Siegeszug der Kuscheltiere

Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.
Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.

Die Transformation begann langsam, aber unaufhaltsam. Schon als sich Lottchen ankündigte, nahmen wir einige Änderungen in der Wohnung vor, damit die Kleine alles hat, wenn sie bei uns einzieht. Zunächst räumte meine Frau für Lottchens Strampler und Jäckchen zwei Regale im Kleiderschrank frei. Ich baute den Abstellraum um, damit der Kinderwagen reinpasst. Das stellte sich bald als unpraktikabel heraus, weil der Wagen die hinteren Regale verstellte und wir nur schwer an die Pamperspakete und Wickelunterlagen herankamen. Seither steht der Kinderwagen im Flur und macht sich dort breit wie ein Rugbyspieler im Treppenhaus. Man kommt kaum an ihm vorbei. 

Fundamental verwandelte sich unser Schlafzimmer. Das Kinderbett und der Wickel­tisch transformierten unsere Ruhe­oase in ein buntes Familienschlafzimmer. Lottchen nutzt ihr Kinderbett selten und bevorzugt den Schlafplatz zwischen ihren Eltern, wo sie mich gern mal mit kräftigen Fußtritten an den Rand drängt. Auch geruchlich änderte sich mit Lottchens Einzug in diesen einstmals erhabenen Ort einiges. 

Die Okkupation unserer Wohnung durch Lottchen machte auch vor dem Bad nicht halt. Auf der Badewanne befindet sich jetzt eine unansehnliche Holzkonstruktion, auf die wir die Babywanne platzierten, damit wir uns nicht so tief bücken müssen, wenn wir die Kleine baden. Auch in der Wohnküche ist Lottchens Einzug unübersehbar. Wo früher auf unserem schicken Küchentresen ein Tablett mit Gläsern stand, lag anfangs eine Milchpumpe, die aussah wie ein Melkgerät aus einer DDR-LPG. Zum Glück brauchten wir das Gerät nach einigen Wochen nicht mehr. Dafür stehen da jetzt ein Thermo-Babykostwärmer und eine Mikro­welle sowie jede Menge Hipp-Gläser mit Babymenüs. 

Ich will nicht behaupten, dass unsere Wohnung vor Lottchens Einzug ein Designer­appartement war; aber jetzt ist es garantiert keines mehr. Am meisten Widerstand gegen diese unaufhaltsame Transformation leistete ich beim Wohnzimmer. Ein letztes Refugium sollte mir doch bleiben. Hinhaltend verbannte ich einwandernde Teddybären, Schnuller und Bilderbücher aus dem Raum. Doch dann begann Lottchen zu krabbeln, und als ich eines Abends nach Hause kam, lag dort, wo eben noch ein handgeknüpfter Vintageteppich glänzte, eine quadratische Puzzlespielmatte mit bunten Buchstaben und Zahlen aus Weichschaum. Lottchen nimmt die Matte liebend gern auseinander, ich setze sie abends stoisch wieder zusammen. Später kamen dann noch ein Laufstall hinzu sowie ein großer Kindersitz, der sich ästhetisch zu unseren Polsterstühlen verhält wie ein Outdoor-Anorak zu einer Damensteppjacke. Als wir dann auch noch die Stehlampe sowie die Barhocker aus Sicherheitsgründen in den Keller verbannten, war die Transformation der Wohnung abgeschlossen. 

Eine Armee aus Kuscheltieren, die die Couch und den Fußboden besetzt halten, dokumentiert seither den Eroberungszug. Ich kicke sie weg, wenn sie mir im Weg sind. Aufräumen ist sinnlos. Durch Besuch kommen ständig neue hinzu. Dem erkläre ich, dass das, was jetzt wie ein Kinderzimmer aussieht, einmal das Wohnzimmer war. Ganz früher, vor langer, langer Zeit, war das mal meine Wohnung. Heute ist sie zu unserer Wohnung geworden und Lottchen hat da offensichtlich viel mitzureden, obwohl sie noch gar nicht sprechen kann. 

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