Einfach voller Tatendrang: Charlie & Lu

Mit Charlie & Lu macht sich Familie Ziebold auf, in Essen mehr Kindermode zu offerieren.
Mit Charlie & Lu macht sich Familie Ziebold auf, in Essen mehr Kindermode zu offerieren. Foto: Charlie & Lu

Sich einbringen in die Nachbarschaft, ein Angebot zu kuratieren und Kindermode zurückzubringen – das sind nur einige der Motive, die Jan-Philip Ziebold und vor allem seine Frau Sarah veranlasst haben, im Herbst 2022 in der Rüttenscheider Straße 200 in Essen mit dem Charlie & Lu einen neuen Kindermodeladen zu eröffnen.

Im Sortiment sind unter anderen Bobo Choses, Il Gufo, Izipizi, Mara Mea, Mini Rodini, Play Up, Stella McCartney Kids und Tinycottons. Doch das ist nicht alles. Seit Januar 2023 betreiben sie noch ein Kids-Fashion-Outlet in einem Mutter und Kind-Cafe. Sie überlegen, in 2024 ein Babyfachgeschäft zu eröffnen und sich dann bei Charlie & Lu auf Kids- und Teensmode zu konzentrieren. Wir wollen mehr wissen. 

Childhood Business: Die Handelslandschaft ist keine einfache. Dennoch haben Sie einen Kindermodeladen eröffnet. Was reizt Sie daran?

Sarah Ziebold: Wenn man selbst Kinder bekommt, entwickelt sich der Blick auf die Welt noch einmal ganz anders und der Fokus verändert sich. Beruflich hatte ich ohnehin mit dem Thema zu tun. Und da mir vor Ort stets das gewisse Etwas fehlte, wuchs der Wunsch, selbst etwas zu schaffen, schon seit geraumer Zeit heran. Am Ende passten die Umstände und als sich spontan eine gute Gelegenheit auftat, haben wir am Ende der Elternzeit 2022 den Schritt gewagt. Ich kündigte meinen Job bei Peek & Cloppenburg und habe den Weg in die Selbstständigkeit gewagt. Von der „Gelegenheit“ bis zur Eröffnung dauerte es rund ein Jahr. Es wäre vielleicht auch schneller gegangen, aber die Warenbeschaffung zeitigt einen nicht zu unterschätzenden Vorlauf. 

Was uns geholfen hat, ist, dass mein Mann seit 25 Jahren selbstständig ist. Auch ist seine Familie durch Generationen von Kaufleuten geprägt. Ich kann mich auf diese Erfahrung im Einzelhandel stützen. Mein Schwiegervater und mein Mann unterstützen mich sehr und sie bringen ihre große Erfahrung auf dem Gebiet mit ein. Dadurch, motiviert und fachlich gut vorbereitet, fiel der Schritt zur eigenen Selbstständigkeit natürlich deutlich leichter, als wenn keinerlei Vorerfahrung vorhanden gewesen wäre. Der gemeinsame Erfahrungsschatz aller Akteure zusammen ist die Basis, auf der wir unsere Idee bis zur Eröffnung gut wachsen lassen konnten. 

CB: Sie kommen aus der Modebranche und bringen viel Erfahrung mit. Was davon war nützlich und was hat Sie überrascht?

SZ: Die allgemeine Warenkunde, Fachbegriffe, die kreative Arbeitsweise im Visual Merchandising, der Umgang mit Kunden und das Verständnis der Branche sind natürlich eine ideale Basis für unser Projekt Charlie & Lu. Überrascht hat mich hingegen der Blick hinter die Kulissen in Bereichen wie der Warenwirtschaft und die teils noch geringe digitale Kompetenz vieler Lieferanten. Damit geht ein hoher Aufwand beim Anlegen oder Einspielen von Artikeln im internen System und im Online-Shop einher.

Hier habe ich quasi von der Steinzeit bis zur perfekten Zuarbeit jede Zwischenstufe erlebt und noch viel zu wenige einheitliche Herangehensweisen. Die Digitalisierung ist auch nach den zwei einschneidenden Jahren der Pandemie bei vielen Unternehmen immer noch nicht angekommen. Ich denke, dies wird sich bei denen noch mal rächen, die diese Entwicklung bis heute verschlafen haben.

Impressionen von Charlie & Lu aus Essen
Impressionen von Charlie & Lu aus Essen

Aber es gab auch sehr angenehme Überraschungen. Mich hat seit unserem Start die große Anzahl an stets gut gelaunten Kunden überrascht. Ich sag immer etwas salopp: Man ist die Summe der fünf Menschen, die einen primär umgeben … Und hier hat sich unser Leben durch die Kundschaft zum Positiven verändert. Es wird hier täglich öfter gelacht und man geht – trotz des ständigen Frusts mit der Warenwirtschaft – gut gelaunt und motiviert durch den Tag.

CB: Was waren die größten Hürden bei der Gründung des Ladengeschäfts?

SZ: Bezogen auf die Textilbranche haben wir alles mehr oder weniger so erwartet, wie wir es erlebt haben. Was uns trotz Vorerfahrung überrascht hat, ist die immer wieder erstaunlich langmütige Arbeitsweise einiger Behörden. Eine Wartezeit von rund sechs Monaten zwischen unserer Gründung und der Zuteilung einer Umsatzsteuer-Identnummer ist einfach nicht zeitgemäß.

Auch digital ist der Staat, je nach Region, nicht so digital aufgestellt, wie man es erwarten würde und man es auch aus anderen Ländern so mitbekommt. Als Selbstständige und Eltern in Deutschland hofft man natürlich sehr auf den digitalen Ausbau und eine höhere Dynamik bei den Behörden.

Deutschland wird beim Standortwettbewerb sonst immer weiter zurückfallen. Als Eltern von zwei kleinen Kindern macht man sich darüber schon so seine Gedanken. Im Geschäft begegnet uns dieses Thema mit unserer Kundschaft ebenfalls ständig. Hier muss mehr und vor allem schneller etwas passieren. 

Impressionen von Charlie & Lu aus Essen

CB: Was würden Sie sich in der Zusammenarbeit mit Herstellern anders wünschen?

SZ: Das Thema Warenwirtschaftssystem ist der größte Schmerzpunkt. Es braucht wenigstens maschinenlesbare Artikellisten, CSV-Dateien mit allen Informationen, alles in einer Datei. Auch überzeugen mich viele der genutzten B2B-Portale überhaupt nicht. Und einmal hat uns eine Kindermode-Handelsagentur tatsächlich noch gebeten, unsere Erstbestellung als Fax zuzusenden. Ohne Worte. Die Digitalisierung bietet so viele Vorteile, die manche noch immer ungenutzt lassen. 

CB: Wie stellen Sie, gerade in der Anfangszeit, das Thema Liquidität sicher?

SZ: Eine gute Zahlungsfähigkeit sehe ich als entscheidenden Faktor für den Erfolg meines Unternehmens an. Dazu gehört eine solide Liquiditätsplanung. Wir haben uns vorher angeschaut, wie hoch unser Kapitalbedarf sein wird, und haben uns so aufgestellt, dass hier ein ständiger monatlicher Abgleich erfolgt. Wichtig sind uns pünktliche Zahlungen, um Vertrauen bei Lieferanten, Mitarbeitern und anderen Geschäftspartnern aufzubauen.

Impressionen von Charlie & Lu aus Essen

CB: Wie hat sich Ihre Vorabselektion an Labels bei Ihren Kunden vor Ort bisher bewährt? Werden Sie ein paar Anpassungen vornehmen?

SZ: Wir haben uns komplett auf Fashion fokussiert. Naheliegende Accessoires und jahresabhängige Sonderartikel sind natürlich als Beimischung des Konzepts auch Thema. Mit unserem jetzigen Markenportfolio sind wir gut aufgestellt. Wir sammeln jetzt Erfahrungen, kommunizieren stark mit unseren Kunden, um deren Wünsche und Anregungen aufzunehmen.

Dazu kommt, dass wir uns ständig national und international informieren. So besuchen wir wichtig Messen wie die Playtime Paris und die Pitti Bimbo in Florenz. Außerdem beobachten wir mittels Storechecks den Auftritt von Marken und Konzepte auf den digitalen Plattformen. Wir wollen uns laufend verbessern und werden mit der Zeit weitere führende Marken ansprechen.

CB: Besuchen Sie auch Messen und Ordertage? Wo werden Sie sich im Sommer 2023 umschauen?

SZ: Für den Input konzentrieren wir uns auf Florenz und Paris, da diese neben einer nationalen auch eine starke internationale Verknüpfung haben, sodass wir viele Inspirationen mitnehmen. In den beiden Städten schauen wir uns auch die Läden an und nehmen Anregungen mit nach Hause. Die in Deutschland ausgerichteten Ordertage begeistern uns derzeit nicht so recht. Hierzulande besuchen wir dann lieber die Showrooms der Brands direkt. 

Bonus-Fragen gegenüber dem Interview in der Print-Ausgabe

Impressionen von Charlie & Lu aus Essen
Nicht nur für Papas, auch wenn die Bar mit Kühlschrank und Kaltgetränken im Außenbereich als „Männerparkplatz“ betitelt wird.

CB: Der „Handel“ steht bei der Nachwuchsgeneration allgemein nicht so hoch im Kurs. Können Sie das nachvollziehen?

SZ: Das kann ich durchaus nachvollziehen, wobei sich der Handel ja durchaus in unterschiedliche Gliederungen unterscheiden lässt. Und die Problematik ist da durchaus ganz unterschiedlich gefärbt. Wie überall gibt es Gewinner und Verlierer.

Während der Pandemie haben viele gemerkt, wie sehr sie doch das Ausgehen, das Bummeln und den kleinen Laden um die Ecke vermissen und dass „nur online“ nicht das ist, was man sich für die Zukunft wünscht. Wir denken, dass gerade im Bereich junge Mamas im Einzelhandel eine echte Beratung und eine Orientierung mit „echter“ Ware sehr wichtig bleiben.

Hinzu kommt, dass unter Online-­Händlern der teure Service der kostenlosen Rücksendung abnimmt, was den örtlichen Einzelhandel stärkt. Am Ende ist es wichtig, einen synergistischen Mix aus Einzelhandel und Online-Shops anzubieten, ergänzt um moderne Serviceleistungen wie Private Shopping und Bestellungsannahme via Whatsapp, Einkaufen direkt auf Instagram sowie ebenso digitale Live-Shopping-Events wie auch physische im Geschäftslokal, die auch den Austausch der Kunden untereinander fördern. Dieses „Miteinander“ ist, gerade in der Eltern-Zielgruppe, nicht zu unterschätzen.

CB: Sie sind bei P&C als Visual Merchandising Manager tätig gewesen. Dort hat man sich von der Kindermode verabschiedet…

SZ: Das ist eine strategische Entscheidung von P&C. Ich sehe ähn­liche Entwicklungen auch bei anderen großen Marktteilnehmern. Für uns sehen wir darin einfach eine große Chance. So können wir Kunden gewinnen, die bei den Großen nicht mehr fündig werden.

CB: Was reizte Sie dennoch, sich in das Abenteuer eines eigenen Stores zu stürzen?

SZ: Wir sind die letzte Generation, die analog aufgewachsen und digital groß geworden ist. Uns ist es wichtig, zumindest zum Teil in der „echten Welt“, mit echten Menschen zusammenzuarbeiten. Der direkte Kundenkontakt macht doch etwas mit einem und gibt jedem etwas zurück, was man in einem reinen Bürojob seltener findet. Die Freude am Beraten, am Kontakt und an der Geselligkeit ist uns ganz persönlich sehr wichtig.

Weiterhin hat es uns beide gereizt, dem Stadtteil, in dem wir leben, etwas zurückzugeben und diesen aktiv mitzugestalten. Im Stadtteil Essen-Rüttenscheid ha­ben wir fast 80 Prozent rein inhabergeführte Betriebe. Und man spürt, wie das noch heute einen besonderen Charme ausmacht. 

CB: Welche Akzente wollen Sie bei der Gestaltung und Präsentation Ihres Sortiments setzen?

SZ: Uns ist es wichtig, dass wir keinen bis unter die Decke vollgestopften Kinderladen haben, sondern die Ware wirken lassen. Daher haben wir ein offenes, angenehmes Raumkonzept geschaffen, das zum Verweilen einlädt. Wir heben einzelne Kollektionen wie auch Einzelteile hervor.

Es gibt neben einem offiziellen „Männerparkplatz“ mit Kühlschrank und Kaltgetränken auch zwei Kinder­ecken mit Mal- und Lernspieloptionen. Außerdem haben wir einen Zugang zum Garten als eine Ruheoase beim Shopping geschaffen.

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