Wenn eine Veranstaltung wie die Kind + Jugend ausfällt, bringt das die gesamte Branche aus dem Tritt. Wie es um 2021 steht, fragten wir bei Messedirektor Jörg Schmale nach.
Lange wurde Zuversicht verbreitet. So hatte es im Sommer dieses Jahres
noch geheißen: Die Kind + Jugend findet statt. Dabei hatten zahlreiche Unternehmen ihre Zusagen zurückgezogen oder zumindest – aufgrund zunächst unklarer Stornierungskosten – hinter den Kulissen damit geliebäugelt. Zu unsicher war die Lage, obgleich die Zahl der Corona-Infektionen im Vergleich zu heute noch viel geringer war.
Mit der Absage der Messe durch den Veranstalter ging ein Aufatmen durch die Reihen, da nunmehr Vorauszahlungen zurückbezahlt wurden. Schnell stellte sich die Frage: Wie eigentlich sollen wir unsere Neuheiten präsentieren, welche Alterativen haben wir und vor allem: Wie erreichen wir das internationale Publikum?
Nicht jeder konnte sich kurzerhand zu einem regionalen Event zusammenschließen wie gut ein Dutzend Hersteller zum Baby Event Oberfranken. Nicht für jeden rechnet sich eine Roadshow wie bei Dorel mit einem eigens organisierten Sattelschlepper.
Viele nutzten Mailings, öffneten ihre Pforten für Hausmessen oder organisierten individuelle Termine oder virtuelle Produktvorstellungen. Die wenigsten nutzten übrigens die Fachmedien, weil – jenseits von Childhood Business – die meisten Medien Mails mit Marketingofferten beantworten, statt zu erörtern, wie man gemeinsam mit den Unternehmen die große kommunikative Leerstelle meistern kann. Bleiben noch digitale Messeformate wie von Brandora. Doch die Branche will am liebsten nur eines: wieder wahrhaftig zusammenkommen.
Childhood Business: Mit welchen Gefühlen geht für Sie das Jahr 2020 zu Ende?
Jörg Schmale: Das Jahr 2020 stellte uns als Messeveranstalter bekanntermaßen vor Riesenherausforderungen. Von daher gehe ich mit sehr gemischten Gefühlen in den Jahreswechsel. Enttäuschung über das unbefriedigende Messejahr einerseits, Hoffnung auf eine bessere Ausgangslage 2021 andererseits.
CB: Vor einigen Wochen haben Sie eine Umfrage gestartet und nach der Akzeptanz einer digitalen Messe gefragt. Ein Alternativplan für 2021?
JS: Ich bleibe optimistisch: Durch die Ankündigung einer möglichen Impfung in naher Zukunft halte ich es durchaus für realistisch, dass wir die Kind + Jugend im September 2021 in Köln durchführen können.
CB: Welche Einsichten konnten Sie aus der Umfrage bezüglich eines digitalen Events gewinnen und wie schätzen Sie die allgemeine Akzeptanz ein?
JS: Die Befragung, die wir im Oktober 2020 gestartet haben, ist noch nicht final ausgewertet. Allerdings lassen die bisherigen Erkenntnisse den Schluss zu, dass bei allen Marktteilnehmern aus dem Kind + Jugend-Umfeld eine grundsätzliche Bereitschaft zur Nutzung digitaler Tools und Inhalte besteht. Dies aber unbedingt ergänzend zur tatsächlich stattfindenden physischen Messe. Sowohl Aussteller als auch Besucher signalisieren sehr deutlich, dass ihnen die Teilnahme an einer Präsenzmesse sehr wichtig ist. Eine Erkenntnis, die auch durch eine Analyse der AUMA, dem Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V., untermauert wird, die im November erfolgte: Die befragten Unternehmen beklagen die fehlenden Geschäfts- und Networking-Möglichkeiten durch die Messeabsagen in diesem Jahr. Digital ja, aber vorzugsweise in Verbindung mit einem realen Event.
CB: Warum sind Sie eigentlich nicht schon in diesem Jahr, wie manch andere Veranstalter in Frankreich oder Großbritannien, mit einem digitalen Messeformat angetreten?
JS: Die Koelnmesse hat 2020 zwei Messen ausschließlich digital durchgeführt: die Gamescom und die Dmexco, beide übrigens sehr erfolgreich. Die hier gewonnenen Erfahrungen werden wir in unsere Projekte 2021 einfließen lassen und auf diese Weise ausgereifte und effektive neue Businesskanäle für unsere Kunden bereitstellen. Wir haben also bereits bewiesen, dass wir digital gut aufgestellt sind. Was dabei aber gerne vergessen wird: Die Branchen sind überaus unterschiedlich. Erfolg stellt sich ein, wenn wir das passende Tool für die jeweilige Branche an den Start bringen – und zwar gemeinsam mit der Branche.
CB: Welche Rolle spielt die ja bereits seit einigen Jahren aktive, wenn auch etwas sperrig klingende „Matchmaking 365-Community for Kind + Jugend“ in Ihrer digitalen Kommunikation?
JS: „Matchmaking 365“ hat sich für die Kind + Jugend schon lange sehr gut etabliert. Der Austausch über Neuigkeiten und der direkte Kontakt untereinander funktionieren sehr dynamisch und agil. Die Plattform bauen wir kontinuierlich aus und arbeiten stetig an Verbesserungen.
CB: Immerhin steht der Termin für 2021, sofern dem keine Veranstaltungs- oder Reisehindernisse entgegenstehen. Was hat eigentlich zur Vorverlegung der um einen Tag verkürzten Messe um eine Woche geführt?
JS: Wir mussten das ganze Jahr über Messen absagen oder verschieben. Das hat im gesamten internationalen Messekalender zu großen Terminverschiebungen geführt. So auch bei der Kind + Jugend. Die Verkürzung der Messe ist allerdings nicht Corona geschuldet: Schon vorher hatten wir in Abstimmung mit den Gremien ab 2021 geplant, die Kind + Jugend zeitlich zu straffen.
CB: Können Sie schon eine Wasserstandsmeldung in Bezug auf die 2021er-Rückmeldungen geben?
JS: Nach Ablauf des Early Birds können wir sagen, dass sich die Kind + Jugend nach wie vor einer starken Nachfrage seitens der Anbieter aus dem In- und Ausland erfreut. Nicht nur Marktführer sind erneut in Köln im September 2021 dabei, auch kleine und mittelständische Unternehmen planen bereits wieder ihre Teilnahme. Von daher sind wir sehr optimistisch, dass wir eine gute und vielseitige physische Messe haben werden, die den Markt für die Baby- und Kleinkindausstattung gut abbilden wird.
CB: Wie bewerten Sie eigentlich Initiativen wie von Brandora, Ihnen mit den „Showroom Weeks“ im Februar 2021 Konkurrenz zu machen?
JS: Digitale Plattformen sind sicher eine gute Ergänzung für Kommunikation und Networking. Unsere Kernkompetenz liegt im physischen Format, der realen Messe, mit realen Gesprächspartnern und Produkten, die ausprobiert, angefasst und intensiv getestet werden können.
CB: Während Sie in Köln Quadratmeter verkaufen und Besucher monetarisieren, wollen digitale Formate zum Beispiel anhand der Anzahl präsentierter Produkte abrechnen. Mit welchen Parametern für Pakete würden Sie das bei einer digitalen Kind + Jugend angehen?
JS: Die Details zu unserer begleitenden, digitalen Plattform erarbeiten wir derzeit und informieren dann im nächsten Schritt zügig unsere Aussteller und Besucher – und natürlich auch die Presse.
CB: Die Koelnmesse hat ja die Partnermesse der Kind + Jugend in China aufgegeben. Inzwischen brummt die Wirtschaft in Asien wieder. Wäre ein alternatives Engagement in Fernost daher nicht doch wieder eine Überlegung wert?
Dmexco Natürlich freut uns, dass in Asien Messen wieder möglich sind. So konnten wir, mit einem ausgefeilten Sicherheits- und Hygienekonzept, bereits im Juli sehr erfolgreich die Interzum Guangzhou (Fachmesse für Holzbearbeitungsmaschinen, d. Red.) in China durchführen.
Daneben prüfen wir jederzeit intensiv alle Optionen, in Auslandsmärkten aktiv zu sein. Dies hängt aber nicht nur von der generellen Wirtschaftslage vor Ort ab, sondern auch von vielen anderen Faktoren, wie zum Beispiel kompetenten Partnern, der vorhandenen Infrastruktur und der internationalen Aufstellung der Aussteller. China behalten wir selbstverständlich im Blick.