Pitti Bimbo: schlechter Start in die Ordersaison SS25

Die 99. Ausgabe der Pitti Bimbo stellt sich leider ein großer Schritt rückwärts dar. Denn während sich die meisten Messen von der Corona-Delle erholen, bricht das Ausstellerfeld der Pitti Bimbo wieder ein. Und das deutlich.

Weit entfernt von den vormals rund 550 bis in der Spitze knapp über 600 Labels, die den Weg nach Florenz fanden und die immer umtriebige, äußerst belebte und stets inspirierende Veranstaltung ausmachten, sind es zuletzt gerade mal so gut 200 Marken gewesen, die vor dem Hintergrund der Geschichte der Pitti Bimbo und trotz stattlicher Ausstellungskosten in Italien weiterhin ausstellen.

Schon Anfang 2024 sank das Markenaufgebot um knapp neun Prozent von, 233 auf 208 Marken, zurückgegangen. Um die Schwelle von 200 Brands zu schaffen, wurde im Januar allerdings ein etwas seltsam anmutender Kunstgriff angewandt. So wurde ein neues Segment eingeführt – und zwar “PittiPets”.

Doch wurden hier nicht etwas Kuscheltiere oder Betthasen vorgestellt, sondern “Fashion für den Hund”. Es reichte also nicht mehr, was man als Kindermodelabels ins Haus holen konnte. Dass aber ein Segment wie “Textiles für Hund und Katze” neue Besucher aus der Welt der KIKO-Einkäufern anlocken könnte, dürfte zu Recht bezweifelt werden.

Nun also startete heute die 99. Ausgabe der Pitti Bimbo, also zusagen die Vorpremiere zum größeren 100. Jubiläum der Messe Anfang 2025. Aber anstatt mehr Mode und weniger Getier gibt es diesen Sommer noch weniger Zuspruch von den Ausstellern.

Impressionen von der 99. Pitti Bimbo im Juni 2024
Impressionen von der 99. Pitti Bimbo im Juni 2024. Foto: Pitti Bimbo

Gerade mal 139 Labels sind vor Ort. Andere Messen sind an einem derart geringen Bouquet verschieden, da sich ein Besuch für Einkäufer immer weniger lohnt. Denn jeder hat ein etwas anderes Sortiment, schaut nur auf einen Teil des Gesamtangebots und kann mit dem anderen in der Regel konkret nichts anfangen.

Ist die Brand-List einer Veranstaltung erst derart ausgedünnt, sind eine Anreise, Übernachtungen und drei Tage Off-Office wirtschaftlich einfach nicht mehr zu rechtfertigen.

Als in Amsterdam nach der Sommerausgabe 2017 die Lichter für die Kleine Fabriek ausgingen, reichten die zuletzt 192 Labels nicht mehr aus, eine Zukunftsperspektive zu bieten.

Pitti Bimbo: Anzahl der Marken im Saisonverlauf. Stand: 2024 06 18
Anzahl der Marken auf der Pitti Bimbo im Saisonverlauf. Stand: 18. Juni 2024. Quelle: Childhood-Business-Fair-Database

Bei der Bubble London waren es zuletzt im Januar 2018 noch 174 Marken – und danach war Schluss.

Einer der Vorteile der Pitti Bimbo ist die Einbettung in die Wirtschaftsförderung von Stadt und Land. Das hilft bei den Kosten, das hilft, die 100. Ausgabe mit Sicherheit noch durchzuführen, und natürlich hilft es dabei, Verwerfungen nach Corona wirtschaftlich durchzustehen.

Doch Corona ist vorbei, die Welt dreht sich weiter und die Zeiten ändern sich. So dürfte die Schwäche der Pitti Bimbo in ihrer einstigen Stärke begründet liegen. Denn die war darin begründet, sich auf das Premiumsegment ausgerichtet zu haben und stark von dem Zuspruch russischer Einkäufer beziehungsweise Einkäufer für Destinationen mit russischen Kunden gelebt zu haben.

Daher ist der russische Krieg gegen die Ukraine mit all seinen Auswirkungen – von wirtschaftlichen Einbußen, geringem Jetset-Gereise und einer gewissen Ächtung des Geschäfts mit dem eisigen Osten – ein bitterer Hemmschuh.

Hinzu kommt, dass auch Großbritannien mit seiner kaufkräftigen Klientel aus dem Großraum London nach dem Brexit keine einfache Destination geworden ist, da der Im- und Export für viele Marken wenigstens sehr aufwendig, wenn nicht sogar unwirtschaftlich geworden ist.

Der italienische Binnenmarkt allein reicht nicht aus, um Ausstellern eine erfolgreiche Messe zu bereiten. Denn gemeinsam mit einem durchaus als hochnäsig empfundenen Selektionsprozess, den Interessierte durchlaufen müssen, den einhergehenden happigen, mithin hohen Kosten einer Teilnahme reicht es eben nicht, mehr Messe als Ordertermin zu sein.

Was in guten Zeiten durchgeht, wird in anstrengenden Phasen mit einem viel gespitzteren Bleistift nachgerechnet.

Nicht einmal die nationalen Matadoren wie Il Gufo oder Monnalisa sind noch da. Auch die verlässlichen, von der ASEPRI protegierten Spanier wie Boboli oder Mayoral bleiben inzwischen fern.

Dabei ist Italien doch eine Modenation, ein Land mit starker Exportmotivation. Doch was in Mailand in den Luxus-Etagen der Modewelt fast nur zugeteilt wird, bedarf in Florenz eben doch einer ausreichend großen zureisenden internationalen Einkäuferschaft. Und die – fehlt. Und kann mit knapp 140 Marken auf derart schmale Kost gesetzt keinen Reiseappetit entwickeln.

Last but not least fehlen natürlich auch einige Player aus dem Markt – Einkäufer großer Warenhausketten wie von Karstadt, Kaufhof und vom Kadewe sowie so mancher Online-Player, deren Geschäft derzeit ebenfalls eher im Rückwärtsgang steht – und sich lieber besuchen oder elektronisch vorlegen lassen, als dass sie die Reise nach Florenz antreten.

Auch hilft es nicht, die Verbindung in die europäischen Märkte abreißen zu lassen, indem Ansprechpartner entschwinden oder die Vorabmeldungen zur Messe nur noch in Italienisch verschickt werden.

Immerhin freut es, wenn manche Marken, darunter die von Püttmann gefertigten und erfolgreich an Kundschaft aus dem Mittleren Osten vertriebenen Marken wie Aigner Kids und Escada Girls melden, dass die Pitti für sie weiterhin die wichtigste Ordermesse ist.

Doch andere deutsche Aussteller haben sich komplett abgemeldet – darunter Blue Effect und Blue Seven, Maximo und selbst Infantium Victoria, ein zumindest zur Hälfte deutsches Label, das seinen ganz eigenen Stil aber nur mit internationaler Klientel ans Kind bringen kann.

Die Pitti Bimbo ist noch nicht tot. Mitnichten. Aber sie siecht. Und es gilt, wirtschaftlich kreativer, partnerschaftlicher und effektiver zu werden, wenn sie die kommenden fünf Jahre überleben will.


Newcomer auf der Pitti Bimbo im Sommer 2024

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