Die Vorzeichen zum diesjährigen Branchenevent in Köln sind gut. Trotz einiger Insolvenzen und Absagen namhafter Unternehmen, sind die Hallen 4, 10 und 11 wieder bis unter das Dach gefüllt. Rückkehrer und rund 350 neue Unternehmen lassen die Ausstellerzahlen auf ein Allzeithoch steigen. Die Branche brummt.
Die vom 19. bis 22. September 2019 ausgerichtete Kind + Jugend platzt erneut aus allen Nähten. Denn die nach Angaben des Veranstalters knapp 1.300 Aussteller bieten, wie in den letzten Jahren, einen nahezu kompletten Überblick über die neuesten Trends und Produkte im Bereich der Baby- und Erstausstattung. Aus insgesamt 55 Ländern kommen die Aussteller angereist und auch die internationalen Besucher sind mit einem Anteil von 75 Prozent deutlich in der Überzahl.
Die Kölner Messe gilt als die weltweit wohl wichtigste Veranstaltung in ihrem Segment. Sicher, Asien ist im Kommen, schließlich sind die Geburtenzahlen schwindelerregend, die Kaufkraft steigt und für die qualitätsbewusste Mittelschicht werden allein für China Zahlen im Bereich von mehreren 100 Millionen kolportiert – auch wenn diese je nach Quelle deutlich schwanken. Allein in China geht die National Health and Family Planning Commission davon aus, dass zu den 2017 im Land lebenden 233 Millionen Kindern unter 14 Jahren bis 2020 jährlich zwischen 17,5 bis 21 Millionen hinzukommen. So steigt die globale Nachfrage nach Qualitätsprodukten für Kinder und der asiatische Markt weist ein riesiges Potenzial auf. Dort gibt es wie, in Hongkong und Shanghai, bereits mehrere Events, deren offiziell gemeldete Besucherzahlen die der Kind + Jugend in den Schatten stellen.
Bisher hatte die hinter der Kind + Jugend stehende Koelnmesse im großen Reich der Mitte seine Finger am Puls. In einem Joint Venture mit der chinesischen Branchenvereinigung TJPA war sie an der China Kids Expo beteiligt. Doch diese Verbindung wurde gekappt, wie Markus Oster, Gesamtverantwortlicher der Kind + Jugend, im Interview mit Childhood Business mitteilte. Die brasilianische Messe Pueri Expo gehört aber weiterhin zur Messegesellschaft.
Doch wer Klasse statt Masse sucht, der ist in Köln auch weiterhin am richtigen Ort. Auch wenn deutsche Hersteller beobachten, dass manch wichtiger Einkäufer nicht mehr nach Köln kommt, so ist das oft dem persönlichen Blickwinkel geschuldet, der die konkreten Kundenstrukturen im Auge hat. Nicht jeder Anbieter ist darauf ausgerichtet, einen internationalen Vertrieb zu unterhalten. Denn die Ausstellerschar am Rhein umfasst nicht nur Top-Unternehmen, sondern auch kleinere und mittlere Firmen. Da unterscheiden sich die Ziele für eine Messebeteiligung deutlich. Wessen Fokus enger gefasst ist, misst dem ihn betreffenden Teilbereich natürlich eine größere Bedeutung zu. Aussteller, die gezielt internationale Kontakte suchen und Distributoren oder Einkäufer aus fremden Gefilden adressieren, dürften in Köln auch weiterhin konzentriert ein großes Netzwerk an weltweiten Potenzialen finden.
Deutschland stark, China im Kommen
Auch in diesem Jahr stellt Deutschland als Gastgeberland die meisten Anbieter, was für eine hohe Akzeptanz und auch nationale Relevanz spricht. Dazu lassen sich auch die Hersteller aus Österreich und der Schweiz zählen, die wirtschaftlich und sprachlich eng miteinander verwoben sind. Der Auslandsanteil aufseiten der Aussteller ist beachtlich. Knapp 90 Prozent stammen aus dem Ausland. Besonders stark sind Aussteller aus Großbritannien, den Niederlanden, den USA, Frankreich, Spanien und Polen vertreten. Mit großen Beteiligungen sind auch Belgien und Dänemark vor Ort. Asiatische Anbieter haben ihren festen Platz auf der Messe – China ist besonders stark, Hongkong, Taiwan und Korea sind hier zu nennen. Zudem stellen regelmäßig rund 20 Unternehmen aus Australien aus. Köln bietet Markenanbietern die Möglichkeit, Produzenten aus Asien zu treffen. In den Hallen sind diese meist in den hinteren Bereichen angesiedelt und bieten zwar einen umfassende Bandbreite an Produkten, die dennoch nur einen winzigen Ausschnitt der unzähligen Fertigungsanbieter aus China darstellt.
Stichwort China: Hier dürfte in den kommenden Jahren der größte Wandel zu beobachten sein. Die Unternehmen werden selbstbewusster und können sich trotz des immensen Wettbewerbsdrucks im eigenen Land auf die wachsende Binnennachfrage stützen. Gefertigt wird noch immer, vielfach aber geben die Fabriken bereits die kommenden Features vor. Auch in internationalen Gremien wie jenen zur Verabschiedung der künftigen Normen, sind Vertreter aus Fernost immer zahlreicher vertreten und schicken sich an, durch ihren Einsatz und künftige Standards zu beeinflussen und zu setzen. So hat die European Nursery Products Confederation (ENPC) europäische Unternehmen bereits aufgefordert, mehr Ressourcen zu investieren und einen angemessenen Anteil an der Normierungsarbeit sicherzustellen. Die Befürchtung des ENPC ist, dass bei einer chinesischen Dominanz die hohen, europäischen Standards verwässert werden könnten.
Auch entdecken immer mehr Produzenten die Bedeutung von Marken und beginnen, sich vom Auftragsfertiger zum Markenanbieter zu wandeln. Chinesische Unternehmen gründen dazu vermehrt Unternehmen mit europäischen Sitzen, um etwaige Vorbehalte gegen Fernost gar nicht erst aufkommen zu lassen. Wo sich Ingenieursarbeit, Fertigungskapazitäten, Design und Marke zusammenfinden, können angestammte Anbieter in dem eh schon hart umkämpften Markt künftig weiteren Wettbewerbern gegenübersehen.
Doch Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft. Und eine Messe ist der Ort, wo sich der Druck stärker abzeichnet als er bereits vor Ort empfunden wird. Denn hier haben sich Geschäftsbeziehungen meist über eine lange Zeit entwickelt. Und gerade in Deutschland, wo der Handel als konservativ gezeitigt wird, kommt den Verbindungen zwischen Unternehmen noch immer eine gewisse Verbindlichkeit zu.
Der Messebesuch bietet daher große Chancen: Er erlaubt eine Vorausschau, nicht nur auf Produkte, sondern auch auf Trends, Strömungen und Entwicklungen. Gerade weil sich Menschen aus 55 Nationen treffen können, lassen sich Vergleiche ziehen, Anregungen entdecken und Ideen gewinnen. Wer in Köln nicht genügend Anschauungsmaterial und Themen zum Nachdenken mitnimmt, nutzt die Messe falsch.