Am Ende hat es nicht gereicht. Der vielfach von der Stiftung Warentest und dem ADAC ausgezeichnete Autositzhersteller Kiddy aus Hof schlittert erneut in die Insolvenz. Allerdings sind es dieses Mal nicht wie in 2017 Widrigkeiten im Fernen Osten, die zur Insolvenz führten, sondern hausgemachte Probleme. Zehn Mitarbeiter, darunter Customer Manager, Designer, Marketing Manager und Sales Director, haben am 15. März 2018 einen Insolvenzantrag gegen ihren Arbeitgeber gestellt, nachdem nach Angaben von Mitarbeitern des Hauses bereits seit Anfang des Jahres keine Gehälter mehr gezahlt worden seien.
Zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiligen Veränderungen wurde vom Amtsgericht Hof am Morgen des 26. März 2019 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Joachim Exner von der Kanzlei Dr. Beck & Partner bestellt.
Exner ist seit 1996 in der Kanzlei und hat seither mehrere hundert Firmenpleiten begleitet, darunter Konzerne wie Grundig, Loewe und Metz, die zum Fundament des deutschen Wirtschaftswunders gehörten. Seit Jahren versucht Exner, in seiner Heimat Franken zu retten, was den nationalen Wohlstand mitbegründete – und wickelt doch immer wieder “Made in Germany” ab. Nun also auch Kiddy. Denn zu retten gibt es offenbar nicht mehr viel.
Aktuell sollen bereits alle Mitarbeiter entlassen worden sein, sodass an eine mögliche Fortführung des laufenden Betriebs nicht mehr gedacht werden kann.
Dabei hatte das Haus noch im Januar und Februar 2018 Zuversicht vermeldet. Kiddy hatte nach Angaben des damaligen Interims-Geschäftsführers Gunter Neef, einem Fachanwalt für Insolvenzrecht, höhere Umsätze als im Vorjahr erzielt. Weiterhin bekräftigte er gegenüber der Tageszeitung Frankenpost: “Künftig werden wir umsatztechnisch auf jeden Fall größer sein als vor der Insolvenz.”
Eine Reihe von Straftaten innerhalb der chinesischen Joint-Venture-Gesellschaft, so hieß es, führte zu Verlusten in Millionenhöhe. So habe sich ein Manager von Kiddy Shanghai abgesetzt und hohe Verbindlichkeiten hinterlassen. Das führte in der Folge auch zu Lieferengpässen in Deutschland, insofern die Produktion von Kiddy-Produkten hauptsächlich in China erfolgt. Diese Geschäftsvorfälle hatten Kiddy in eine Schräglage gebracht und in die Insolvenz geführt, die im Juni 2017 in Eigenverwaltung eingeleitet worden war.
Offenbar reichten die Vereinbarungen und Schritte im Rahmen der ersten Insolvenz nicht auf, um das Unternehmen in eine stabile Lage zu versetzen. Auslandstöchter blieben bestehen, rund 80 Mitarbeiter, davon etwas über 60 in Deutschland, sollen Ende 2018 noch auf der Gehaltsliste gestanden haben. Und auch die Verbindlichkeiten gegenüber der Banken und Lieferanten wurden nicht, wie in vielen Insolvenzverfahren üblich, deutlich reduziert, ließ Würstl in einem Interview mit Childhood Business im Mai 2018 wissen.
Vielleicht haben auch die unverändert großen Auftritte des Unternehmens dazu beigetragen, dass nicht alle verfügbaren Mittel auf die wesentlichen Investitionen in die Produkte und Fertigung konzentriert wurden. Das 50. Firmenjubiläum wurde im letzten Jahr groß gefeiert und auch der opulente Auftritt auf der Kind + Jugend im September 2018 in der Halle 4 wird allein eine mittlere sechsstellige Summe verschlungen haben.
Aus dem Kreis ehemaliger Mitarbeiter war zu vernehmen, dass bereits im Oktober 2018 Gespräche mit potenziellen Investoren geführt wurden. Eine der Forderungen aus dem Interessentenumfeld solle gelautet haben, dass man den Mitarbeiterstamm reduzieren mögen. Seither sank zwar die Kollegenzahl, doch der Investor stieg am Ende nicht ein.
Personelle Wechsel im DACH-Kernmarkt, die starke Reduktion des entsprechenden Vertriebsaußendienst sowie Lieferschwierigkeiten waren dem Umsatz abträglich. Nach einem Bericht der Frankenpost hatten mehrere deutschlandweit aktive Fachhändler unabhängig voneinander der Zeitung bestätigt, dass es bereits seit längerer Zeit einen Auslieferungsstopp bei Kiddy gebe.
Wer nach zahlreichen Entlassungen, wie es aus dem Kreis der Mitarbeiter heißt, zuletzt noch bei Kiddy tätig war, soll Mitte März die Arbeit niedergelegt haben, heißt es in dem Bericht weiter. Bei ehemaligen Mitarbeitern sind den Linkedin- beziehungsweise Xing-Profilen teilweise bereits neue Tätigkeiten in anderen Unternehmen zu entnehmen.
Wie es derzeit ausschaut, wird Kiddy in der bestehenden Form nicht mehr fortbestehen. Die bisherige geschäftsführende Gesellschafterin Bettina Würstl teilte dem Nordbayrischen Kurier telefonisch aber mit: “Wir führen derzeit Investorengespräche.” Für weitere Rückfragen war bis Würstl bis zum Redaktionsschluss nicht zu erreichen.
Die Kiddy GmbH blickt auf 50 Jahre Firmengeschichte zurück. Im Jahr 1966 wurde das Unternehmen von Curt Würstl in München gegründet. Zunächst produzierte das Unternehmen unter dem Namen “Sicartex” Fußmatten und Sitzbezüge für die Kfz-Industrie. Zehn Jahre später, im Jahre 1976, wurde der erste Kindersitz entwickelt. Bereits zwei Jahre später konnte sich dieser “Urkiddy” bei der Stiftung Warentest behaupten und durchsetzen. Es folgten diverse Entwicklungen und Patente für innovative Kindersitze. In den Jahren 2002 und später wurden Kiddy-Kindersitze mehrfach Testsieger bei Stiftung Warentest. Mit der Gründung der Firma Kiddy Shanghai wurde 2008 der Grundstein für die Internationalisierung gesetzt. Mittlerweile vertreibt Kiddy Kindersitze in fast 50 Ländern weltweit und ist bei Händlern und mit eigenen Vertriebsgesellschaften auf allen wichtigen globalen Märkten präsent.