Mutti ist der Chef

Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.
Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.

Neulich war ich mit Lottchen bei der Babymassage. Die sanften Streicheleinheiten sollen die emotionale Bindung vertiefen. Ich finde das wichtig, besonders für Väter, die naturgemäß weniger Körperkontakt zu ihrem Kind haben als stillende Mütter. Im Kurs in einem Yogastudio fanden sich sieben Mütter ein – und ich. Ich fühlte mich wie ein Eindringling ins Reich der Supermamas. Ich bettete Lottchen auf ihr Handtuch. Ein goldiger Buddha-Knabe links neben mir genoss bereits die zarten Massagegriffe seiner Mutter. Die Kleine rechts schlief noch, ließ sich aber widerstandslos ausziehen. 

In dieser Idylle durfte ich jetzt nichts übereilen. Ich wollte nicht der Papa sein, dessen Kind weint. Lottchen hat ein untrügliches Gespür, ob Papa wirklich cool ist oder nur so tut. Meine Nervosität würde sich schnell auf sie übertragen. Ich begann ihre Füßchen mit warmem Babyöl zu massieren. Das gefiel ihr. Auch die Waden ließ sie sich anstandslos streicheln. Die Rückenmassage ließ ich aus, denn die Bauchlage behagt ihr nicht. Dann kam der Schrei der Erlösung: Ein Säugling fing an zu brüllen, seine Mutter musste mit ihm nach hinten ins Off. Ich wollte nicht ins Off. Lottchen lächelte, ich massierte. Was für ein großartiges Mädchen, sagte ich mir im Stillen, Papas Tochter! 

Um die Wahrheit zu sagen, musste ich natürlich auch ins Off. Aber Lottchen und ich schlugen uns insgesamt tapfer. Nach dem Kurs beglückwünschten mich die Supermamas. Wie schön, dass auch mal ein Vater vorbeikäme, und wie ruhig ich geblieben wäre. Das Frauenlob machte mich richtig stolz, aber gelernt habe ich etwas Grundlegendes: Väter können bei einigen wesentlichen Dingen Müttern nicht das Wasser reichen, nämlich Füttern, Beruhigen, Einschlafen. Da haben Mütter, allein schon weil sie den Kindern die Brust geben, natürliche Vorteile. Wenn es irgendwie eng wird, wollen die Kleinen in aller Regel zur Mama. 

Viele Väter machen in den ersten Babymonaten die Erfahrung, dass ihre Frauen zu Hause das Kommando übernehmen. Auch meine Frau sagt oft Sätze wie „Wenn du jetzt X machst, kann ich Y erledigen“. Die Anweisungen haben meistens Hand und Fuß, als fleißiger Assistent der Geschäftsführung führe ich sie auch ordnungsgemäß aus. Theoretisch könnten sie auch von mir stammen, nur komme ich nicht drauf – die Chefin ist schneller. Manche Mütter sprechen ihren Männern gleich jegliche Kompetenz in Familiendingen ab, was dazu führt, dass die Väter sich zurückziehen. Davon rate ich ab. Papas können alles, nur Mamas können sie eben nicht ersetzen. 

Dieser Zuwachs an Kompetenz, Bedeutung und Verantwortung ist auch für die jungen Frauen eine einschneidende Erfahrung. Oft unterschätzen sie, was alles auf sie zukommt. Viele revidieren dann den Vorsatz, schnell in den Job zurückzukehren. Sie wollen vor allem ihre emotionale Bindung zum Kind sichern. Dass beide Elternteile Erziehung, Hausarbeit und Job fifty-fifty aufteilen, erweist sich als unpraktikabel. Die Mütter entscheiden sich für Teilzeitjobs und übernehmen den Hauptpart bei Haushalt und Kindern. Industrievertreter und Business-Feministinnen überschütten sie deshalb gern mit Geringschätzung. Angeblich „fallen sie in alte Rollenklischees zurück“. In Wahrheit sind diese Mütter vor allem klug: Sie haben zu Hause das Sagen, ihren Kindern sind sie nahe, der Teilzeitjob bringt Geld und Abwechslung – und Papa ist auch zufrieden. 

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