Das Kind in Trump

Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.
Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.

Lottchen ist die Größte. Daran besteht kein Zweifel. Die ganze Welt dreht sich um sie. Vor allem in ihrem Kindersitz ist sie commander in control. Mag sie den Haferbrei nicht mehr, der ihr gestern noch so gut schmeckte, wendet sie sich barsch zur Seite und verlangt nach einem neuen Menü. Auch ihre Emotionen können sehr wechselhaft sein. Eben weinte sie noch herzzerreißend, Sekunden später lacht sie übers volle Gesicht. Meistens hat Lottchen dann bekommen, was sie wollte. Wegen ihrer kurzen Aufmerksamkeitsspanne verliert sie aber auch schnell mal das Interesse. 

Erinnert das nicht sehr an Donald Trump? Sitzt in Washington ein ungezogenes Kind auf dem Präsidentenstuhl? Trump ist emotional instabil, reagiert mit Wutausbrüchen, kann sich nicht länger als wenige Minuten konzentrieren und es mangelt ihm an Empathie für seine Mitmenschen. Wie ein Dreijähriger im Superman-Kostüm droht er wechselweise Nordkorea, Afghanistan und Iran mit der totalen atomaren Auslöschung. Er macht sich, wie Pippi Langstrumpf, die Welt widewide wie sie ihm gefällt. 

Psychiater diagnostizieren bei Trump eine narzisstische Störung. Dafür spricht seine Selbstbeschreibung als „extrem stabiles Genie“ und sein Umgang mit Mitarbeitern: Auf die Idealisierung folgt die Entwertung. Zu Trump passt die Anekdote, er habe einmal auf einer Benefizgala ein Porträtbild von sich heimlich zum Höchstgebot ersteigert, um zu zeigen, dass er der Größte ist. Mit seiner Sucht nach Anerkennung passt Trump aber sehr gut in unsere Zeit. Auf Instagram gibt es nur schöne und erfolgreiche Menschen, die unheimlich beliebt sind. Naives Anspruchsdenken, exzentrische Selbstinszenierung und wehleidige Aufgeblasenheit sind in der Selfie-Generation endemisch. 

Was ist da falsch gelaufen? Ist es das Kind in Trump oder der Trump in uns allen? Beim Kleinkind ist Narzissmus eigentlich gesund. Die kindlichen Omnipotenzgefühle entstammen ganz der Symbiose mit den Eltern: Was ich sehe, sieht auch meine Mutter. Was ich fühle, fühlt auch sie. Mein Hunger ist ihr Hunger. Das Baby braucht nur weinerlich zu werden und schon stellt sich die Welt ganz auf seine Wünsche ein.

„Parental Overvaluation“ gilt als Hauptgrund für den zeitgenössischen Narzissmus. Überehrgeizige Eltern geben die Symbiose mit dem Baby nicht auf, sondern machen das Kind zum Projekt, mit dem sie sich schmücken. Die Kinder verinnerlichen unbewusst diese Projektionen und verlieren sich so selbst. Sie werden wie Könige behandelt, müssen aber hohe Erwartungen erfüllen. Zur Verzweiflung treiben mich regelmäßig Prenzlauer-Berg-Eltern, die im Lokal schon ihre Zweijährigen in endlose Diskussionen verstricken, ob sie den Orangensaft mit Pfirsich- oder Mangogeschmack trinken wollen. Man merkt ihre Angst, sich unbeliebt zu machen, und zugleich spürt man den riesigen Ehrgeiz. Ihre hyperaktiven Kinder sind selbstverständlich hochbegabt und deren Genialität wird von uns umstehenden Spießern verkannt.

Das beklagenswerte Ergebnis sind Kinder, die glauben, dass ihnen alles im Leben zusteht und sie nichts dafür tun müssen, und die auf diese Überforderung mal mit Größenwahn, mal mit Frustration reagieren. So züchten wir die späteren Tyrannen in den Chefetagen oder im Oval Office. Einer von Trumps Lieblingssätzen ist: „You are fired“. Man möchte den Kindern solcher Übereltern wünschen, dass sie diesen Satz zu ihren Eltern sagen. 

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