Papas Mädchen

Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.
Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.

Seit gestern habe ich ein blaues Auge. Es ist genau genommen nur ein blauer Fleck, aber gut sichtbar. Er stammt von einem unabsichtlichen Ellbogencheck, den mir Lottchen bei unserer letzten Rauferei verpasste. Seit ich ihr einmal kurz einen Mixed Martial Arts-, kurze: einen „MMA“-Kampf auf Youtube zeigte, ist Lottchen ganz versessen auf Kampfsport. Das Elternbett oder der Wohnzimmerteppich sind unser Octagon Cage, auf dem es regelmäßig zur Sache geht. Neben Ellbogenchecks habe ich Lottchen auch schon wirkungsvolle Lowkicks und den Rear Naked Chokes beigebracht. Sie gibt in diesen Tobereien mit mir alles, und das darf sie auch, außer ins Gesicht schlagen. Ich versuche, ihre Angriffe auf den Boden umzuleiten, wo sie mal verzweifelt gegen den schweren Papa ankämpfen muss, mal mit einem Schwitzkasten die Oberhand behält.

Es ist nicht ganz einfach, die Rangelei immer zu kontrollieren, aber es macht uns beiden riesigen Spaß und ich sorge natürlich dafür, dass das Spiel nicht aus dem Ruder läuft. Wir hören auf, wenn es am schönsten ist. Kleine Blessuren gehören dazu. Lottchen lernt bei unseren MMA-Kämpfen nicht nur, sich gegen „böse Jungs“ in der Schule durchzusetzen, sondern auch mit Wut und Angst umzugehen und ihre Angriffslust zu beherrschen. 

Wenn Lottchen toben will, wartet sie, bis wir allein sind, dann hat sie den Papa ganz für sich. Lottchen hat auch ein Vorbild: die MMA-Ikone Dakota Ditcheva, ein ausgesprochen hübsches Mädchen von Anfang zwanzig, blond gelockt mit Modelfigur und einem sympathischen Lächeln, von der ich allerdings ungern einen Fußtritt kassieren würde, außer sie ist sehr gut versichert. Mein heimisches Ditcheva-Lottchen gefällt mir ausgesprochen gut. Wenn sie bei mir einen Armhebel ansetzt, erntet sie meinen anerkennenden Blick. Das ist die andere Seite der Vater-Tochter-Beziehung: der bewundernde und liebevolle Blick für »Papas Mädchen«. Ein Vater hat also zwei Seiten, er ermuntert seine Töchter zur Selbstständigkeit, bringt ihnen Fahrradfahren, Schwimmen und Klettern bei. Zum Vater gehören aber auch Komplimente an seine »kleine Prinzessin«, wie ich sie Lottchen manchmal gebe, wenn sie sich besonders hübsch anzieht. 

Die zärtliche Nähe zwischen Vätern und ihren Töchtern ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon auf einem altägyptischen Relief sieht man den Pharao Echnaton, wie er voller Liebe mit seinen Töchtern spielt. Der Vater formt mit seinem Fokus auf Körperlichkeit das Fundament, auf dem die Tochter ihr eigenes positives Körpergefühl aufbauen kann. Die heute viel stärkere Präsenz der Väter im Leben ihrer Töchter hilft ihnen, besser durch die schwierigen Jahre der Pubertät zu kommen und später gesunde Beziehungen zu Männern einzugehen. Väter fördern bei Töchtern Ehrgeiz, Selbstständigkeit und Zuversicht auf die eigene Kompetenz. Wenn sie es damit übertreiben, kann es aber auch schiefgehen. Laut einer Studie sind besonders erfolgreiche Managerinnen überdurchschnittlich oft extrem leistungsbereite „Vater-Töchter“, die aber leider häufig Probleme bei der Partnerfindung haben. 

Vielleicht schützt Lottchen und mich mein Alter davor. Den Plan, mich zu heiraten, hat Lottchen nämlich schon aufgegeben: „Wenn ich eine erwachsene Frau bin“, erkannte sie kürzlich, „dann bist du ein Großvater“. So etwas nennt man im MMA ein technisches K.o. 

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