Auch wer schon viele Messesaisons erlebt hat, kann sich dem besonderen Reiz dieser Phase im Modehandel nicht entziehen. Zum Besuch der Ordertermine verabschieden sich die Einkäufer für ein paar Tage aus ihrem Alltagstrott und begeben sich auf Entdeckungsreise durch die neuen Kollektionen ihrer Lieferanten und die der zahlreichen weiteren Anbieter.
Dabei gilt auch in der Baby- und Kindermode: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Denn allein im deutschsprachigen Raum lassen sich fast 630 Marken auf rund zehn Terminen begutachten. Wer zudem ausländische Messen in Europa besucht, steht einem Angebot von insgesamt 1.700 Marken gegenüber. Da jede Kollektion zumindest aus ein paar Dutzend, in der Spitze sogar aus vielen Hundert Styles pro Saison besteht, gegebenenfalls noch Flash-Kollektionen, Capsule-Editions und andere Highlights dazukommen, will das Handwerk eines Einkäufers nicht nur gelernt sein, sondern auch wertgeschätzt werden.
Dagegen stehen enttäuschende Saisonverläufe, zu viel Ware auf den Flächen, verspätete Auslieferungen und ein verändertes Konsum- und Einkaufsverhalten. Auch das Wetter spielt keineswegs eine Nebenrolle, denn gerade in den letzten Jahren verhielt es sich so ungünstig, dass die etablierten Orderzeiten von vielen als nicht mehr zeitgemäß empfunden werden.
Nicht zuletzt ist die Branche unglaublich heterogen. Das schützt zum einen vor übermächtigen Lieferanten, erschwert aber zum anderen, dass sich die Branche schneller an sich verändernde Gegebenheiten anpasst. Im Grunde wird noch immer nach alten Rezepten gekocht, sei es aufseiten der Hersteller, der Veranstalter oder der Händler. Ein paar schöne Fotos für das Lookbook, ein paar Stangen zur Warenpräsentation und ein bisschen Schimpfe auf den Einkäufer, dass dieser nicht mit der Zeit gehe, sind zwar bequem, lassen aber überzeugende Bemühungen vermissen, gemeinsam Antworten auf die Herausforderungen zu finden.
Überfällig ist, eine branchenweite Diskussion zu starten, die klügsten Ideen zusammenzutragen und vereint einige eingerostete Usancen aufzugeben. Denn im Grunde sitzen alle in einem Boot, unter dessen Kiel man schon die Sandbank reiben hört.
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