Jungen sind mitteilsamer als Mädchen …

Jungs reden – anfangs – mehr als Mädchen.
Jungs reden – anfangs – mehr als Mädchen. Foto: Prostock-studio/AdobeStock

Wer hätte das gedacht: Jungen sind im ersten Jahr ihrer Entwicklung offenbar deutlich mitteilsamer als Mädchen. Das hat ein Team um den Sprachforscher D. Kimbrough Oller von der US-amerikanischen Universität von Memphis im Bundesstaat Tennessee herausgefunden und im Fachjournal “iSci-ence”.

Sein Team analysierte mehr als 450.000 Stunden ganztägiger Aufzeichnungen von 5.899 Säuglingen. Generell wurde festgestellt, dass männliche Säuglinge im ersten Lebensjahr mehr “sprechen” als weibliche Säuglinge. Dabei ist “sprechen” natürlich entwicklungsgerecht zu verstehen.

Denn junge Babys gehen vor allem Quietschlaute, vokalähnliche Laute, Knurren und kurze wortähnliche Laute wie “ba” oder “aga” von sich. Diese Vorläufer der Sprache werden als “Protophone” bezeichnet und später durch erste Wörter und schließlich durch ganze Phrasen und Sätze ersetzt.

Während einige Säuglinge von Natur aus “gesprächiger” sind als andere, bestätigt eine neue Studie, die am 31. Mai 2023 in iScience veröffentlicht wurde, dass es bei der Anzahl dieser Laute Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Kindern gibt.

So wurde generell festgestellt, dass männliche Säuglinge im ersten Lebensjahr mehr “sprechen” als weibliche Säuglinge. Die Ergebnisse bestätigen zwar frühere Erkenntnisse aus einer viel kleineren Studie desselben Teams, sind aber dennoch überraschend.

Das liegt daran, dass lange Zeit die Meinung vorherrschte, dass Frauen im Bereich der Sprache einen zuverlässigen Vorteil gegenüber Männern haben. Sie haben auch interessante Auswirkungen auf die evolutionären Grundlagen der Sprache, sagen die Forscher.

Der frühe Vorteil männlicher Säuglinge bei der Sprachentwicklung ist jedoch nicht von Dauer. “Während Jungen im ersten Jahr eine höhere Vokalisierungsrate aufwiesen, holten die Mädchen auf und überholten die Jungen bis zum Ende des zweiten Jahres”, sagt Oller.

Die Daten zeigten, dass männliche Säuglinge im ersten Jahr 10 Prozent mehr Äußerungen machten als weibliche. Im zweiten Jahr kehrte sich der Unterschied um, wobei weibliche Säuglinge etwa 7 Prozent mehr Laute von sich gaben als männliche. Diese Unterschiede wurden beobachtet, obwohl die Anzahl der Wörter, die von den Erwachsenen, die sich um diese Säuglinge kümmern, gesprochen wurden, bei weiblichen Säuglingen in beiden Jahren höher war als bei männlichen.

Auf die Frage, warum männliche Säuglinge im ersten Jahr lauter sein sollten als weibliche und später nicht mehr, antwortete Oller: “Wir vermuten, dass es daran liegt, dass Jungen im ersten Lebensjahr stärker gefährdet sind zu sterben als Mädchen, und da so viele männliche Todesfälle im ersten Jahr auftreten, könnten Jungen unter einem besonders hohen Selektionsdruck gestanden haben, um stimmliche Fitnesssignale zu erzeugen.”

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