Der Markenname Joolz ist eine Anlehnung an den englischen Begriff „Jewels“. Im April dieses Jahres griff die belgische Investmentfirma Gimv nach ebendiesen Juwelen. Childhood Business sprach mit Gründer Emile Kuenen.
Childhood Business: Erzählen Sie, wie Sie auf die Idee kamen, das Unternehmen Joolz zu starten.
Emile Kuenen: Bis wir Ende 2007 mit unserem ersten Kinderwagen auf den Markt kamen, gab es meiner Meinung nach einfach keinen guten Kinderwagen am Markt. Ich habe zwar selbst noch immer keine Kinder, aber mit Freunden von mir diskutierten wir bereits 2004 darüber, was sie ihrerseits als junge Eltern vermissten. Das waren zum Beispiel höhenverstellbare Handgriffe, zu denen sich großgewachsene Eltern nicht ständig herabbeugen müssen. Zum Zusammenklappen hatte man auch immer erst die Sitzeinheit abnehmen müssen. Ein weiterer Kritikpunkt war, dass die Sitzeinheit sich nicht an das Wachstum des Kindes anpassen ließ. All das packten wir schon damals in den „Joolz Day“ – und jetzt haben wir zur Kind + Jugend in diesem Jahr unseren neuen „Joolz Day2“ gelauncht. Ab Winter ist er erhältlich und startet ab 999 Euro. Wir machen also da weiter, wo wir gestartet sind.
CB: Ich stelle es mir schwer vor, ein Produkt für Eltern und Kinder zu machen, wenn man selbst nicht Vater eines Kindes ist.
EK: Im Gegenteil – ich halte das sogar für einen Vorteil, weil man unvoreingenommen ist. So müssen wir viel genauer zuhören, welche Bedürfnisse existieren, und überlegen, welche körperlichen Anforderungen zu berücksichtigen sind. Weitere Kriterien entwickeln wir zudem in regelmäßigen Fokusgruppen, wo wir ebenfalls genau zuhören. Kleinere Verbesserungen können wir meist in der kontinuierlichen Produktion umsetzen, größere Veränderungen haben wir in den neuen „Joolz Day2“ gepackt.
CB: Wie sehen Sie die Entwicklung im Segment der Premiumkinderwagen?
EK: Ich glaube, es geht sehr um eine intuitivere Bedienung, denn meist nutzen ja gleich mehrere Personen einen Kinderwagen – die Eltern, Großeltern und oft auch Freunde. Wenn Sie dann einen Wagen haben, der erst jeweils zehn Minuten lang erklärt werden muss, ist das ein Nachteil. Auch eine schnellere Auslieferung ist von Bedeutung. Den neuen Day2 lassen wir in den Niederlanden fertigen. Ein Vorteil ist auch, dass wir eine bessere Umweltbilanz haben, da wir nicht aus Fernost herantransportieren. Und auch die Qualitätssicherung lässt sich durch die kurzen Abstimmungswege auf noch höherem Niveau sicherstellen. Ursächlich dafür war, dass wir nicht von einem Lieferanten allein abhängig sein wollten. Als wir uns dazu auf die Suche machten, fragten wir uns, warum wir nicht gleich in Holland produzieren lassen. Uns gehören dabei alle Spritzgussformen, sodass wir diese im Notfall kurzerhand zu einem anderen Produzenten mitnehmen können. Und wenn wir in den USA künftig stark wachsen, könnte es durchaus sein, dass wir dann auch dort produzieren lassen.
CB: 2015 erwirtschafteten Sie mit rund 70 Mitarbeitern rund 23 Millionen Euro Umsatz. Sie haben angekündigt, weltweit die Top-3-Position im Bereich der Premiumkinderwagen anzustreben und den Umsatz in den kommenden fünf Jahren zu verdreifachen. Wie das?
EK: Wir sehen uns im Premiumsegment mit Wettbewerbern wie Bugaboo, Cybex oder lokalen Heroes. In Holland sind wir schon Marktführer. Wir legen im deutschsprachigen Raum stark zu, ebenso in Großbritannien. In Tschechien sind wir bereits Nummer eins, in Australien Nummer zwei oder drei. Aktuell sind wir bereits in knapp 30 Ländern in Europa, Asien und Australien vertreten. Wachstumschancen sehen wir vor allem im High-End-Bereich, wo wir schon recht stark sind, weniger im Low- und Midprice-Segment. Wir sind bisher schon stark gewachsen und sehen das Upside-Potenzial aus unseren bisherigen Investitionen in die Märkte noch ganz am Anfang. Wir investieren kein großes Geld, um uns auf diese Weise schnell Marktanteile zu kaufen, sondern geben uns Zeit, um mit Celebrities und anderen Markenbotschaftern sowie deren jeweiligen Netzwerken zusammenzuarbeiten. Diese Multiplikatoren bereiten uns den Weg in den Markt. Das kostet zwar Zeit, aber wir setzen auf dieses Empfehlungsmarketing, anstatt einen rein monetären Werbedruck aufzubauen.
CB: Haben Sie im Frühjahr 2016, als sich die Investmentgesellschaft Gimv mit 40 Prozent an Joolz beteiligte, zusätzliche Geldmittel für diese Expansion erhalten?
EK: Nein, Gimv hat lediglich den 30-Prozent-Anteil eines stillen Gesellschafters übernommen, der seit 2008 an Bord war und nun aussteigen wollte. Und ich habe auch noch ein paar Anteile abgegeben. Wichtig aber ist, dass mein Kompagnon Stan Vermeulen und ich weiterhin Mehrheitsgesellschafter sind. Und Gimv ist nicht aktiv im Management, sondern unterstützt unseren im letzten Jahr entwickelten Fünfjahresplan durch anderes, wie zum Beispiel juristischen Input oder bei der Organisationsentwicklung. Davon können wir sicherlich bei unserer internationalen Expansion profitieren.
CB: Welche Märkte stehen für Sie auf der Agenda?
EK: Wir gehen jetzt auf den amerikanischen Markt und versprechen uns davon sehr viel. Wir haben schon Joolz Inc. gegründet und sind mit fünf Mitarbeitern präsent. Das machen wir zumeist mit „Locals“. Und auch wenn wir bereits in Asien sind, wollen wir künftig zum Beispiel in China mehr Attention setzen. Dabei verlangt der Markt nach angepassten Produkten. Allein schon deshalb, weil die Menschen dort im Durchschnitt kleiner sind. Aber auch unsere europäische Expansion – zum Beispiel im letzten Jahr nach Frankreich oder Spanien – bedarf noch immer unserer vollen Aufmerksamkeit.
CB: Setzen Sie bei der internationalen Expansion auf eigene Teams oder auf die Zusammenarbeit mit Distributoren?
EK: Wir setzen stark auf eigene Teams und unsere „Winning-Formula“. Dabei starten wir mit unabhängigen Fachhändlern, geben ihnen unsere gesamte Aufmerksamkeit und bieten intensive Schulungen an. Wenn auf dieser profunden Basis der Streetfactor einschlägt, dann binden wir auch die nationalen Fachmarktketten ein. Das ist eine eher langsame Marktbearbeitung, aber wir glauben daran, dass wir so eine nachhaltigere Basis schaffen. Wir hatten das früher in einigen Märkten anders gemacht. Da dachten wir, wenn wir mit einer großen Kette starten, sind wir gleich landesweit vertreten und starten sofort groß durch. Tatsächlich kommt es auf den einzelnen Fachverkäufer an: „The seller makes it or breaks it“. Auch wenn diese, zumindest in Deutschland, auch in den Ketten oft sehr versiert sind, ist das in vielen Ländern meist anders.
CB: Gibt es viele Unterschiede zwischen den Zielmärkten?
EK: Oh ja, das beginnt bei der Größe. Denken Sie nur an China und Amerika. In den USA wird auch ein Tablett für Lebensmittel nachgefragt. In England werden andere Farben bevorzugt als in Deutschland. Und auch die Wetterbedingungen erfordern unterschiedliche Ausstattungen, ganz gleich, ob es sich um mehr Sonne, Regen oder Schnee handelt.
CB: Herr Kuenen, vielen Dank.