Marken von heute handeln nachhaltig. Sonst sind sie von gestern. Mit diesen Worten setzt das Unternehmen Sanetta ein Statement. Eine Überzeugung, die erkennbar immer mehr Branchenakteure teilen. Zwar vollzieht sich keine Revolution, aber doch eine kontinuierliche Evolution.
Anfang der 1980er-Jahre – die Ökobewegung war auf ihrem ersten Höhepunkt – diskutierten Reinhard Maas und seine Frau Gisela Kaufmann-Maas im Geburtsvorbereitungskurs mit anderen Eltern über Plastikwindeln und schadstoffbelastete Textilien. „Schnell war uns in der Gruppe klar: Wir werden unsere Babys mit Baumwollwindel und Wickelhose wickeln.“ Ehepaar Maas kümmerte sich darum und nahm die erste Sammelbestellung entgegen. Die „Wickelkiste“, aus dem Keller des Maas-Wohnhauses verschickt, wurde zur Institution. Heute entwirft, produziert und vertreibt Maas Natur ökologisch und fair gefertigte Mode für die ganze Familie. Das Multichannel-Unternehmen mit Versandgeschäft und elf stationären Stores ist 140 Mitarbeiter stark und hat, so heißt es, über 70.000 Stammkunden.
Aber nicht jedes Start-up wird zu einer solchen Erfolgsstory; die Gründungsgeschichten indes ähneln sich, egal, ob es sich um einen Pionier aus den 80ern oder aktuellen Newcomer handelt. Das wird bei den Marken, die Childhood Business im Folgenden in Kurzform porträtiert, eindrucksvoll deutlich. Hinter den Eco-Labels stehen Mütter und Väter, die am Markt nicht fanden, was sie suchten. So schlossen sie die Lücke selbst. Auch Modedesigner, Bekleidungsingenieure und Co. wurden zu Gründern, weil sie nicht länger mittragen wollten, was sie in der konventionell arbeitenden Textilwirtschaft erlebten, zum Beispiel, wenn sie als Reisetechniker Betriebe in Fernost besuchten.
Das Marktangebot wächst, der Druck steigt
Zunehmend arbeiten auch etablierte Kindermode-Spezialisten daran, ihre Mode und Prozesse nachhaltiger zu gestalten – nicht nur aufseiten der Markenindustrie, sondern auch auf der des Einzelhandels, der „grüne“ Brands in seine Flächen integriert und somit das Geschäftsfeld nicht den reinen Concept Stores überlässt. Denn mit Blick auf die Zukunft könnte das fatal sein. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten: Die Aufgabe, die textile Kette ökosozialer auszurichten, wird die Branche unaufhaltsam weiter fordern. Wenn es nicht die Konsumenten sind, deren Sensibilität gerade, wenn es um die Kleinsten geht, vergleichsweise stark ausgeprägt ist, so werden sicher Non-Profit-Organisationen, Medien und Behörden den öffentlichen Druck aufrechterhalten. Wer kein Getriebener der Entwicklung sein möchte, der beschäftigt sich damit.
„Öko muss normal werden“, forderte Georg Dieners, Generalsekretär der Oeko-Tex Gemeinschaft, unlängst auf dem „Fair Fashion Summit“ während der Berlin Fashion Week. Dass nachhaltige Textilien aber nach nunmehr über 30 Jahren noch immer eine Marktnische darstellen, das hätte Reinhard Maas nicht gedacht. „In den letzten Jahren allerdings“, stellte er fest, „ging die Entwicklung beständig aufwärts, nochmals verstärkt seit der Tragödie von Bangladesch. Wir verzeichnen auch in diesem Jahr einen guten zweistelligen Umsatzzuwachs.“
Öko-Mode goes Fashion
Der Zuwachs dürfte auch daran liegen, dass Öko-Mode das „Jutesack“-Klischee, das sich lange Zeit hielt, längst nicht mehr bedient. Was heute angeboten wird, ist immer öfter Fashion, nicht selten dazu mit einer ganz besonderen Designhandschrift, ethisch und ästhetisch ein Gewinn. Ob Plissees aus Organic Cotton, Stonewash-Effekte bei Jeans oder vielfältige und auch kräftige Farben – sehr vieles ist inzwischen ökologisch realisierbar, auch wenn es noch immer die ein oder andere Einschränkung gibt. „Der Markt für Textilchemikalien und -technologien reagiert mittlerweile mit Hochgeschwindigkeit auf die Nachhaltigkeitsbewegung“, freut sich Marina Chaboune, die als Senior Project Manager Sustainability bei der Hessnatur Stiftung tätig ist. Somit eröffnet ökologische und fair produzierte Kidswear dem Handel aktuell in mehrfacher Hinsicht die Chance zur Profilierung.
Textilsiegel: Fluch und Segen
Das Angebot jedenfalls ist inzwischen groß. Auch das vom Handel geforderte Storytelling-Potenzial bringt die Mode mit Mehrwert mit. Allerdings auch einige Herausforderungen, sowohl für die Ein- als auch Verkaufsteams. Welcher Lieferant leistet was in puncto
Ökologie und Soziales? Welches Siegel am Produkt steht – glaubwürdig – wofür? Die Informationen darüber zusammenzustellen, zu bewerten und den Verkaufsmitarbeitern zu vermitteln ist ein höchst komplexes Unterfangen. Dr. Annette Hempel, die das Wolfsburger Modehaus Hempel führt und seit Jahren den Anteil nachhaltiger Mode am Sortiment stärkt, bestätigt: „Die Siegelflut, aber auch die Nichtnutzung von Siegeln erschweren die Einordnung von Marken. Nachhaltigkeit hat viele Facetten und jedes Brand reklamiert ein anderes Verständnis für sich.“
Textilsiegel unterstützen also beim Kauf nachhaltiger Mode, wenn sie angesichts ihrer Vielfalt nicht gerade verwirren. Über 150 verschiedene Labels loben auf dem europäischen Markt nachhaltige Mode aus. Keines davon hat sich bisher ähnlich durchsetzen können wie das Bio-Siegel im Lebensmittelsektor. Relativ breite Verwendung findet der Oeko-Tex Standard 100, der eher einen Mindeststandard darstellt. Bei allen, die mehr wollen, ist der Global Organic Textile Standard (GOTS) zur Nummer eins avanciert.
Jeder muss seinen eigenen Weg finden
Das Marktspektrum an Siegeln reicht von solchen, die lediglich auf Tests am Endprodukt basieren und Schadstofffreiheit oder die Hautverträglichkeit prüfen, bis hin zu solchen, die die gesamte Herstellungskette in den Blick nehmen. Manche legen den Schwerpunkt auf ökologische Aspekte, andere rücken Arbeitsschutz und soziale Herstellungsbedingungen in den Fokus. Wieder andere verbinden all das, bleiben aber auf Naturtextilien beschränkt. Und dann gibt es auch noch jene, die sich den Chemiefasern widmen. Einen konsensfähigen Alleskönner indes gibt es bisher nicht. So, wie es auch keine Adhoc-alles-wird-gut-Taste gibt. Jedes Unternehmen muss sich individuell auf den Weg machen.