Fairness im Handel

Gemeinsam in die Zukunft:
Der Kunde entscheidet, ob er online oder offline kauft. Doch für Emmaljunga funktioniert Fairness nur, wenn Hersteller und Handel dabei nicht in Konkurrenz treten.

Online muss sein. Aber Wettbewerb durch den eigenen Lieferanten nicht. Emmaljunga will mit dem Fachhandel stationär wie digital eng zusammenarbeiten.

Die Schweden machen ja so manches anders. Vielen ist der Kinderwagenhersteller Emmaljunga ein Begriff und Einkäufern ist das Haus als Fachhandelspartner wohlbekannt. Doch anders als viele Wettbewerber produziert das Unternehmen nicht in Asien, sondern seit 1925 im eigenen Werk in Schweden. Und auch mit dem Internet gehen die Eigentümer Christian und Christiane Persson anders um: Fachhändler werden an den Umsätzen des neuen Webshops beteiligt. Zur Rolle des Handels und zum neuen Geschäftsmodell stand Christiane Persson unserem Magazin Rede und Antwort. 

Childhood Business: Wie informieren sich die Kunden über Kinderwagen, bevor sie sich für ein Modell entscheiden? 

Seit mehr als 30 Jahren lebt die Deutsche Christiane Persson in Schweden und führt mit ihrem Mann Christian den Kinderwagenhersteller Emmaljunga. Drei ihrer fünf Kinder sind ebenfalls in dem Unternehmen tätig – und werden künftig die Geschicke von Teutonia verantworten, dem neuesten Erwerb der Familie.

Christiane Persson: Der Informationsprozess läuft je nach Preissegment etwas unterschiedlich ab. In der Preisstufe, wo wir mit Emmaljunga angesiedelt sind, hat der traditionelle Fachhandel nach unserer Beobachtung eine wesentlich höhere Bedeutung als in niedrigeren Preissegmenten. Die meisten Eltern schauen heute zu Beginn erst einmal in das Internet. Online zu recherchieren bietet sich an, denn hier werden rund um die Uhr zahlreiche und detaillierte Informationen gegeben, die eine Erstorientierung unterstützen. Immer mehr Hersteller bieten auch informative Filme, die die Produkte nicht nur im Regal, sondern auch im Einsatz zeigen. Im nächsten Schritt steht in der Regel der Besuch des örtlichen Fachhandels an. Für den Kauf eines Premiumkinderwagens ist dieser noch immer die zentrale Anlaufstation für werdende Eltern. Nur kommen heute die Interessenten eben oft schon „vorinformiert“ in das Geschäft. Hier wollen sie die Produkte anfassen, ausprobieren und sich durch gute Beratung vergewissern. Wir beobachten, dass unsere Kunden hohe Erwartungen an das Produktwissen und das Serviceangebot des Fachhändlers haben. Zum einen geht es ja um relativ hochpreisige Produkte. Und zum anderen werden unsere Fachhandelspartner von uns umfassend geschult, sodass wir auf unserer Website ebenfalls auf deren Beratungskompetenz hinweisen. Wer sich für Emmaljunga interessiert, erwartet zu Recht, dass ihn ein Händler, der die Marke führt, authentisch über sie orientieren, die unterschiedlichen Produkte vorstellen und über die qualitativen Vorzüge Auskunft geben kann. Kunden erwarten ein kompetentes Kauferlebnis. Und damit ist nicht einfach eine Kaffee­­ecke gemeint, sondern eine persönliche und engagierte Beratung. Daher laden wir Fachhändler auch gern in unsere Fabrik ein. Wer die erlebt habt, kann aus eigener Anschauung berichten, weiß, dass wir nicht in Fernost, sondern seit 1925 in Schweden im eigenen Werk selbst produzieren, und kann aus eigener Anschauung von unseren zahlreichen Anstrengungen berichten, unsere Kinderwagen nicht nur sehr hochwertig, sondern auch außerordentlich nachhaltig herzustellen. Wenn der Fachhändler den Eltern zudem vermitteln kann, dass er für den Kunden da ist, ihn gut berät, auch bei Problemen hilft und Reparaturen am besten in der eigenen kleinen Servicewerkstatt erledigen kann – dann bietet das die Grundlage für eine lange Kundenbindung. Und auch die Preisthematik „habe ich aber online billiger gesehen“ relativiert sich dadurch immer mehr. 

Kunden informieren sich immer häufiger zweigleisig. Am Anfang steht der kursorische Überblick im Internet auf der Agenda. Im Anschluss folgt oft ein Besuch beim nächstgelegenen Fachhändler. Gekauft wird am Ende je nach Kunde auf einem der beiden Kanäle.

CB: Sie sprechen gleich eine ganze Reihe zentraler Themen an. Schauen wir zuerst einmal auf die Babyfachmärkte. Welche Veränderungen lassen sich beobachten?

CP: In den Babyfachmärkten ist im Schnitt immer weniger Personal auf der Fläche und gleichzeitig nimmt die Anzahl der angebotenen Marken zu. Damit droht, dass das Beratungswissen zu den einzelnen Herstellern und Produkten sinkt und es schlicht und einfach an Know-how fehlt. Dieser Gefahr zum Trotz gelingt es den einen, sich dennoch als kompetente Babyfachmärkte zu behaupten, während andere sogenannte Fachmärkte aus Konsumentensicht nicht mehr als rechte Fachhändler erlebt werden. Wir denken, dass sich ein Fachhändler im herkömmlichen Sinn auf eine gute Markenauswahl konzentriert, diese über die unterschiedlichen Preissegmente differenziert und sich in seinem Sortiment dafür bestens auskennt. Man hilft keinem Kunden bei der Wahl des richtigen Kinderwagens, wenn man über 20 verschiedene Marken anbietet – nur aus Angst, eine Marke nicht im Programm zu haben, falls ein Kunde genau danach fragen sollte. Unserer Ansicht nach reichen ein halbes Dutzend verschiedener Kinderwagenmarken aus, zumal die einzelnen Hersteller über ein klug austarier­tes Modellprogramm verfügen.Außerdem beobachten wir bei den gut geführten Fachhändlern, dass diese großen Wert auf die interne Ausbildung und Schulung ihres Personals legen. Kompetenz ist „Key“. Neben Produktwissen und einer Serviceorientierung gehören auch Empathie für die Kunden dazu. 

CB: Sie legen Wert darauf, dass Ihre Fachhandelspartner eine eigene Service-Werkstatt ha­ben. Warum ist Ihnen das so wichtig? 

CP: Aus einer ganzen Reihe von Gründen. Erstens ist eine eventuell nötig werdende Reparatur vor Ort doch wesentlich schneller erledigt! Man muss keinen Leihwagen stellen und der Kunde muss weder auf seinen gerade lieb gewonnenen Premiumkinderwagen verzichten noch sein Kind einem meist ja mehrfach vorbenutzten Ersatzmodell anvertrauen. Und das Beste ist, dass der Kunde die direkte Hilfe dem Geschäft hoch anrechnet. Das ist erlebter Service! Zweitens ist es für alle Beteiligten deutlich günstiger und drittens für die Umwelt viel nachhaltiger, wenn keine Kartons hin- und hergeschickt werden müssen. Hier kann der Handel direkt zu mehr Umweltverträglichkeit beitragen. Ganz nebenbei entfällt das Risiko von Transportschäden. Und last but not least hat ein Fachhändler mit einer eigenen Servicewerkstatt einen weiteren Vorteil: Während der Kunde auf seine Reparatur wartet, kauft er oftmals weitere Produkte im Laden ein. Ein unkomplizierter und professioneller Service zeigt Kompetenz und das spricht sich auch im Freundeskreis der Kunden herum. Das Gute bei Emmaljunga ist: Die Produkte so konstruiert, dass sie sich wirklich leicht reparieren lassen. Bei Bedarf können wir Händlern sogar im Nullkommanichts ein spezifisches Reparaturvideo im hauseigenen Studio anfertigen, das die wenigen nötigen Handgriffe anschaulich demonstriert. Das verstehen wir unsererseits als Service für mehr Service.

CB: Aber machen es andere Hersteller den Händlern mit der Einsendung eines defekten Wagens nicht einfacher?

CP: Finden Sie das einfacher? Für mich droht damit eher die Entmündigung des Fachhandels. Wer ein Produkt einsenden muss, kann es bald nicht mehr reparieren und verliert seine Servicestärke, letzten Endes sogar seine Existenzberechtigung. Wer online kauft, muss ja auch einsenden – für den Kunden ist das nervig genug. Und braucht er dafür dann noch einen Fachhändler? Hersteller, die eine solche Strategie verfolgen, haben entweder ihren Glauben an den Fachhandel verloren oder sie wollen diesen auf Dauer womöglich umgehen. Servicearme Fachhändler sollten sich nicht wundern, wenn ihre Umsätze nicht mehr steigen, sondern fallen. Denn das Umsatzvolumen fließt dann noch mehr über Online-Anbieter oder die eigenen Webshops der Hersteller. Ehrlich gesagt wundere ich mich, wieso sich Fachhändler von manchen Herstellern immer mehr als Schaufenster benutzen lassen, während das Volumen über andere Kanäle an ihnen vorbei generiert wird.

Wer heute einen Fachhandel betreibt, muss auf Zack sein. Die Preise laufen schneller davon, als man sie kalkulieren kann. Und die Kunden traben immer häufiger zu den Markenshops der Hersteller. Emmaljunga wird seine Fachhandels­partnerschaften künftig auf digitale Umsätze ausweiten.

CB: Welche Rolle spielt der Verkauf über Amazon & Co. für Ihr Haus? 

CP: Online ist bei den heutigen Endverbrauchern in der Generation Y natürlich nicht mehr wegzudenken. Hier gilt: „Bist du nicht im Netz, gibt es dich nicht.“ Die Konsumenten sind online und der Handel muss sich natürlich entsprechend anpassen. Wir denken, dass viele Informationen online sehr gut vorgehalten werden können. Aber am Ende ein Premiumprodukt rein online und ohne Service zu verkaufen – daran glauben wir nicht. Die Kombination von digitalen Informationsangeboten und einem kompetent beratenden Fachhandel halten wir für Erfolg versprechend. Emmaljunga setzt übrigens auf ein geschlossenes Vertriebssystem und arbeitet selektiv in Kooperation mit dem stationären Fachhandel, an den wir hohe Qualitätskriterien stellen. Daher sind wir bei reinen Online-Anbietern überhaupt nicht im Netz aktiv.

CB: Stehen nicht herstellereigene Online-Shops in Konkurrenz zu jenen der eigenen Fachhändler? 

CP: Viele Hersteller machen eine einfache Rechnung auf und setzen auf enorm steigende Margen bei einem direkten Verkauf an die Verbraucher. Schauen wir uns doch mal ein stark vereinfachtes Rechenbeispiel an: Nehmen wir an, ein Händler verkauft einen Kinderwagen für rund 1.000 Euro inklusive Mehrwertsteuer an ein Elternpaar. Den bezieht er vom Hersteller für, sagen wir mal, 500 Euro zum Nettoeinkaufspreis. Dann verbleiben nach Abzug von Steuern rund 340 Euro bei ihm. Der Lieferant verdient vielleicht 20 Prozent und der Hersteller kommt so auf 100 Euro Gewinn. Wenn sich ein Hersteller nun für den Direktverkauf über den eigenen Online-Shop unter Ausschluss des Fachhändlers entschließt, bleiben ihm statt 100 Euro 440 Euro. Der Gewinn für den Hersteller steigert sich also um mehr als das Vierfache! Dass das viele Anbieter in Versuchung führt, ist naheliegend. Um den Handel weiter bei Laune zu halten, erhöht man die Marge oder zuckert das Angebot mit Extra­rabatten. Der Händler ist dann kurzfristig erst einmal mit seiner pro Stück steigenden Kalkulation zufrieden. Er vergisst aber, dass er nach und nach Volumen an den Hersteller verliert. Wieso klagen sonst so viele Händler über sinkende Besuchsfrequenzen und kleinere Stückzahlen? Irgendwo werden die Wagen ja doch verkauft. 

CB: Und gerät Emmaljunga angesichts dieser Margen ebenfalls in Versuchung?

CP: Nein. Der Fachhandel bleibt ganz klar unser wesentlicher Absatzpartner. Online geben wir natürlich viele Informationen und zeigen die gesamte Modellpalette. Aber unsere Produkte bieten wir nicht über Amazon oder andere Drittmarktplätze an. Und das bleibt auch so. Dennoch müssen wir nicht nur unser Vertriebsnetz mit guten Fachhändlern enger stricken, sondern auch jenen Kunden eine Option bieten, die ihren Wunschwagen aus unserem Haus nicht vor Ort finden. Doch wie wir das angehen, das macht uns vermutlich besonders in der Branche – und auch dabei wird der Fachhändler unser Partner Nummer eins bleiben: Emmaljunga ergänzt in diesem Jahr seinen Verkauf zusätzlich zum stationären Absatz auch online, aber in einer engen Partnerschaft mit dem stationären Handel und mit klar definierten Verantwortungsbereichen sowie Qualitätsanforderungen. Dafür wird der Handel am Verkauf auf unserer Homepage über einen Kick-back beteiligt.

CB: Was heißt das genau?

CP: Das Geschäftsmodell von Emmaljunga basiert auf einer ganz einfachen Aufgabenteilung: Der Fachhandel bietet eine attraktive Ausstellung, verfügt über kompetentes Personal, berät, bietet Sicherheitsdemonstrationen und kann Service vor Ort leisten. Emmaljunga produziert seine hochwertigen Kinderwagen im eigenen Werk in Schweden und bindet Fachhändler über ein selektives Vertriebssystem vorteilhaft ein. Neben dem traditionellen Kauf bei einem stationären Fachhändler können Produkte von Emmaljunga künftig auch auf unserer Website geordert werden. Einfach um mit Infos und der gesamten Produktpalette dort präsent zu sein, wo manche der Eltern zu kaufen bevorzugen oder aus geografischen Gründen kaufen müssen. Bei uns können dann die Eltern wählen, ob sie den Wagen beim Händler abholen wollen („Pick up in Store“) und dabei bequem einen komplett zusammengebauten Wagen mit einer Sicherheitseinweisung erhalten oder ob sie ihn nach Hause geliefert bekommen möchten („Home Delivery“). Dabei kann der Kunde einen Fachhändler in der Nähe kostenfrei als „Servicepartner“ wählen – für den Fall der Fälle. Bei beiden Varianten erhält der zuständige Fachhändler vor Ort einen Kick-back und profitiert damit auch vom Online-Verkauf auf der unternehmenseigenen Website von Emmaljunga. Wir bieten dem Fachhandel also eine Partnerschaft, die über den traditionellen Einzelhandel hinausgeht. Denn wir sind der Ansicht, dass es nur fair ist, auch diese Umsätze mit ihm zu teilen. Aber dazu muss natürlich jeder seine Aufgaben machen und sei es, eventuell nötigen Service zu leisten. Im Anschluss an die Kind +
Jugend
geht es mit dem neuen Geschäftsmodell los.

CB: Beteiligung des Fachhandels an Umsätzen über Ihre Website – das klingt ungewöhnlich. 

CP: Uns sind derzeit keine weiteren Hersteller bekannt, die dem Handel eine solche Partnerschaft anbieten. Aber es wäre wünschenswert, wenn unsere Wettbewerber folgen würden. Das Modell hilft dem Handel, der mitzieht und der einen Mehrwert bietet. Und es eröffnet eine zeitgemäße Option. Es muss sich was ändern – und zwar schnell. 

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