nicht die Gefahr, dass es zu Showdown kommt und wieder nur ein oder noch schlimmer: gar kein richtiger Event mehr übrigbleibt? Die Gefahr sieht Frey sehr wohl: „Ja, die Gefahr besteht in der Tat! Die Kids Now ist seit über 30 Jahren ein stetiger Begleiter in unserem Messekalender und die Situation am Markt ist aktuell für alle nicht einfach. Es fehlen klare Konzepte in der Branche und mit der derzeitigen ‚Flickenstrategie‘ tun wir uns alle keinen Gefallen. Wir haben die Rückläufigkeit im Fachhandel ja nicht verursacht. Nach drei Jahrzehnten ist die aktuelle Situation aber natürlich auch eine emotionale Angelegenheit für alle Beteiligten, das ist doch klar! Wir erfahren aber glücklicherweise nach wie vor sehr viel Zuspruch seitens vieler Aussteller und seitens unserer Besucher – es wäre für viele sicherlich sehr bedauerlich, wenn ein solches Format nicht mehr stattfinden würde.“
In der Region Frankfurt müssen sich Aussteller und Besucher also alsbald entscheiden.