„Wie steht mir das hier?“

Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.
Max A. Höfer war Assistent des Publizisten Johannes Gross, leitete das Politikressort des Wirtschafts­magazins Capital und wurde der Berliner Bürochef des Magazins. Heute ist er als Publizist tätig.

Jeder Mann tut gut daran, Gespräche über die modische Garderobe der Partnerin weiträumig zu umgehen. Es ist wie inmitten einer felsigen Berglandschaft: Man hat bisweilen eine gute Aussicht, aber jeder falsche Schritt, genauer: jede falsche Bemerkung, kann den Tod bedeuten. Schon bei der scheinbar arglosen Frage „Wie findest du mein Kleid?“ steht man bereits auf abschüssigem Gelände. Wenn normale Modegespräche schon einer Gratwanderung in den Dolomiten gleichen, dann befindet man sich beim Thema „Umstandsmode“ in der Südsteilwand des Nanga Parbat. Für Ungeübte gibt es kein Entkommen. Und bei Umstandsmode ist jeder Mann ungeübt. 

Das Thema kommt plötzlich auf und entwickelt eine unheimliche Dynamik. Der Bauch wächst schubartig und nichts passt mehr. Als meine Frau mit Lottchen schwanger war, probierte sie zunächst einige Umstandshosen an. Da ihr Babybauch noch klein war, schlabberte das Bauchband der Hose an ihr herum wie ein luftleerer Schwimmreifen. Wir zögerten noch mit einem Kauf, bis es zu spät war. Von einem Tag auf den anderen klaffte der Reißverschluss jeder ihrer Hosen unübersehbar auseinander. Erfinderisch, wie meine Frau nun mal ist, löste sie das Problem mit einem Gummiband, das die Jeans zwischen Hosen­knopf und Knopfloch zusammenhielt. Schwups einen Pullover drüber und nichts war zu sehen. Sie musste im Büro nur aufpassen, dass der Pullover nicht hochrutschte oder das Gummiband riss. 

Das Provisorium hielt erstaunlich lange, doch einmal musste der Tag kommen, an dem der Einkaufsbummel durch Geschäfte für Umstandsmode unausweichlich war. Mir war mulmig. Meine Einstellung war: Lass uns für die paar Monate einfach etwas Praktisches finden. Aber das reichte verständlicherweise nicht. Sie musste sich ja darin auch gefallen. 

„Ich finde meine Figur unmöglich“, sagte sie nach den ersten zwei Anproben und fasste sich an Bauch und Hüften. Was soll man da sagen? Ab dem sechsten Monat gibt es eigentlich nur Problemzonen. Ich schwieg und hielt mich maximal zurück. 

„Du bist mir heute aber keine große Hilfe“, tadelte sie mich. Es war tatsächlich Wahnsinn, wie schnell sie zugenommen hatte. Am Ende sollten es zwölf Kilo sein. 

„Wie steht mir das hier?“

„Es kaschiert weniger als das blaue“, sagte ich. Sie zog ein rosa Wickelkleid an, das über dem Po Falten zog. 

„Das ist hinten unvorteilhaft“, meinte ich.

„Was heißt ‚unvorteilhaft‘?“ 

Treffer. 

„Sag doch gleich, mein Hintern ist zu dick!“

Versenkt. 

Wir zogen noch weiter in drei andere Boutiquen. Alles trug entweder zu viel auf oder war zu kurz oder zu teuer. Irgendwie kamen wir dann doch noch an ein erschwingliches Umstandskleid in Blau mit kleinen weißen Blümchen, das einigen Charme ausstrahlte. 

Ich glaubte schon, das Thema „Umstandsmode“ weitgehend unbeschadet überstanden zu haben, bis mich im neunten Monat ein Handy­anruf meiner Frau ereilte: „Kannst du mir im Babyshop einen schwarzen, atmungsaktiven, nahtlosen Schwangerschafts-Still-BH ohne Bügel in meiner Größe besorgen? Nichts Ausgefallenes!“ Ich hatte diese monsterhaften Textilien zwar aus der Ferne schon zur Kenntnis genommen, aber dieser Aufgabe war ich nicht gewachsen. Also ging ich in die Confiserie, kaufte eine Pralinenmischung „Dark Selection“, überreichte sie meiner Liebsten und sagte, das Geld habe leider nicht mehr für den Still-BH gereicht … 

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Original aus CHildhood Business:

Cover der Ausgabe 04 / 2019 von Childhood Business - Sonderausgabe Maternitywear

Dieser Beitrag erschien in der gedruckten Ausgabe 04/2019 von Childhood Business.

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