Mehr Fläche, erneut mehr Aussteller und zahlreiche Besucher machen die Kind + Jugend zum Hotspot der Branche. Gute wirtschaftliche Grunddaten und die Geburtenentwicklung runden die Ausgangslage der Branche ab. Nun gilt es nur noch, den Kundengeschmack zu treffen.
Wer in den letzten Wochen mit Mitarbeitern der Hersteller aus der Hartwarenbranche gesprochen hat, verspürte ein sprichwörtlich emsiges Treiben. Wenn nämlich die Kind + Jugend naht, dann gilt es, die Produktneuheiten fertig zu haben, Bilder zu shooten, Materialien zu erstellen, den Messeauftritt zu planen und Termine zu machen. Denn die Messe für die Erstausstattungsbranche ist nicht nur die größte Branchenveranstaltung im deutschsprachigen Raum, sie gilt zudem als die wichtigste Messe ihrer Art weltweit.
Das belegen auch die Ausstellerzahlen in 2018, die rund 1.250 Anbieter ausweisen. 86 Prozent kommen aus dem Ausland, und zwar aus 53 Ländern. Dies bedeutet einen leichten Anstieg in beiderlei Hinsicht, also quantitativ und in Sachen Internationalität. Zwar stellt Deutschland mit über 160 Unternehmen naturgemäß mit die meisten Anbieter, was zu Platz zwei der Teilnehmerländer führt. Aber auch wenn man den deutschsprachigen Raum großzügig mit jeweils gut zehn Unternehmen aus Österreich und der Schweiz hinzuaddiert, erreicht die Region nicht die Anzahl der Aussteller aus China, die bei gut 210 liegen und es zusammen mit Firmen aus Hongkong und Taiwan auf über 300 bringen.
Auf den weiteren Plätzen folgen Großbritannien mit 97 Unternehmen, die Niederlande (71), die USA (67), Frankreich (66), Polen (55), Spanien (46), Belgien, Italien und Schweden (je 31), Korea (29), Dänemark und die Türkei (je 24), Australien (17) und Kanada (16). Wie immer stehen im Mittelpunkt des Interesses Innovationen und Trends. Und die Aussteller nutzen die Messe, um ihre neuesten Produkte und Kollektionen aus den Bereichen Kindermöbel, Sicherheitssitze, textile Ausstattungen, Kinderwagen, Hygieneartikel sowie Spielwaren und Mode für Babys und Kleinkinder vorzustellen.
Jedes namhafte Unternehmen, das in der Branche ernsthaft aktiv ist, stellt hier aus oder erwägt es zumindest. Dabei gibt es manche Branchengrößen, die sich gegen die Kind + Jugend entschieden haben. Und vermutlich gibt es dafür jeweils nachvollziehbare Gründe. Manche Unternehmen pausieren, müssen die verfügbaren Mittel in einem Jahr auch einmal in eine andere Richtung lenken oder haben aktuell keine relevanten Neuheiten in Vorbereitung.
Doch so manche Branchengröße, die sich bewusst gegen eine Teilnahme entschieden hat, scheint dann doch nicht so ganz ohne zu können. Das lässt sich daran ablesen, dass kleinere Anbieter wie Silver Cross oder große Konzerne wie Bugaboo und Stokke jeweils im gleichen Zeitraum in der Stadt zu Hotelschauen einladen. Das mutet exklusiv an, will am Ende aber den gleichen Fachbesucher erreichen, der nach Köln wegen der Messe anreist. Für diesen stellen die Termine außerhalb des Messegeländes aber eine Belastung dar, da die Wegezeiten unnütz vergeudet werden.
In den letzten Jahren legte nicht nur die Kind + Jugend von Ausgabe zu Ausgabe zu, sondern auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen boten Grund für eine insgesamt positive Aussicht. Die globale Finanzkrise wurde von Deutschland schneller und besser überwunden, als das in den meisten anderen europäischen Ländern der Fall war. Das war gut für die Binnennachfrage und auch das BIP stieg weiter an. Die Beschäftigungsquote ist hoch und die Konsumlaune positiv. Hinzu kam die erfreuliche Geburtenentwicklung, die mehrere Jahre in Folge anhielt. Nach rund 737.575 Geburten in 2015, die zuvor zuletzt im Jahr 2001 erreicht worden waren, wurden 2016 gar 792.131 Babys gezählt. Inzwischen liegen auch die Zahlen für 2017 vor und weisen einen leichten Rückgang auf 784.884 Geburten aus.
Dabei steigt die Rate der Neugeborenen von Müttern über 35 Jahren auf rund ein Viertel. Das resultiert nach Ausführungen von Michael Neumann, Vorstand des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller (BDKH), während der Pressekonferenz der Kind + Jugend Anfang September 2018 aus längeren Ausbildungszeiten, einer beruflichen Fokussierung und einer besseren Reproduktionsmedizin. Für die Branche ist das durchaus von Vorteil, da besser gebildete Frauen finanzstärker sind und gut informiert auf höherwertige Produkte setzen.
Der Branchenumsatz steigt
Neumann zitierte aus einem aktuellen Bericht des IFH zur Baby- und Kinderausstattungsbranche, wonach das Segment eine Wachstumsbranche bleibe. Der Umsatz kletterte 2017 auf 7,33 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Allerdings muss man bei derartigen Studien möglichst genauer hinschauen. In den Gesamtumsatz fallen auch die Bereiche Bekleidung und Schuhe – und das auch für Kinder jenseits des Babyalters.
Ein Drittel, rund 2,5 Milliarden Euro, entfalle auf Hartware, die allerdings auch eine Reihe von
Grenzbereichen wie Kinderfahrräder enthält, die nur in Teilen dem Laufl ernbereich der Kleinkinder zuzurechnen sind. Der Bundesverband Spielwaren ( BVS)errechnet daraus rund 1.097 Euro, die jährlich pro Kind im Alter von bis zu drei Jahren durchschnittlich ausgegeben werden. Der BVS lieferte wie in den vergangenen Jahren Absatzzahlen zu Produktsegmenten, die seit der Gründung des BDKH eigentlich eher in dessen Zuständigkeitsbereich fallen, und vermeldet 853.600 verkaufte Kinderwagen inklusive Buggys in 2017. Damit legte der Absatz gegenüber dem Vorjahr mit 819.000 um 34.600 Kinderwageneinheiten zu. 2015 lag der Absatz bei 810.000 Stück.
Die von Interconnection Consulting ermittelten Angaben weisen für den Bereich der Autokindersitze in 2017 ein Plus von zwei Prozent aus. Insgesamt sollen 2,485 Millionen Sitze verkauft worden sein, nach 2,415 Millionen in 2016 und 2,365 Millionen in 2015. Interessant ist nach Angaben des BVS, dass der wertmäßige Anteil von i-Size-Sitzen im ersten Halbjahr 2018 auf zehn Prozent des Verkaufsumsatzes gestiegen sei. Der Durchschnittspreis von i-Size-Sitzen wird mit 289 Euro angegeben – gegenüber 90 Euro, wenn man den Durchschnittspreis aller Autokindersitze inklusive der sehr günstigen Sitzerhöhungen hernimmt.
Bei Spielzeug für die Kleinsten konsolidierte sich nach den überdurchschnittlichen Wachstumsraten in den Vorjahren der Markt in 2017. Während der Spielwaren-Gesamtmarkt sich 2017 stabil entwickelte, ging der Umsatz bei Spielzeug für unter Dreijährige um 6,6 Prozent zurück. Zählt man alles, was laut einer vom BVS zitierten Statistik der NPD Group für unter Dreijährige gekauft wird, gaben die Deutschen 494 Millionen Euro in 2017 aus, nach 529 Millionen Euro in 2016 und 525 Millionen Euro in 2015.