Kehren die Messen zurück?

Die Pitti Bimbo muss Gas geben.
Die Pitti Bimbo muss Gas geben. Foto: AKAstudio-collective

Nun liegen bereits zwei harte Jahre für die Messeveranstalter hinter uns. Und während im Bereich der Baby- und Erstausstattung die Kölner Kind + Jugend im letzten September noch arg unter den Nachwehen der veränderten Verhaltensweisen von Ausstellern und Besuchern litt, scheint die Rückkehr der Nürnberger Spielwarenmesse Anfang Februar 2023 deutlich besser zu gelingen.

Inzwischen weisen die Signale auf ein Ende der Coronapandemie hin, sodass es sich leichter – und vor allem trotz aller Vorsicht – wieder etwas unbeschwerter reisen lässt. Auch China ist wieder offen. Das erlaubt, dass vor allem Einkäufer der Outerwear und Winterware wieder zu den Produzenten reisen können.

Doch hier gibt es mittlerweile ganz andere Hindernisse, da die Ansteckungszahlen nach dem abrupten Ende sämtlicher, wenn auch für uns unverständlich rigoroser Eindämmungsmaßnahmen des politisch so lange als „dem Westen überlegen“ gepriesenen Systems durch die Decke gehen. Nun könnte man also wieder, will aber nur ungern.

In der Kindermodebranche kommt China zwar auf der Bescha ungsseite große Bedeutung zu, spielt aber auf der Anbieterseite, sprich als Markenhersteller, nahezu keine Rolle, sodass die Modemessen, anders als jene in Köln oder Nürnberg, aus der aktuellen Situation in China kaum Nachteile erleiden.

Auch unter den Fachbesuchern, also vor allem als Einkäufer, spielt China und ganz Asien kaum eine Rolle auf unseren Messeplätzen. Marken und Einkäufer sind, je nach Standort, vor allem national oder europäisch geprägt, mit zahlenmäßig geringen, aber renommeemäßig durchaus bedeutenden Key Accounts aus den USA sowie aus dem Mittleren Osten.

In diesen Regionen scheint Corona endemisch geworden zu sein und damit einem herkömmlichen Messebesuch kaum noch im Wege zu stehen. Ein paar Hygienemaßnahmen einzuhalten, sollte nicht schwer sein und das Seinige gegen das Restrisiko beitragen.

Die Pitti Bimo muss Gas geben

Zeichnet es sich also ab, dass die Messen wieder obenauf sind, endlich wieder der turbulente Marktplatz der Marken, wie wir ihn noch bis vor Corona kannten und schätzten?

Noch ist es zu früh, um zu sagen, was und vor allem wie stark sich was verändert hat. Doch wenn man die Diskussionen hinter den Kulissen rund um die Kind + Jugend verfolgt, ist das Bild nicht so eindeutig.

Dabei kann es nicht an der Messeorganisation liegen, die zu keinem Zeitpunkt an falscher Stelle das Format herunterzusparen suchte. Die Ausgabe in 2021 war ein wahres Statement – auch wenn es nur wenige gesehen haben. Und auch 2022 stand man vielleicht bei manchen Inseraten auf dem Schlauch, ganz sicher aber nicht bei der Ausgestaltung der Messehallen.

Und dennoch gibt es, neben klaren Bekennern und deutlichem Zuspruch, nagende Stimmen, denen man wenig Bedeutung beizumessen müssen meint.

Doch Achtung: Nicht selten entwickeln derlei ätzende Sticheleien eine Dynamik, die, dem Schlag des Schmetterlingsfügels gleich, plötzlich an irgendeiner Stelle große Beschädigungen hervorrufen können. Und ist das Kind in den Brunnen gefallen, ist der Status ante quo zumeist unwiderru ich verstrichen.

Ein Beispiel: Schaut man auf die Zahlen der Pitti Bimbo im Januar 2023, so muss man kräftig schlucken. Denn knapp 220 Marken, das ist schon arg wenig. Vor Corona waren es gern rund 550, manchmal gar über 600.

Angesichts der Tatsache, dass nicht das gesamte Ausstellerspektrum zu einem Einkaufsprofil passt, schrammt eine Messeausgabe mit einem Markenportfolio in dieser Größenordnung bereits an der Notwendigkeitsgrenze eines Besuchs entlang.

Das wird man sich auch in Amsterdam gedacht haben, als man im Sommer 2017 unter 200 Aussteller rutschte. Wobei diese auch in den besseren Saisons bei weitem nicht an die vollen Hallen einer bisher normalen Pitti Bimbo heranreichten.

Dennoch entschied man sich, die Kleine Fabriek einzustellen. Und machte damit Platz für die nunmehr bereits achte Ausgabe der Sunday School in Utrecht.

In Amsterdam ist es seither nicht geglückt, erneut eine Messe für die agile niederländische Kindermode ins Leben zu rufen. Auch wenn sich diesen Januar zwei größere Agenturen mit der Modefabriek zusammentun und dazu einladen, zum „Junior Drive Inn“ vorbeizufahren: Nach einer Einstellung wieder etwas in die Gänge zu bringen, ist schier unmöglich.

Die Branche muss zusammenstehen

Gut, ein solcher Schritt steht bei der Pitti Bimbo mitnichten an. Der Veranstalter hat einen langen Atem und ist zudem im Land bestens vernetzt, sodass es bisher immer gelungen ist, Sponsoren und Fördertöpfe anzuzapfen.

Außerdem dürfte die Aussicht, im Frühjahr 2025 das 100. Jubiläum der Pitti Bimbo feiern zu können, weiterhin ausreichend Reserven mobilisieren.

Hinzu kommt, dass die politische Lage, namentlich der Ukraine-Krieg, aber auch der Brexit, Auswirkungen auf die Fachbesucherseite und damit auf das Umsatzpotenzial für die Aussteller hat. Doch die unsichtbare Hand des Marktes, das wusste schon Adam Smith, wird dafür sorgen, dass sich alles früher oder später wieder neu normalisiert.

Ein bisschen kann die Branche dazu beitragen und eben selbst Hand anlegen. Und das in Form klarer Bekenntnisse – vonseiten der Anbieter, an den wichtigen Marktplätzen teilzunehmen, vonseiten der Besucher, diese Angebote aktiv zu nutzen, und auch vonseiten der Messen, ihre Produkte, Preise und Plattformen noch forscher zukunftsfest auszurichten.

Dazu gehört, dass digitale Systeme funktionieren und dass digitale Plattformen ebenso „inklusiv“ sind wie sie echten Mehrwert bieten müssen.

Denn eines ist auch klar: Messen müssen sich sowohl in Bezug auf die Ressourcenverschwendung für den Messebau wie auf den ökologischen Footprint der anreisenden Aussteller und Besucher wandeln! 

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