Quo vadis?

Mit dem neuen Quinny weiß man schon wohin: Einkaufen ist Dank des Shoppingbaskets sehr bequem.
Mit dem neuen Quinny weiß man schon wohin: Einkaufen ist Dank des Shoppingbaskets sehr bequem.

Der Markt der Kinderwagenhersteller ist hart umkämpft. Die Vielfalt ist groß und immer wieder treten neue Anbieter auf den Plan. Childhood Business bat die Geschäftsführungen einiger Unternehmen um ihre Einschätzung.

Im Grunde scheint es, als liefe im Kinderwagenbereich alles rund und wie eh und je. Auch die Geburtenzahlen sind der Branche hold, stiegen sie doch in 2016 auf ein Langzeithoch  und haben das Niveau in 2017 halten können. Der Absatz von Kinderwagen stieg nach Angaben von Interconnection Consulting von 782.500 Stück in 2013 auf 843.600 in 2017. Doch solche Zahlen trügen und geben nicht die Marktlage wieder, wie sie von den Anbietern wahrgenommen wird. Anlässlich der Kind + Jugend haben wir mehrere Hersteller nach ihrer Einschätzung gefragt. Und die ist recht einhellig. „Der Kinderwagenmarkt war und ist nach wie vor hart umkämpft“, gibt Jörg Zehe, Geschäftsführer von ABC Design, unumwunden zu. Der Druck entsteht dabei aus zwei Richtungen: „Immer wieder drängen neue Mitbewerber auf den Markt und ebenso gibt es immer wieder innovative Ideen.“

Preisrutsch durch Dumpingpreise

Gesslein ist einer der wenigen Hersteller, die ihre Produkte noch in Deutschland fertigen.
Gesslein ist einer der wenigen Hersteller, die ihre Produkte noch in Deutschland fertigen.

Auch für Alexander Popp, zusammen mit Jeannine Merkl Geschäftsführer bei Gesslein, hat sich das Klima im Markt eindeutig verschlechtert: „Die Marktsituation ist derzeit sehr angespannt. Besonders die Direktimporte von asiatischen und osteuropäischen Firmen haben der Branche in den letzten Jahren großen Schaden zugefügt, indem sie – um schnell im deutschen Markt Fuß zu fassen –
mit Dumpingpreisen einen regelrechten Preisrutsch verursacht haben. Darunter leiden nicht nur die traditionellen Hersteller, sondern auch die Fachhändler.“ 

Auch John Hartan vom gleichnamigen Hersteller Hartan Kinderwagen übt Kritik in die gleiche Richtung: „Es gibt nur noch ganz wenige Firmen, die in Deutschland produzieren. Wir konkurrieren hauptsächlich mit Firmen, die aus Fernost, zumeist also aus China, importieren. Und das teilweise zu Preisen, die in Deutschland nicht zu erreichen sind.“ Wer dabei wie Hartan noch in Deutschland produziert, hat es besonders schwer: „Wir produzieren Ware im mittleren und höheren Preissegment mit einer Fertigungsqualität aus Deutschland und heben uns durch unser ‚Made in Germany‘ von vielen im Ausland gefertigten Produkten ab. Wir werden aber auch in Zukunft alle Anstrengungen unternehmen, um unsere Produktion hier in Deutschland aufrechtzuerhalten“, gibt sich Hartan kämpferisch. Doch um auch das untere Preissegment abdecken zu können, muss das Unternehmen den Standort Sonnefeld verlassen und ins Land der aufgehenden Sonne reisen. Die Exklusivserie „Xtra Line“ im Buggybereich wird für die niedrige Preislage aus Fernost bezogen. Doch Hartan will nicht nur mit der qualitativen Fertigung punkten, sondern die Begehrlichkeit der Produkte steigern. Dazu zeigt das Haus in Köln eine Kollektion mit modischen Designs, mit technisch hochwertigen Gestellvariationen und mit Lizenzthemen von Bellybutton und s.Oliver. Ganz neu im Programm sind die Lizenzprodukte für Mercedes-Benz. Diese wurden zusammen mit dem Automobilkonzern in einem speziellen Mercedes-Benz-Design entwickelt.  

Kiddy ist im Kinderwagenmarkt eine eher noch unbekannte Größe. Doch durch die klare Kommunikationsstrategie erkennt eigentlich jeder Branchenexperte, wer da vor einem steht, wenn es einem quietschgrün entgegenleuchtet.
Kiddy ist im Kinderwagenmarkt eine eher noch unbekannte Größe. Doch durch die klare Kommunikationsstrategie erkennt eigentlich jeder Branchenexperte, wer da vor einem steht, wenn es einem quietschgrün entgegenleuchtet.

Auch wenn die Marke Kiddy vor allem mit Autositzen anstatt mit Kinderwagen assoziiert wird, blickt das Unternehmen auf ausreichend Marktkenntnis zurück. Kai Perlinger, Global Vice President Brand Marketing, Product Design & Retail des Hauses, widerspricht dem nicht: „Trotz unserer über 50-jährigen Firmengeschichte und der Tatsache, dass wir bereits seit geraumer Zeit Kinderwagen und Buggys im Sortiment haben, stehen wir aus verschiedensten Gründen als Kinderwagenmarke sicher noch ganz am Anfang im Bewusstsein der Endverbraucher.“ Chancen sieht Perlinger in den immer anspruchsvolleren Kundenwünschen begründet: „Uns spielt der allgemeine Trend zu mehr Design, kleineren kompakteren Wagen, der Wunsch nach Individualität sowie der Wunsch nach Reisesystemen in die Karten.“ Doch die Chancen verdecken auch für Kiddy nicht die Schwierigkeiten, in denen das Segment steckt: „Aktuell ist der Markt sehr hart umkämpft und befindet sich in einer Konsolidierungs- und Bereinigungsphase. Etablierte Marken straucheln oder verschwinden gar ganz. Neue Anbieter drängen auf den Markt“, konstatiert Perlinger.

Online-Handel begünstigt Importartikel

Wer ohne den Ballast einer eigenen Produktion oder Produktentwicklung wie Robert Gietl als General-
importeur von Peg-Pérego auf das Marktgeschehen blickt, könnte die Situation etwas entspannter betrachten. Aber auch Gietl befindet sich mit seinen Produkten natürlich  in der gleichen Wettbewerbssituation wie die Hersteller. Für ihn „ist die aktuelle Marktsituation stark geprägt durch den Online-Handel. Insbesondere Importartikel ohne bekannten Markennamen finden über renommierte Online-Plattformen wie beispielsweise Amazon sehr schnell Zugang zum Markt.“

Als Nischenanbieter von Retromodellen hat sich Thomas Fischer von Eichhorn Kinderwagen zwar schon vor Jahren weitestgehend aus dem deutschen Markt verabschiedet, fixiert aber mit seinem 1920 gegründeten und 1988 übernommenen Unternehmen, das 2011 zum 50. Mal auf der Kind +
Jugend ausgestellt hatte, das eigentliche Problem der Branche in der „Standardisierung und Internationalisierung der Produkte und Marken, um maximale Produktionsmengen zu erreichen –
mit dem Ziel, die sehr niedrige Marge zu vergrößern. Es werden Weltmärkte für Produkte geschaffen und nicht Produkte für bestehende Märkte.“ Dabei dürfte Eichhorn wohl einer der kleinsten industriellen Hersteller in Deutschland sein, der aber sein Heil im weltweiten Export sucht. Die mangelnde Größe gleicht Fischer durch eine hohe Flexibilität aus und reduziert die Abhängigkeit von großen Kunden durch eine breite Streuung.

Der Anbieter Joie sieht die Marktsituation positiv und will seine Premiummarke Nuna noch stärker aufstellen.
Der Anbieter Joie sieht die Marktsituation positiv und will seine Premiummarke Nuna noch stärker aufstellen.

Da Joie zu den jüngeren Marktzugängen gehört und mit einem Konzern im Rücken eher zu den Angreifern zu zählen ist, fällt die Einschätzung von Geschäftsführer Oliver Mecky optimistisch aus: „Wir fühlen uns gut aufgestellt. Seit der Gründung von Joie in Deutschland vor fünf Jahren wachsen wir stetig. Zuletzt haben wir im Jahr 2017 unseren Umsatz um etwa 70 Prozent gesteigert. Mit unserer ‚Trax‘-Familie nehmen wir darüber hinaus bei Kindersportwagen eine führende Rolle ein. Mit unserer Premiummarke Nuna sind wir noch nicht ganz so weit, aber es ist unser erklärtes Ziel, uns auch hier im Markt zu etablieren.“ 

Strategien und mehr Service

Jedes der befragten Unternehmen muss eine Strategie entwickeln, um mit den Herausforderungen im Markt umzugehen. Dr. Christian Horn vom österreichischen Anbieter Baby & Company macht im auseinanderdriftenden Markt seine Chance aus: „Der Trend geht zu Hochpreismarken auf der einen und zu Private Label auf der anderen Seite. Marken im mittleren Preissegment sind relativ schwierig erfolgreich zu platzieren und am Point of Sale zu halten. Somit ist für uns als Mittelständler der Private-Label-Bereich aufgrund der aktuellen Abnehmerstruktur mit steigenden Zahlen an Großabnehmern sowie Filialketten der lukrativere Part und am schnellsten auszubauen.“

ABC Design setzt auf langfristig-geplante Beziehungen und effektive Serviceleistungen.
ABC Design setzt auf langfristig-geplante Beziehungen und effektive Serviceleistungen.

Für Jörg Zehe, dessen Produkte zu 100 Prozent in Fernost gefertigt werden, erfordert die derzeitige Marktlage, nicht einfach opportunistisch auf Sicht zu fahren, sondern: „Wir haben für unser Unternehmen keine kurzfristige Strategie gewählt, sondern versuchen, mit unseren Handelspartnern solide, langfristige Pläne zu schmieden. Das gelingt uns aktuell ganz gut.“ Teil der Maßnahmen ist eine noch stärkere Servicekomponente: „Wir strukturieren unseren bereits guten Service aktuell um, um noch schneller und effektiver zu werden. Unsere Handelspartner bekommen dazu von uns auf der Kind + Jugend die neuesten Informationen.“ 

Service durch den Fachhandel steht für Jeannine Merkl bei Gesslein weit oben auf der Prioritätenliste: „Der Fachhändler ist unser wichtigster Partner, um dem Kunden vor Ort einen umfassenden und kompetenten Service zu ermöglichen. Einige wenige Fachhändler führen kleinere Reparaturen auch selbst durch, doch in den meisten Fällen reparieren wir in unserer eigenen Werkstatt. Da unsere Kinderwagen über eine anspruchsvolle Technik und viele Funktionen verfügen, ist diese Lösung für alle Seiten am praktikabelsten, denn schließlich haben wir hier bei uns die entsprechenden Ersatzteile und das Know-how, um bei Schwierigkeiten schnell und kompetent weiterzuhelfen. Ein Fachhändler, der eine Vielzahl von Marken vertreibt, kann diesen Reparaturservice vor Ort kaum leisten.“ 

Dr. Horn kritisiert den Handel in Bezug auf die Servicebereitschaft, sieht darin aber im Umkehrschluss auch Chancen: „Kein Händler ist wirklich interessiert, den Service zu übernehmen, und bedient sich auch gerne weiterhin des Lieferanten. Das Thema After-Sales-Service, speziell beim Kinderwagen, ist für den Handel viel zu komplex und kompliziert. Das ist traurig, aber auch als Vorteil für uns als Lieferanten zu sehen! Durch unsere Nähe im Servicefall können Direktimporte für Händler weniger attraktiv sein. Wahrscheinlich wird künftig immer weniger repariert und stattdessen das defekte Produkt sofort zurückgenommen und dem Kunden ein neues Ersatzprodukt ausgehändigt.“

So negativ sieht Mecky die Servicebereitschaft des Handels nicht und legt großen Wert auf Schulungen und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Denn: „Je besser ein Händler unsere Produkte kennt, desto leichter kann er vor Ort kleinere Mängel beheben oder einschätzen, ob der Wagen zu uns zur Reparatur kommen muss. Keine Variante ist per se besser. Wir versuchen immer, in Absprache mit dem Händler die für den Endverbraucher beste und schnellste Lösung zu finden.“ 

Verschlagwortung des Beitrags

Auf Social Media teilen & Co.

Gleich weiterlesen

Und sonst noch?