Jedem Tütchen wohnt ein Zauber inne

Die sogenannten Blind Bags, die für gewöhnlich gut sichtbar an der Kasse als typische Quengelware platziert sind, haben eine ganz eigene Verkaufs- dynamik: wenn die Sammelleidenschaft einmal ­entfacht ist, wächst die Nachfrage immer weiter.

Die erste Investition ist klein. Denn nur wenige Euro kostet eines der bunten Tütchen, in denen jeweils ein Sammelbildchen oder eine Figur enthalten ist. Die Freude über die kleine Überraschung ist bei den Kindern groß. Und mit dem Blick auf ein meist beigelegtes Zettelchen eröffnet sich der Wunsch,  weitere Teile der Tütenserie zu sammeln, von denen es immer eine ganze Reihe gibt. Die Verlockung liegt darin, eine Serie zu komplettieren. Und ist erst einmal der Sammeltrieb geweckt, verspricht das dem Handel gute Umsätze. Denn trotz Schütteln, Klopfen, Horchen und Befühlen ist nie ganz klar, was sich in der nächsten  Tüte verbirgt. Und schneller, als man sichs versieht, hat man Teile doppelt, aber nennt ein lang ersehntes noch immer nicht sein Eigen. Darum wohnt diesen Produkten auch eine soziale Komponente inne, denn Kinder können doppelte Figuren mit Freunden tauschen. Blind Bags und der Sammeltrieb erzeugen also einen Netzwerkeffekt, denn umso mehr Freunde mitsammeln, umso besser lässt sich tauschen und eine Sammlung vervollständigen.

Fleischextrakt, Margarine und Pokémon

Die Produktkategorie der Sammelfiguren ist ein altes Phänomen. Bereits im Jahr 1875 legte der Fleischextrakthersteller Liebig seinen Produkten kleine Bilder bei, um die sich ein regelrechter Kult bildete. Es gab Kataloge, Zeitungen und sogar Geschäfte, in denen die Bilder gehandelt wurden. Ab den 1920er-Jahren nutzten auch Margarinehersteller die Sammelleidenschaft der Konsumenten. Später legten Nudel- oder Cornflakes­anbieter ihren Packungen kleine Gimmicks bei. Zu den populärsten noch heute erhältlichen Sammelprodukten gehören die Serien aus den Überraschungseiern von Ferrero, die im Jahr 1974 erstmals auf den deutschen Markt kamen. Einen weiteren Sammelboom löste Pokémon aus. Neben virtuellen Figuren, die es in einem Videospiel zu sammeln galt, wurden alsbald Sammelkarten sowie ein umfangreiches Merchandise-Sortiment auf den Markt gebracht. Eine parallel laufende Fernsehserie sorgte für eine extrem hohe Bekanntheit der Figuren. Viele Serien versuchten sich in der Folge mit einem vergleichbaren Marketingkonzept.

Modern interpretiert wurden die heute erneut populären Blind Bags unter anderem durch die Firma Lego. In deren bunten Plastiktüten ist jeweils eine unterschiedlich gestaltete Figur einer Serie zu finden. Seit dem Start im Jahr 2010 wurden bereits 15 verschiedene Kollektionen aufgelegt. Zusätzlich gibt es Sonderserien, so etwa von den Simpsons, Figuren von Disney oder aktuell auch eine der deutschen Fußballnationalmannschaft.

Ein Geschäft ohne große Mühen

Inzwischen gibt es viele weitere Hersteller, die Blind Bags mit Sammelfiguren oder -karten anbieten, sodass für fast jedes Sortiment etwas Passendes dabei ist. Werden die platzsparenden Dispenser mit den Tüten einfach im Sichtbereich von Verkäufern und Kunden an der Kasse aufgestellt, verlängert sich der Durchschnittsbon häufig wie von selbst. Die Investitionskosten sind gering, sodass sich diese Sortimentsergänzung risikolos ausprobieren lässt.

(ch)

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