Das Gipfeltreffen

Als die internationale Leitmesse der Baby- und Erstausstattungsbranche ist die Kind + Jugend mehr als nur eine Ordermesse für den Fachhandel. Sie ist auch ein Ort für die Weiterbildung, den Austausch und das Ent­decken neuer Trends und Marktentwicklungen. 

Besser hätten die Vorzeichen für eine erfolgreiche Kind + Jugend kaum sein können. Im vergangenen Jahr wurden zum zweiten Mal in Folge wieder mehr Kinder in Deutschland geboren. 715.000 Geburten sind der Höchststand der letzten zehn Jahre. 2,2 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2014 für die Kleinkinder-Ausstattung aus, drei Prozent mehr als im Vorjahr, so berichtete der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels. Im Schnitt würden nach deren Erhebung 1.058 Euro pro Kind in den ersten drei Lebensjahren ausgegeben, heißt es weiterhin. Zudem vermeldete die Messeleitung einen neuen Ausstellerrekord. 1.141 Aussteller aus 50 Ländern kamen vom 10. bis zum 13. September nach Köln, um ihre Neuheiten auszustellen. Beste Voraussetzungen also für gute Geschäfte.

Die Stimmung in den Hallen war entsprechend positiv, allerdings nicht euphorisch. Gerade bei den größeren, international agierenden Konzernen war zu hören, dass das Wachstum auf dem deutschen Markt zwar bemerkbar sei, dass aber andere große Absatzmärkte wie zum Beispiel Russland schwächelten oder in einigen asiatischen Ländern die Nachfrage nach Premium- Marken weniger stark als in den vergangenen Jahren gedacht ausgeprägt wäre. Die Relevanz des deutschen Marktes schmälert dies indes nicht. Viele ausländische Aussteller nutzen die Messe, um deutsche wie internationale Distributoren zu finden. Und oft war in Gesprächen zu hören, dass sich die gewünschten Kontakte oder gar konkrete Kontrakte ergeben haben.

Für heimische Einkäufer bietet eine internationale Leitmesse gute Möglichkeiten, das eigene Sortiment mit neuen Marken und Produkten zu ergänzen und zu individualisieren. Die Konkurrenzsituation zwischen dem stationären und dem digitalen Handel verpflichtet mehr denn je dazu, das präsentierte oder gar kuratierte Warenangebot so attraktiv wie möglich zusammenzusetzen. Dazu gehört es, die Kunden mit interessanten Neuheiten zu verlocken, aber auch die relevanten Marken auf dem neusten Stand im Angebot zu haben.

Wo Neues präsentiert wird

Die Kölner Messe ist für viele Hersteller traditionell der Ort, an dem sie ihre Produktneuheiten das erste Mal der

Oben:Pirulos, Mitte: Käthe Kruse, Unten: Chicco
Oben:Pirulos, Mitte: Käthe Kruse, Unten: Chicco

Öffentlichkeit präsentieren. Deshalb wirft es Fragezeichen auf, wenn Bugaboo der Messe fernbleibt, dann aber die Messezeit doch im Rahmen einer Off-Veranstaltung nutzt. Auch erschweren einige relevante Marken wie Stokke, die die Messe nicht als Plattform nutzen, dass sich Einkäufer an einem Ort in vier Ausstellungstagen vollständig und vor allem ohne zusätzlichen Aufwand orientieren können. Umso spannender waren daher eine ganze Reihe interessanter Neuheiten. Vor allem die Premiere der neuen Premium-Marken „GB Gold“ und „GB Platinum“ von der in Hongkong ansässigen Cybex-Mutterfirma Goodbaby war Gesprächsthema. Nur mit persönlicher Begleitung war der Zutritt zum großen Stand möglich, in dem die mit einer urbanen Philosophie aufgeladenen High-End-Kinderwagen präsentiert wurden.

Spiegelbild des ­Marktes

Aus dem präsentierten Warenangebot lässt sich ableiten, was den deutschen und internationalen Markt in den kommenden zwölf Monaten bewegen wird. Im Hartwarenbereich ist dies vor allem das Aufkommen der sogenannten Reboarder. Wegen der 2013 verabschiedeten i-Size-Verordnung werden nun immer mehr Kindersitze angeboten, in denen das Kind entgegen der Fahrtrichtung sitzt. Und so sind immer mehr Autokindersitze zu sehen, die sich auf einer Base drehen lassen. Einer der führenden Anbieter bleibt der i-Size-Wegbereiter Maxi Cosi, aber auch viele andere Hersteller wie Kiddy, Gesslein, Nuna oder Joie präsentierten eine beträchtliche Auswahl an entsprechenden Sitzen in verschiedenen Designs und Ausführungen.

Aber auch Entwicklungen, die über die Branche hinausgehen, spiegelten sich im Sortiment wider, wie vor allem im Möbel-Bereich deutlich wurde. Katharina C. Hamma, Geschäftsführerin der Koelnmesse, erklärt: „Gerade bei der Erstausstattung achten Eltern und Verwandte auf Qualität, auf nachhaltige Produktion und zunehmend auch auf besonderes Design. Dazu tragen auch moderne Wohnungsgrundrisse bei, die Kinder- und Erwachsenenbereiche immer mehr miteinander verschmelzen lassen. Neuanschaffungen für die Kleinen müssen auch dem Geschmack der Großen entsprechen.“ Um den Aussteller ein größeres und auch internationales Feed­back zu ermöglichen, hat die Messe in diesem Jahr den Consumer Award neu eingeführt. Er zeichnet Produkte aus, die sich in verschiedenen Ländern besonders gut verkaufen, und signaliert damit internationalen Herstellern, welche Eigenschaften die unterschiedlichen Absatzmärkte haben.

Gutes Schlussfazit

Auf die etablierte und propere Veranstaltung ist die Messeleitung stolz:  „Das Ergebnis der Kind + Jugend 2015 hat unsere hohen Erwartungen noch einmal übertroffen. Aus Deutschland konnten wir ein überproportionales Besucherwachstum verzeichnen, insbesondere aus dem Bereich des Online-Handels“, bilanziert Katharina C. Hamma. Dazu bezieht sie sich auch auf die Auswertung der aktuellen Besucherbefragung. Rund 83 Prozent der Befragten gaben an, mit der Veranstaltung zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Über drei Viertel gaben zudem an, dass der Messebesuch ausschlaggebenden oder mit ausschlaggebenden Einfluss auf die Einkaufs- und Beschaffungsentscheidungen im Unternehmen hätte.

Unschön fiel allerdings ein bekanntes Messephänomen auf. Während an den ersten beiden Tagen vor allem Einkäufer der größerer Unternehmen an den Ständen empfangen wurden, gehörte das Wochenende vermehrt den Inhabern kleinerer Geschäfte. Wer für sich dann nur den Sonntag zum Besuch einplante, erlebte, wie viele Stände bereits mittags abgebaut und nicht mehr sämtliche Angebote präsentiert wurden. Auch wenn der absolute Umsatz mit kleineren Einzelhändlern gering ist, täten die Aussteller gut daran, ihre Markenbotschafter im Handel zu empfangen, Erfahrungen auszutauschen und sie fachkundig zu stärken.

(ch)

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