Kinderwagen unter Strom

Die Motorsensoren erkennen Steigungen und Gefälle, unterstützen den Nutzer beim Schieben durch halbautomatisches Fahren – und bremsen den Wagen automatisch ab, sobald er auf einer abschüssigen Strecke ins Rollen gerät.
Die Motorsensoren erkennen Steigungen und Gefälle, unterstützen den Nutzer beim Schieben durch halbautomatisches Fahren – und bremsen den Wagen automatisch ab, sobald er auf einer abschüssigen Strecke ins Rollen gerät.

In den letzten Jahren standen bei Kinderwagen vor allem modische Stoffe, Klappmechanismen, Faltmaße und das Gesamtgewicht im Vordergrund. Neue E-Modelle könnten der Branche einen innovativen Schub geben, ganz nach dem Vorbild von E-Bikes.

Auf der Kind + Jugend gab es in diesem Jahr ein Kopf-an-Kopf-Rennen um eine technologische Neuerung, die ab dem kommenden Jahr im Kinderwagenbereich Einzug halten wird. Die Rede ist von e-Kinderwagen, also Modellen, die die Eltern beim Schieben oder Bremsen durch einen eingebauten Elektromotor unterstützen.

Sowohl Emmaljunga, in Kooperation mit dem weltweit agierenden Autoteilezulieferer Bosch, mit dem „NXT90e“ als auch Cybex mit dem „ePriam“ hatten im September 2018 auf der Kölner Messe Prototypen vorgestellt. Völlig überraschend kommen die Vorstöße für die Wettbewerber nicht. Denn Bosch hatte mehrere von ihnen auf die von dem Unternehmen entwickelte Antriebsidee in Verbindung mit einer aus dem Handwerkerbereich eingeführten Akku-Lösung des Hauses angesprochen.

Der „ePriam“ von Cybex soll bereits im Frühjahr 2019 erscheinen.
Der „ePriam“ von Cybex soll bereits im Frühjahr 2019 erscheinen.

Emmaljunga hat sich als Launch-Partner qualifiziert und wird bis zu einem halben Jahr nach der Markteinführung exklusiver Partner sein. Danach erhalten erneut weitere Hersteller die Möglichkeit, die Bosch-Technik auch in ihre Modelle zu integrieren. Cybex hingegen hat sich für eine Eigenlösung entschieden. Der inzwischen zum chinesischen Konzern Goodbaby gehörende, ehemals deutsche Hersteller hat sich dem Vernehmen nach die Bosch-Lösung präsentieren lassen, vertraut aber bei der Umsetzung auf eigene Ingenieure. Von daher wird Cybex nicht nur parallel zu Emmaljunga, sondern wahrscheinlich sogar noch vorher auf den Markt kommen. Das schwedische Familienunternehmen muss die Bosch-Lösung in die Fertigung und dabei sowohl die exzeptionelle Qualität eines Autozulieferers als auch dessen Prozesskomplexität integrieren.

Eine Erstauslieferung ist nicht vor Ende 2019, vielleicht sogar erst für 2020 zu erwarten. Im Grunde kein schlechtes Timing, wenn man den Handel sorgsam vorbereiten und Nachfrage erzeugen will. Doch Cybex wäre nicht Cybex, wenn es bei der Vorstellung des Modells auf der Messe nicht bereits Einkäufer an Testmodelle hätte Hand legen lassen, um zugleich ein Fotografierverbot aufzuerlegen. Und auch wenn noch manche Feinheiten der endgültigen Fertigung ausstanden, wurde ein Erstverkauf für das erste oder zweite Quartal 2019 in Aussicht gestellt.

Die Zeit ist reif

Der „Origami“ von 4moms legt sich nicht nur auf Knopfdruck zusammen, er verfügt auch über Lampen an den Vorderreifen und eine LCD-Anzeige für Thermometer, Tachometer, Wegstrecken- und Zeitmesser sowie Sicherheitssensoren, die sich über Generatoren in den Hinterrädern aufladen lassen.
Der „Origami“ von 4moms legt sich nicht nur auf Knopfdruck zusammen, er verfügt auch über Lampen an den Vorderreifen und eine LCD-Anzeige für Thermometer, Tachometer, Wegstrecken- und Zeitmesser sowie Sicherheitssensoren, die sich über Generatoren in den Hinterrädern aufladen lassen.

Schon vor Jahren gab es so manche Versuche, doch die Technik war noch nicht ausgereift. Nicht nur die allgemeine Miniaturisierung elektronischer Bauteile und eine immer ausgefuchstere Batterietechnologie haben die Zeit für „eStroller“ reif werden lassen. Auch die zunehmende Verbreitung von Fahrrädern mit Elektroantrieb und deren breite Akzeptanz bereiten den Boden. 

Bereits vor zwei Jahren hatte im Netz eine Crowdfunding-Idee unter dem Namen Smartbe auf Indiegogo.com auf sich aufmerksam gemacht. Doch das in Videos vorgestellte Modell des argentinischen Unternehmers Guillermo Moro, das angeblich Jogger selbstfahrend begleiten sollte, hat zwar fast 100.000 US-Dollar eingeworben und das Projektziel finanziell erreicht. Allein von der Umsetzung hat man seitdem nichts mehr gehört. Zu einer Anfrage der Redaktion, betreffend den Stand des Projekts und der Verwendung der eingeworbenen Gelder, äußerte sich Morro bis Redaktionsschluss nicht. 

Verlässliche Anbieter

Der Wagen „Mayfair“ vom britischen Start-up Heetee ist ein kleines Technikwunder. Der beheizbare, selbstregulierende Sitz, ein Flaschenwärmer, ein USB-Port und eine Station zum Andocken des Tablets gestalten Ausflüge besonders komfortabel. Die notwendige Energie erzeugt der Wagen beim Schieben ganz von selbst.
Der Wagen „Mayfair“ vom britischen Start-up Heetee ist ein kleines Technikwunder. Der beheizbare, selbstregulierende Sitz, ein Flaschenwärmer, ein USB-Port und eine Station zum Andocken des Tablets gestalten Ausflüge besonders komfortabel. Die notwendige Energie erzeugt der Wagen beim Schieben ganz von selbst.

Handfestes dürfen Handel und Verbraucher hingegen von Cybex und Emmaljunga erwarten. Manche Funktionalität mag sich zwar noch entwickeln, aber die Grundidee ist klar: Die Kinderwagen sollen nicht autonom durch die Straßen düsen, sondern beim Schieben unterstützen. Während beide Anbieter bergan den Antrieb hochfahren und bergab den Wagen abbremsen, will nur Emmaljunga einen auf abschüssigem Gelände aus der Hand geratenen Wagen stoppen. Das Cybex-Modell verzichtet auf diese Funktionalität – einmal losgelassen, würde der Wagen Fahrt aufnehmen. Begründet wurde das mit dem Aspekt „Sicherheit“: Da auch die Batterie mal leer sein könne und dann der Notstopp nicht funktionieren würde, verzichte man gänzlich auf ihn.

Klug konzipiert, könnten Funktionen per Update nachgeladen werden. Gespannt auf die kommenden Entwicklungen darf die Branche allemal sein. 

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