Shoppen muss mehr Freude machen

Der textile Einzelhandel ist unter Druck: ­veränderte Konsumbedürfnisse, Online-Shopping statt Innenstadtbesuche sowie harter Preis­wettbewerb durch digitale Wettbewerbsgiganten. Daher gilt es, mit einer unterscheidbaren Sortiments­zusammenstellung, Mitarbeiter mit hoher Beratungs­kompetenz und einer engagierten Inszenierung des Einkaufsumfelds zu ­punkten. Beispiele vom Umgang mit ­diesen Herausforderungen.

Autor:  Thomas Luther

Gemunkelt wurde darüber im lokalen Einzelhandel schon lange. Doch dann ging es nach 32 Jahren am Ende überraschend schnell. Ende März hat SinnLeffers seine beiden Häuser am Standort Gelsenkirchen-Buer geschlossen. Offizielle Begründung: Instandhaltungsmängel in den Gebäuden. Doch tatsächlich belegt die Schließung, welch radikalen Umbruch der stationäre Handel derzeit erlebt. „In Innenstädten wie Buer ist Textileinzelhandel in seiner bisherigen Form nicht mehr zu betreiben“, sagte Michael Weiser, Vertreter der Eigentümerfamilie beider Immobilien, in einem Zeitungsinterview. Auch wenn er in diesem Konflikt Partei ist, viel spricht dafür, dass er recht hat. Fast alle Handelsexperten sind sich darüber einig, dass das „Alles unter einem Dach“-Konzept im Bekleidungsgeschäft heute nicht mehr funktioniert. Händler, die das gesamte Spektrum von der Kinder- über Jugendmode bis hin zu modebewussten Senioren anbieten, bekommen zunehmend Probleme. Große Flagship-Stores laufen nur noch auf der grünen Wiese oder in den Metropolen. Insgesamt werden Verkaufsflächen reduziert. „Selbst C&A und P&C gehen heute nicht mehr in die dritte oder vierte Etage“, beobachtet Weiser.

Großes ganz klein, oder Kleines riesengroß: Mit überraschenden Proportionswechseln lassen sich ebenfalls aufmerksamkeitsstarke Hingucker gestalten. Ein Beispiel sind die großen Brillenkleider­ständer, die Millington Associates für einen Pop-up-Store von Stella McCartney entworfen hat.
Großes ganz klein, oder Kleines riesengroß: Mit überraschenden Proportionswechseln lassen sich ebenfalls aufmerksamkeitsstarke Hingucker gestalten. Ein Beispiel sind die großen Brillenkleider­ständer, die Millington Associates für einen Pop-up-Store von Stella McCartney entworfen hat.

Chancen auf Dauer haben nach Einschätzung der GfK nur gut positionierte kleinere und mittlere Shops mit klarem Konzept und fokussiertem Sortiment. Die meisten Kinder- und Jugendmodeeinzelhändler scheinen vor diesem Hintergrund mit ihrem Ladengeschäft grundsätzlich gut aufgestellt. Doch das allein reicht nicht, um sinkenden Umsätzen und einer schwächelnden Kundenfrequenz entgegenzuwirken. Zu groß ist für die Kunden die Versuchung, bequem vom heimischen Sofa aus online zu shoppen. Die entscheidende Frage lautet daher: Wie bekomme ich den Kunden weg vom Tablet, PC und Smartphone hin in den Laden?

Gerade im beratungsintensiven Verkauf von Kinder- und Jugendmode hat der stationäre Handel einige Trümpfe in der Hand, die er dabei ausspielen kann: der persönliche Kontakt zu realen Verkäufern, meist sogar zum Inhaber selbst, die Möglichkeit zur Anprobe der Ware und damit die Gewissheit, dass dem Nachwuchs die Kleidung nicht nur gefällt, sondern auch passt und die Qualität stimmt. Und nicht zuletzt das sinnliche Erlebnis vor dem Schaufenster und im Shop selbst.

Doch gerade am Look & Feel gilt es zu feilen. Viele Inhaber versäumen es, den eigenen Shop an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und neu zu justieren. Ein entscheidendes Element gerade im Bereich Kidsware: das Storekonzept und die Gestaltung des Ladens. Es gilt, die passende Atmosphäre zu schaffen und die Waren ansprechend, sinnlich und zielgruppengerecht zu präsentieren. Nur so lassen sich die Umsatzzahlen stabil halten. Ein effektiv umgesetztes Retail Design fördert zudem die Kundenbindung.

Dabei gilt es, das eigene Kreativ­potenzial abzurufen und die komplette Bandbreite der Maßnahmen rund um die absolute Kundenorientierung am Point of Sale ständig neu zum Einsatz zu bringen. Ein klares Thema und die Berücksichtigung einiger psychologischer Faktoren helfen dabei, dass sich sowohl die jungen Kunden als auch ihre Eltern wohlfühlen. Es gilt, eine Balance zwischen frischer Innovationsfreude, aber auch einer Verlässlichkeit in Kombination mit Tradition und regionaler Verwurzelung zu finden.

Ein Patentrezept dafür gibt es nicht. Aber die Emotionialisierung ist das Pfund, mit dem der stationäre Kinder- und Jugendmodehandel wuchern muss. Wie das aussehen kann, zeigen Blicke in gelungene Store-Inszenierungen. Hier gibt es ein reichhaltiges Ideenspektrum zu beobachten, das von klassischen Märchenwelten hin zu U-Boot- oder Raumschiff­installationen reichen kann. Auch ein Blick in die „Erwachsenenwelt“ liefert hilfreiche Inspirationen und sinnvolle Hinweise – zum Beispiel der Laden von Hellner Moden in Westerland auf Sylt, der vom Handelsverband Deutschland (HDE) als „Store of the Year 2016“ in der Kategorie Mode ausgezeichnet wurde. Das Unternehmen hat damit gepunktet, dass es seinen Standort auf der Insel perfekt in seine Architektur und den Shop integriert hat. Die Decken bestehen teilweise aus Reet, an den Wänden hängen Fotos vom Meerblick und der Laufweg durchs Modehaus ist ein Holzsteg, während der Boden in Sandoptik gehalten ist. So bildet der Laden das maritime Flair des Umfeldes ab.

Der Preisträger aus dem Vorjahr, das Unternehmen Pier 14 auf Usedom, fährt vordergründig ein vollkommen anderes Konzept. Hier werden Gastronomie und Handel in einer modernen Architektur vereint. Und doch gibt es Elemente, die beide Läden miteinander gemein haben: Authentizität, Originalität, überzeugende Architektur sowie ansprechende Optik und Sinnlichkeit der Shopgestaltung.

Ein modernes, zielgruppengerechtes Ladenkonzept ist dabei nicht zwangsläufig mit hohen Investitionen verbunden. „Emotionalisierung muss nicht teuer sein“, davon ist auch der österreichische Konzeptentwickler Christian Mikunda überzeugt.

Auf nahezu magische Weise wecken großflächig farblich gestaltete Verkaufsflächen die Neugier der Passanten. Der ungewöhnliche und auch dominante Eindruck muss dabei freundlich und spielerisch in Szene gesetzt werden. Ein Beispiel dafür stammt aus dem Büro PLY Union, geschaffen für Pedder on Scotts in Singapur. Die in warmen Tönen gehaltenen und mit flauschigem Wollgarn überzogenen Lampenschirme wollen aus der Nähe betrachtet werden – und schon stehen die Kunden im Geschäft. Auch lustige Installationen wie der Riesenwurm (siehe Beitragsbild) wecken die Neugier.
Auf nahezu magische Weise wecken großflächig farblich gestaltete Verkaufsflächen die Neugier der Passanten. Der ungewöhnliche und auch dominante Eindruck muss dabei freundlich und spielerisch in Szene gesetzt werden. Ein Beispiel dafür stammt aus dem Büro PLY Union, geschaffen für Pedder on Scotts in Singapur. Die in warmen Tönen gehaltenen und mit flauschigem Wollgarn überzogenen Lampenschirme wollen aus der Nähe betrachtet werden – und schon stehen die Kunden im Geschäft. Auch lustige Installationen wie der Riesenwurm (siehe Beitragsbild) wecken die Neugier.

Symmetrie schafft Glamour

Viele Tage im Jahr ist er rund um den Globus unterwegs, um sich neue Shopkonzepte anzuschauen. Dabei hat er einfache psychologische Tricks entdeckt, die beim Betreten des Stores dafür sorgen, dass sich Kunden gleich wertgeschätzt fühlen. „Symmetrie schafft Glamour“, lautet zum Beispiel sein Credo. Statt wuchtiger Säulen oder einer kühlen Glas-Stahl-Optik können Stoffvorhänge, farbige Schals oder bunte Stellwände einen Gang effektvoll und sinnlich inszenieren. Ladenbau muss seiner Einschätzung zufolge als temporäre Architektur verstanden werden. „Auch wenn das die Architekten natürlich anders sehen.“

Doch egal wie glamourös das Ladendesign auch ist. „Die anfängliche Kaufentscheidung erfolgt heute immer seltener vor Ort im stationären Handel“, ist Tobias Humpert von der Unternehmensberatung Hachmeister+Partner überzeugt. Seiner Einschätzung zufolge suchen Kunden heutzutage gut vorabinformiert und gezielt einen bestimmten Laden auf. Allein die bloße Verfügbarkeit der Waren spielt dabei nicht die entscheidende Rolle. Er empfiehlt Händlern daher eine zweigleisige Strategie, die Emotionalisierung und Digitalisierung miteinander vereint. „Das heißt, den Kunden noch freundschaftlicher und personalisierter ansprechen – und entsprechend das individuelle Wissen über ihn ausbauen“, so Humpert auf dem BTE-Kongress zum Thema „Fashion-Emotion 3.0“. Seiner Meinung nach gilt es für den stationären Handel, das digitale Angebot zu erweitern und so kanalübergreifende Einkaufs­erlebnisse zu schaffen

Was allerdings nicht vergessen werden sollte: Ein wichtiger Faktor sind über das räumliche Shopkonzept hinaus die Mitarbeiter. Von ihnen hängt es ab, wie stark sich das Verkaufserlebnis emotional aufladen lässt. Motivation, Kompetenz und ein guter Corpsgeist sind dabei die Erfolgsfaktoren. „Unser Ziel ist es, Menschen, aus ihrem Alltag zu holen und zum Träumen zu bringen“, sagt zum Beispiel Ellen Wigner, Inhaberin des Concept-Stores Erlebe Wigner! im fränkischen Zirndorf. Dazu verwandelt sie ihren gut 1.600 Quadratmeter großen Laden regelmäßig in eine Event-Location, bietet Handarbeits-Workshops, Auftritte und Trainings mit bekannten Marken­botschaftern, Lesungen und Mottopartys an, für die die Teilnehmer sogar zahlen müssen. Dazu kommt ein selbst produziertes Modemagazin, das zwei Mal pro Jahr erscheint. Darin präsentiert sie die neuesten Kollektionen. Der Clou dabei: Nicht etwa Models präsentieren die Kleidung, sondern alle 45 Mitarbeiter. Das geschieht immer unter einem bestimmten, übergreifenden Thema. Für den Kinder- und Jugendmode­bereich kann das zum Beispiel „Film“ oder „Literatur“ sein. Warum also nicht einmal in der Rolle von Luke Skywalker oder Mogli die aktuelle Mode präsentieren? Und in dem hauseigenen Magazin verraten die Models gleich auch noch, welches die Lieblingshelden und -bücher in ihrer Kindheit waren. Das schafft eine persönlichere Basis und lädt die Kunden zum Wiederkommen ein.

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Original aus CHildhood Business:

Dieser Beitrag erschien in der gedruckten Ausgabe 05/2016 von Childhood Business.

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