Spiel und Spaß

Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.
Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.

Unsere ganze Familie ist derzeit im Memory-­Rausch. Nach dem Abendessen kommen die Spielkarten auf den Tisch und los geht’s. Lottchen liebt Memory, denn sie ist, wie alle Kinder, darin einsame Spitze und es freut sie natürlich besonders, wenn sie Papa schlägt. Neuerdings hat sie entdeckt, dass man beim Spielen auch ein bisschen schwindeln kann. So bietet sie sich an, das Spiel aufzulegen und nutzt dabei die Gelegenheit, unter die ein oder andere verdeckte Karte zu spicken. Um mich in die Irre zu führen, deutet sie auch schon mal ganz bewusst auf eine Karte, die sich dann als falsch herausstellt. Auf diese Tricks ist sie ganz von alleine gekommen. Das Spiel fördert also zweifellos die Kreativität. Memory ist klasse, es bringt die Familie zusammen, es bringt Lottchen spielerisch bei, Regeln zu beachten (und zu umgehen), verlieren zu lernen und dass sie sich konzentrieren muss, wenn sie gewinnen will. Nach dem Spiel geht Lottchen mehr oder weniger klaglos ins Bett, sodass uns Memory auch beim Zubettgehritual behilflich ist. 

Während mich unsere Memory-Abende an die eigene Kindheit erinnern, hat sich bei Lego doch einiges geändert, leider zum Schlechteren. Das Spiel ist artifizieller geworden und standardisierter. Ich spielte als Kind noch mit vergleichsweise wenigen Bausteintypen und wenn ich ein Haus oder Schiff baute, war meine ganze eigene Kreativität gefragt. Meine Mutter brauchte immer viel Fantasie, in den Lego-Plastiken, die ich anfertigte, das Feuerwehrauto oder den Fernsehturm zu erkennen, den ich ihr stolz präsentierte. Das ist heute anders, die Kreativität ist verschwunden, auch wenn es auf den ersten Blick nach mehr Kreativität aussieht. Denn die Lego-Sets sind bombastisch und perfekt. Die Burg der Löwenritter hat sogar Efeuranken und Blumentöpfe. Das Hotel sieht wie ein Fünf-Sterne-Boutique­hotel aus, mit Badezimmern voller hübscher Details. Für schlappe 699 Euro gibt es sogar die Titanic zum Nachbauen. Bei allem muss man sich aber exakt an den Bauplan halten, allenfalls minimale Abweichungen sind möglich. Ich habe mich deshalb für die kreative Variante entschieden, kaufe nur Steine und baue die Burg nach eigenem Geschmack, auch wenn Lottchen und ich dafür sicherlich keinen Schönheitswettbewerb gewinnen. Den Ritter mit dem Pferd hab ich dann aber doch dazu gekauft. 

Memory, Mensch ärgere dich nicht, Lego und Puppenküche, die altbewährten Spiele treffen die kindlichen Bedürfnisse noch immer am besten. Dass in Hongkong 75 Prozent der Grundschüler eine Brille tragen, weil sie andauernd mit Smartphones und Spielkonsolen beschäftigt sind, ist traurig. In einem bayrischen Kindergarten läuft seit 30 Jahren das Experiment „drei Monate ohne Spielzeug“. Im ersten Monat wird es sehr laut, im zweiten werden die Kinder kreativ und im dritten geben sonst stille Kinder plötzlich den Ton an und laute Kinder werden ruhiger. Studien haben gezeigt, dass die kindliche Konzentration umso schlechter wird, je größer die Auswahl an Spielzeug ist. Diesen freundlichen Hinweis möchte ich noch los werden, gerade nachdem wir die Suche nach Weihnachtsgeschenken hinter uns gebracht haben. Ich werde natürlich auch dabei sein, halte mich aber an das Motto: Weniger ist mehr. Memory ist dafür das beste Beispiel: Wie viele schöne Stunden hat es uns schon beschert und das zu einem unschlagbaren Preis. 

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