Schwierige Fragen

Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.
Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.

Lottchen ist, wie alle Kinder, eine kleine Philosophin. Ihre Neugier ist grenzenlos und so stellt sie einfache Fragen an die Welt, die ich beantworten soll. Sie erwartet natürlich auch einfache Antworten, aber die hat Papa nicht immer zu bieten. Das liegt vor allem daran, dass wir Erwachsenen schon zu stark in den Konventionen gefangen sind. Kinder überschreiten die Schranken der Vorurteile und Gewohnheiten locker und so kommt es, dass uns eine unbefangene Kinderfrage nicht selten sprachlos macht. 

Als ich kürzlich mit Lottchen eine Folge von „Wicki und die starken Männer“ im Fernsehen anschaute, fragte mich Lottchen unvermittelt: „Sind die Seeräuber böse?“. Wir beide lieben den kleinen naseweisen Wicki und seinen hemdsärmeligen Papa Halvar, den stärksten aller Wikinger, der gelegentlich zu einem politisch unkorrekten Einsatz roher Gewalt neigt. Als richtiger Bub möchte sein Sohn Wicki natürlich auf den Raubzügen der Wikinger mitfahren. Halvar und Wicki stellten nun also die Frage nach dem Bösen in der Welt. Aber sollte ich tatsächliche diese lustigen Zeichentrick-Barbaren als „böse“ brandmarken oder mich feige rausreden, das Ganze sei doch nur eine Filmerzählung? Meine unphilosophische Antwort lautete: Richtige Seeräuber sind böse, aber Wicki und sein Papa sind eigentlich lieb. Lottchen akzeptierte das sofort. Nichts ist offenbar überzeugender als eine gesunde Doppelmoral. 

Während eines Abendessens stellte Lottchen die Frage: „Wer hat uns erschaffen?“ Ich sagte: „Papa und Mama haben dich erschaffen.“ Das war noch der einfachste Teil. Dass Babys im Bauch der Mutter wachsen, wusste sie. „Und wer hat euch erschaffen?“, bohrte sie weiter. „Nun, Opa und Oma.“ Doch Lottchen ließ nicht locker: „Und Oma und Opa?“ Ich entschloss mich, in die Grundsatzdebatte über den Anfang der Welt einzusteigen, und zitierte aus der Schöpfungsgeschichte, da sie mir als richtige und kindgerechte Erklärung erschien: „Am Anfang waren Adam und Eva,“ sagte ich. Lottchen reagierte überrascht und fragte: „Eva, Theresas Freundin?“ Meine Frau und ich mussten herzlich lachen. „Nein,“ erklärte ich, „die ersten Menschen, die Gott im Himmel erschaffen hat, hießen Adam und Eva.“ Darauf Lottchen: „Und wer hat Gott erschaffen?“ Ich hätte nie gedacht, dass eine Fünfjährige mich so schnell an meine Grenzen bringen würde. Alles, was ich erwidern konnte, war: „Ich weiß es nicht.“ Lottchen lächelte. 

Eine wichtige Frage in jeder Familie ist natürlich, was machen die Kinder, wenn sie mal aus dem Haus sind. Haben wir ihnen alles Rüstzeug mitgegeben, um in der Welt da draußen Erfolg zu haben. Werden sie den richtigen Partner finden? Als Lottchen und ich vor einiger Zeit an einem Modegeschäft für Brautkleider vorbeigingen, blieb sie stehen und fragte: „Kaufst du mir auch so eines?“ Ich antwortete etwas unbedarft: „Ja, wenn du groß bist und heiratest.“ Lottchen schaute mich an: „Einen Prinzen?“ „Einen netten Prinzen“, gab ich zurück. Hatte ich meiner Tochter eben tatsächlich das väterliche Leitbild des idealen Schwiegersohns aufgenötigt, dachte ich erschrocken. Würde sie sich in der Pubertät von diesen spießigen Vorgaben befreien müssen und vielleicht sogar eine fatale Neigung zu Bad Boys entwickeln? Wenn ich ehrlich bin, hatte ich über Lottchens Hochzeit noch nie nachgedacht. Bislang läuft es jedenfalls gut. Lottchen steht auf Prinzessinnen und nette Prinzen. Zu ihrer Geburtstagsparty hat sie sogar nur Mädchen eingeladen, keine Jungs. Die sind ihr nämlich zu laut. 

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