„Zum Start reicht der gesunde Menschenverstand“

Die Innatex ist die Messe für Bio-Mode. Projekt­leiter Alexander Hitzel versichert, dass interessierte Händler schnell in das nachhaltige Segment einsteigen können.

Alexander Hitzel ist seit 2005 Projektleiter der Innatex. Als Vater von zwei Kindern im Alter von vier und sieben Jahren legt der Marketing- und Kommunikationsspezialist auch privat Wert auf nachhaltige und ökologisch unbedenkliche Bekleidung. Und das nicht nur für seine Kinder.

Childhood Business: Welches sind im Kindertextilbereich die relevantesten Zertifikate zum Nachweis nachhaltig produzierter Bekleidung?

Alexander Hitzel: Der Global Organic Textile Standard (GOTS) und die Siegel des Internationalen Verbands Naturtextil (IVN) sind sehr stark vertreten wie auch das allgemein sehr bekannte Transfair-Siegel. Die einen sind aktiver im Bereich Umweltschutz, andere fördern mehr den fairen Handel. Grundsätzlich geht es aber den meisten Käufern gerade bei Baby- und Kinderkleidung um Schadstofffreiheit.

CB: Viele Label im Kinderbereich berufen sich auf die Verwendung GOTS-Stoffen, sind aber selbst nicht zertifiziert. Warum meiden nach Ihrer Beobachtung viele Labels die Zertifizierung?

AH: Zertifizierungen kosten Geld. Hier scheuen viele Labels sicherlich sowohl die Kosten als auch den Aufwand, den eine Zertifizierung mit sich bringt. Wer sich als Marke nicht zertifizieren läßt, beschert dem Handel jedoch ein Problem! Da nicht zertifizierte Marken im „Hangtag“ auch nicht die Verwendung von GOTS-zertifizierten Stoffen und -materialien ausweisen dürfen, muss der Händler selbst beim Kunden um Vertrauen werben. Marken, die sich das eigene Siegel „gönnen“, erleichtern dem Händler die Argumentation deutlich. Wir empfehlen daher die Zertifizierung, also die Verwendung der Siegel, denn das erleichtert die Überprüfung der Nachhaltigkeit der Modemarken.

CB: Ist nachhaltige Mode nicht bereits ein Alltagsprodukt, wenn bei Drogerien Baby-Bodys mit GOTS-Label für 5,95 Euro angeboten werden?

AH: Basics gibt es sicherlich häufig schon zum „Einsteigerpreis“ in Drogeriemärkten oder beim Discounter. Bei Schuhen, Regenbekleidung oder Specials wird es wieder seltener, exklusiver und somit teurer. Die Regel lautet: Je größer die bestellte Menge, desto günstiger der Preis. Wenn ein Discounter mit über 3.000 Filialen zum Beispiel von einem Baby-Body pro Filiale nur zehn Teile bestellt, so ordert er insgesamt stattliche 30.000 gleiche Teile. Selbstverständlich wirkt sich das stark auf den Einkaufspreis aus.

CB: Halten Sie den Handel im Kindermodenbereich bereits für ausreichend informiert? 

AH: Wir wissen, dass bei manchen Händlern eine gewisse Skepsis vorherrscht. Eine Angst ist, man müsse den ganzen Laden umkrempeln. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass man bereits mit zwei oder drei Green-­Fashion-Labels das Sortiment attraktiv erweitern kann. Der höhere Kaufpreis kann durch die vielen Vorteile der Produkte gut verargumentiert werden. Viele nachhaltige Labels bieten Infomaterial zu deren Produktion und zu den Arbeitsbedingungen vor Ort. Viele Kunden finden es sinnvoll und authentisch, wenn sich Händler mit sozialen Problemen und Umweltstandards auseinandersetzen. Wir würden uns wünschen, dass mehr konventionelle Händler unsere Messe besuchen und hier im direkten Austausch mit unseren Ausstellern ihren ganz persönlichen Zugang zu „Bio“ und „Fair” finden. Erstbesucher sind häufig begeistert, mit Infos und Ideen sowie viel Motivation nach Hause zurückgekehrt. Das Konzept der „Slow Fashion“ statt „Fast Fashion“ zieht immer mehr Menschen an.

CB: Warum bieten immer noch nicht so viele Händler Bio-Mode im Baby-Kinderbereich an?

AH: Viele denken, man brauche eine besondere Ausbildung, um „Bio“ verkaufen zu können. Aber zum Start reicht der gesunde Menschenverstand: je weniger Chemie, umso besser für Mensch und Natur. Und selbstverständlich wünschen wir uns alle menschenwürdige und faire Arbeitsbedingungen für die Textilarbeiter. Um viel mehr geht es im ersten Schritt gar nicht. Alles Weitere lernt man dann durch den Verkauf nach und nach dazu.

CB: Wie groß ist das Problem fälschlich ausgewiesener Bio-Bekleidungsprodukte – wie jüngst bei Kik, die ihre GOTS-gelabelten Produkte zurückrufen mussten? 

AH: Wie immer ist Vertrauen gut, aber Kontrolle besser. Wenn ein Discounter, der das Ziel hat, alles so günstig wie möglich zu verkaufen, „Bio“ anbietet, sollte man grundsätzlich hellhörig werden und doppelt prüfen, was dahinter steckt. Wir raten dazu, Bio-Kleidung dann auch im „nachhaltigen Umfeld“ einzukaufen, also bei einem spezialisierten Einzelhändler des Vertrauens. Und auch online gibt es einige intrinsisch motivierte, „tiefgrüne“ Shops.

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