Auf einer in den letzten Tagen in Köln ausgerichteten Veranstaltung des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattung-Hersteller (BDKH) stellte Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln, den BDKH-Mitgliedern Studienergebnisse zur deutschen Handelslandschaft vor, darunter auch solche aus dem “Branchenfokus Baby- und Kinderausstattung” von IFH Köln und von der BBE Handelsberatung.
Nach Hudetz wuchs der deutsche Online-Handel im Jahr 2018 über alle Branchen hinweg weiter auf rund 63 Milliarden Euro. Für das Jahr 2019 prognostiziert das IFH Köln in seinem “Branchenreport Onlinehandel 2019” einen Zuwachs auf mehr als 68 Milliarden Euro. “Wir sehen die Unterseite des Eisbergs trotzdem noch nicht. Den Handel erwartet auch noch in den nächsten Jahren ein massives Online-Wachstum“, so Hudetz.
Der Einzelhandel habe zwar in toto in den vergangenen Jahren ebenfalls zugelegt. Wenn allerdings die gute Binnenkonjunktur ende, werde es einen Verteilungskampf geben. Consumer Electronics, Bekleidung und auch Spielwaren werden heute bereits mit Anteilen von über 30 Prozent online gekauft.
Bei den Vertriebsformen ist ein Trend zum Multi-Channel-Handel erkennbar. Die stationären Händler erkämpfen sich beim Online-Umsatz Jahr für Jahr weitere Anteile – im Vorjahr lag dieser gemessen am gesamten Online-Handelsumsatz bei 32,5 Prozent. Der Anteil könnte mehr sein, wenn die Händler den Kunden ihre einzelnen Kanalpräsenzen deutlicher vor Augen führen würden. Online-Kunden wissen nämlich oft nicht, dass es auch ein stationäres Geschäft gibt. Und viele Kunden vor Ort haben andererseits keine Ahnung, dass sie die Artikel dieses Ladens auch online bestellen könnten.
Der Beratungsklau geht heute umgekehrt
Erstaunlich ist, dass bei etwa 45 Prozent der stationären Käufe eine Informationssuche im Internet vorausgeht – noch intensiver findet dies bei sogenannten Smart Consumern statt, die aktuell maximal 27 Jahre alt und praktisch rund um die Uhr vor allem über ihr Handy oder das Tablet online sind. Hier kommen sogar 54 Prozent aller stationären Käufe zustande, über die man sich vorab im Internet informiert hat.
Umgekehrt gehen einem Online-Kauf nur in rund 15 Prozent der Fälle eine Informationssuche stationär voraus. Der sogenannte Beratungsklau ist damit als eher seltenes Ereignis enttarnt, wie die ECC Köln-Studie „Cross-Channel – Quo Vadis?“ von 2017 ergab.
Größter Online-Showroom mit zunehmender Relevanz als Produktsuchmaschine ist eindeutig Amazon mit rund vielen Millionen Produkten auf seiner Plattform. 30 Prozent der Käufe finden als Direktkauf ohne vorgelagerte anderweitige Informationssuche statt.
Das “Ökosystem Amazon”, so Hudetz, biete so ziemlich alles aus einer Hand: Preisvergleich, Kundenbewertungen, Empfehlungen. 20 Prozent der Amazon-Kunden sind mehrmals pro Woche auf der Plattform unterwegs, 5 Prozent sogar täglich (siehe auch “Gatekeeper Amazon”, IFH Köln, 2019).
Die Shopping-Lust von Amazon-Kunden hat sich zwischen 2004 mit 8,1 Bestellungen pro Jahr auf 41,3 Käufe im Jahr 2017 gesteigert. Bei den Amazon-Prime-Kunden liegt der Jahresdurchschnitt sogar bei rund 61 Käufen, wobei die Anzahl der Produkte pro Bestellung jedes Jahr kleiner wurde. Eine Herausforderung für die Paketdienstleister.
Preiskampf bei den Kinderprodukten – die Ausgaben pro Kind sinken
Der Markt für Baby- und Kinderausstattung in Deutschland wuchs wie bereits in den Vorjahren erneut, allerdings mit 0,6 Prozent nur noch moderat.
“Es kann sein, dass wir die besten Jahre mittelfristig hinter uns haben”, so Hudetz. Der Markt erreichte 2018 ein Volumen von 7,3 Milliarden Euro, wie der neue, für 850 Euro netto zu kaufende “Branchenfokus Baby- und Kinderausstattung” des IFH Köln in Zusammenarbeit mit der BBE Handelsberatung zeigt.
Betrachtet wurde der Grundbedarf von Babys und Kindern bis 12 Jahren (teils 14 Jahren) ohne Lebensmittel, Spielwaren oder Waren des täglichen Bedarfs wie etwa Windeln.
Auch wenn der Markt für Baby- und Kinderausstattung immer noch wächst – die Käufer fokussieren vor allem preisattraktive Vertriebsformen, die die Marktpreise drücken. “Es wird schwieriger werden”, prophezeit Hudetz.
Auch die Vielzahl der Anbieter und die unterschiedlichen Vertriebsformen verschärfen den Preisdruck im Markt. Ein Übriges tun die Eltern selbst, die mehr auf die Ausgaben achten. Diese sanken pro Kind von rund 760 Euro im Jahr 2017 auf 750 Euro im Jahr 2018.
Das Umsatzvolumen mit Baby- und Kinderausstattung im Online-Handel betrug im Jahr 2018 rund 27 Prozent des Gesamtvolumens. “Damit gehört die Branche in diesem Bereich zu den Vorreitern.”
Die stationären Händler mit ihren Online-Shops partizipierten mit rund einem Viertel, die Hersteller, die direkt an den Endkunden verkaufen, mit 5 Prozent. Das Gros ging an Internet-Pure-Player wie Amazon und sogenannte (ursprüngliche) Katalogversender, die heute online anbieten.
Die Warengruppen und -bereiche Baby- und Kinderbekleidung, Kinderschuhe und Kinder-Accessoires wie Rucksäcke und Schulranzen vereinten im Jahr 2018 mehr als 70 Prozent des Branchenumsatzes auf sich. Der übrige Teil fiel auf die Sortimentsbereiche Mobilität Familie (Autokindersitze, Kinderwagen), Mobilität Kinder (Kinderfahrzeuge und -räder), Kindermöbel/Hausausstattung und sonstige Baby-/Erstausstattung, die zwischen 2012 und 2018 dynamischer wuchsen als die Bekleidungs-, Schuh- und Accessoires-Sortimentsbereiche.
Zwei Drittel der im Branchenfokus betrachteten 15 Teilsegmente haben sich 2018 positiv in Bezug auf den Umsatz entwickelt. Am meisten wuchs der Bereich Sicherheit mit beispielsweise Babyphones, Lauf- und Treppengittern, gefolgt von Kinderfahrzeugen (Dreirad, Bobbycar etc.) und Kinderfahrrädern.
Kindermöbel legten im Vergleich zu 2017 schwach zu, Kinderwagen und Zubehör verloren im Jahresvergleich leicht. Es waren stärkere Preiszuwächse in einzelnen Möbelsegmenten zu beobachten sowie Preisrückgänge bei Kindersitzen.
Zu den Prognosen und Ratschlägen, die Hudetz den Zuhörern in Köln auf den Weg gab, zählte etwa die weitere dynamische Entwicklung des Online-Handels, die eine optimale Berücksichtigung der Möglichkeiten des Smartphones fordere, um Marktanteile zu halten. Online-Optionen würden zum “Hygiene-Faktor”, eine Differenzierung des Handels müsse über andere Faktoren wie etwa Sortiment, Service und Personal erfolgen.
Ein tiefes Verständnis der durchaus komplizierten Customer Journeys sei hier notwendig. Kunden und ihre Bedürfnisse müssen konsequent im Mittelpunkt allen Handels stehen.