Tektonische Verschiebungen

Mancher schaut sich um: Und reibt sich dabei verwundert die Augen. Bei den großen Kids-Marken, darunter Esprit, ist vieles in Bewegung.
Mancher schaut sich um: Und reibt sich dabei verwundert die Augen. Bei den großen Kids-Marken, darunter Esprit, ist vieles in Bewegung.

Bei Marc O’Polo und Esprit sowie bei der Katag, Kidiliz und Kids Fashion Group werden die Karten neu gemischt. EIne Übersicht über Verändungen im Markt – mit noch offenem Ausgang.

Im Markt der stationären Kindermode schien bisher alles wohl soriert. Das Volumengeschäft machen Discounter wie Aldi und Lidl, Vertikale wie H&M und Zara und Ketten wie Ernsting’s Family und manch andere noch dazu. Hinzu kamen die umsatztreibenden Marken im Umfeld bürgerlicher Modehäuser von Breuninger über
P&C bis hin zu den der Katag angeschlossenen Adressen.

Gekämpft wurde in dem Umfeld der kleineren und mittleren Markenanbieter, die zu Hunderten auf den Ordertagen um die Gunst der Einkäufer buhlen. Darunter konnten sich immerhin einige KIKO-Spezialisten behaupten, die zu den größeren in diesem Segment gezählt werden. Und manche davon haben sich attraktive Lizenzen sichern können.

Das Geschäftsmodell schien einfach: Namhafte Lizenzen bieten Strahlkraft und sind bei den Kunden weithin und seit vielen Jahren bekannt. Marketing sparte man sich daher und versprach sich, und auch den Lizenzgebern, dass man mit der ureigenen Kids-Expertise für bequem passende Kinder­outfits zu sorgen verstünde und der spezialisierte Vertrieb die Ware in den Markt zu verkaufen wüsste. Und so wurde verdient, vor allem mit Jeansern und mit den zugkräftigen Lizenzmarken. 

Vielleicht bleibt zumindest G-Star Raw eine deutsche Zukunft. Immerhin wird diese Kidiliz-Lizenz, die die Gruppe auch weiterhin hält, auch in 2020 noch in Deutschland vertrieben. Die Vertretung erfolgt die BB-Fashion Agency, die für den Konzern bereits für die Marke Kenzo Kids unterwegs ist.
Vielleicht bleibt zumindest G-Star Raw eine deutsche Zukunft. Immerhin wird diese Kidiliz-Lizenz, die die Gruppe auch weiterhin hält, auch in 2020 noch in Deutschland vertrieben. Die Vertretung erfolgt die BB-Fashion Agency, die für den Konzern bereits für die Marke Kenzo Kids unterwegs ist.

Doch: Nun ist offenbar Sand ins Getriebe und Bewegung ins Gefüge gekommen. Begonnen hatte das mit einer noch branchenengen Entwicklung, als die Steiff-Gruppe die lange von der Kids Fashion Group (KFG) geführte Lizenz der Steiff Collection kündigte. Eine Entwicklung, die hier unkommentiert bleiben soll, obgleich sie auf Ursachen gründete, die zumindest bei einem der beiden Beteiligten bis heute fortwirken.

Steiff ist es offenbar bekommen, liegen die Absatzzahlen bereits ein Jahr nach der Internalisierung der Fashion-Kollektion ins eigene Haus dem Vernehmen von mit der Sache vertrauten Personen nach über dem Niveau bei der KFG. Der Umsatz, so schien es bei der KFG, würde wieder schnell mehr als wettgemacht. Denn das Haus verfügt um zwei namhafte Lizenzmarken. Zudem schickte es sich an, dem Markt glauben zu machen, dass das Geschäft mit einem Bärchen out und mit einem Äffchen in wäre. 

Die Kids-Lizenz von Marc O’Polo (MOP) lag bereits länger bei der KFG. Und als in 2018 Gerüchte aufkamen, dass die MOP-Lizenz auslaufen könnte, hieß es im August des Jahres noch vonseiten der Lizengeber nachdrücklich: „Der Vertrag mit unserem Lizenzpartner, der Kanz Financial Holding (…), wurde erst vor kurzem verlängert. Wir freuen uns auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit und die nächsten Marc-O’Polo-Junior-Kollektionen.“ 

Zudem hatte sich die KFG in 2017 die Kids-Lizenz von Tom Tailor gesichert und wollte in 2018 die erste Kollektion in die Läden bringen. Kunden des Unternehmens können diese vorsichtige Aussage mit dem nötigen Kontext füllen. Für alle anderen versprach KFG-Geschäftsführer Harald Hep­p­erle im Gespräch mit Childhood Business, dass gewisse Schwierigkeiten bei der Übernahme der Tom-Tailor-Lizenz inzwischen behoben seien und die Waren künftig ordentlich ausgeliefert würden. Ob das inzwischen der Fall ist, ist schwierig zu beurteilen, da nach Panel-Daten von Hachmeister + Partner zum Beispiel im Oktober 2019 keinerlei relevante Umsätze bei Katag-Häusern ausgewiesen worden sein sollen. 

Marc O’Polo wechselt zur Katag

Vor diesem Hintergrund hat es Ende 2019 bei mehreren Häusern Entscheidungen gegeben, die in den kommenden Monaten den Markt neu sortieren werden. Zunächst einmal muss es bei Marc O’Polo ein Umdenken gegeben haben, da die Lizenz der KFG inzwischen gekündigt und ziemlich genau ein Jahr nach der Verlängung im August 2019 neu an den Bielefelder Modedienstleister Katag vergeben wurde.

Dass das Unternehmen Mode nicht nur verdienstleisten, sondern auch selber entwerfen, produzieren und vertreiben kann, zeigen Lizenzen wie Jette sowie die Eigenmarken Basefield und, zumal im Kids-Bereich, Staccato. Seit Mitte Januar 2020 kann die erste Kids-Kollektion in den Katag-eigenen Showrooms begutachtet werden. Und einen vertrieblichen Vorteil hat das Unternehmen auch: Immerhin ist das eigene Vertriebsnetzwerk mit rund 350 Vertragspartnern und 1.600 wertigen Verkaufspunkten gut ausgebaut.

Wie sich vor diesem Hintergrund die Tom-Tailor-Lizenz entwickeln wird, bleibt vorerst noch abzuwarten. Es gibt Stimmen von Branchenkennern, die darauf wetten, dass diesbezüglich schon bald Neuigkeiten zu erfahren sein werden. Ein Verlust von Steiff, Marc O’Polo und womöglich noch von Tom Tailor müsste das Haus schwer treffen. Doch den Strategen in der Pliezhausener Zentrale gelang in der Zwischenzeit ein neuer Coup. 

Esprit wechselt von Kidiliz zur KFG

Selten gibt es eine solche Dichte an Markenlizenzen wie bei der Kids Fashion Group. Doch was einst als deutsches oder gar mitteleuro­päisches Power-House geplant war, gebärdet sich als Durchlauferhitzer für Lizenzmarken. Nun ersetzt vorerst Esprit die verlorene Marc O’Polo-Lizenz.
Selten gibt es eine solche Dichte an Markenlizenzen wie bei der Kids Fashion Group. Doch was einst als deutsches oder gar mitteleuro­päisches Power-House geplant war, gebärdet sich als Durchlauferhitzer für Lizenzmarken. Nun ersetzt vorerst Esprit die verlorene Marc O’Polo-Lizenz.

In der zweiten Jahreshälfte 2019 beschloss die Kidiliz-Group die Esprit-Lizenz, dem Vernehmen nach vorfristig, zu kündigen. Der Managing Director René Hilpert ist nach Angaben von Mitarbeitern bereits aus dem Haus, wie auch große Teile der deutschen Vertriebsmannschaft. Und zum Ende des ersten Quartals 2020 sollen auch die Customer-Suppport-Mitarbeiter gekündigt sein.

Damit zieht sich Kidiliz aus Deutschland zurück, immerhin einem der größten Märkte in Europa. Neben Esprit war das Haus auch mit Absorba sowie G-Star Raw aktiv. Wie es mit Absorba für deutsche Kunden weitergeht, ist ungewiss. Nur für G-Star Raw wurde eine Lösung gefunden und die Kundenbetreuung in die Hände von Thomas Breuker mit seiner Agentur BB-Fashion Agency gelegt.

Fragt man direkt in Frankreich bei Kidiliz nach, erhält man keinerlei Auskünfte zur Entscheidung. Gefallen sei sie angeblich in China, gehört die Kidiliz-Gruppe seit Ende 2018 zur chinesischen Semir-Group. In der Kommunikation hat sich das Unternehmen seit Jahren nicht mit Ruhm bekleckert. Anfragen werden im europäischen Head­quarter nur schleppend beantwortet.

Und auch die deutsche Dependence hatte zwar eine Presse­angestellte. Nur kommunizierte diese im besten Fall selektiv mit der Branche. Im Grunde nimmt es daher nicht wunder, dass eine französisch dominierte, nunmehr in chinesischer Hand befindliche Gruppe in Deutschland scheitern musste. Denn der zwar große, aber nicht minder preisbewusste und zudem eher konservative deutsche Markt ist nicht einfach. 

Die Esprit-Gruppe vertraut nun augenscheinlich auf eine deutsche Lösung und sorgte im Dezember 2019 für einhelliges Erstaunen in der Branche. Ausgelöst hatte dies eine Pressemeldung, nach der die Kids-Lizenz von Esprit an die KFG geht: „Die Kids Fashion Group ist absoluter Experte für Kinderbekleidung mit starkem Markenverständnis und langjähriger Erfahrung (…)“, heißt es vertrauensvoll beim Li­zenz­geber. 

Ob diese Situation Tom Tailor gefällt oder an ein Sonderkümdigungsrecht denken lässt, bleibt abzuwarten. Mehr aber bleibt zu hoffen, dass sich die KFG dieses Mal ins Zeug legt. Ansonsten wird es mit Sicher­heit eng.  

Verschlagwortung des Beitrags

Auf Social Media teilen & Co.

Original aus CHildhood Business:

Cover der Ausgabe 01/2020 von Childhood Business

Dieser Beitrag erschien in der gedruckten Ausgabe 01/2020 von Childhood Business.

Die Inhalte einer gedruckten Ausgabe erscheinen nur auszugsweise online. Die 84-seitige Ausgabe können Sie schnell und direkt hier in unserem Shop bestellen.

Preis: 12 Euro

Gleich weiterlesen

Und sonst noch?