„Organic“ ist ein komplexes Thema: Was für die Einen eine mit missionarischem Eifer verfolgte Überzeugung ist, ist für die Anderen ein simples Marketing-Tool. Für andere wiederum ist der UmweltAspekt etwas, das einen echten Mehrwert verspricht. So oder So: Mit ökologisch korrekt produzierter Kindermode lassen sich beste Geschäfte machen.
Grüne Mode für Kinder ist im Mainstream angekommen, auch wenn es für das, was sich Tag für Tag im Handel zeigt, noch immer keine branchenweiten statistischen Standards gibt. Auch weil sich immer noch keine allgemeingültige Definition des Begriffs „Öko-Textilien“ herausgebildet hat, ist die Ermittlung von konkreten Marktanteilen erschwert. Dennoch: Das Angebot an ökologisch hergestellten Produkten ist äußerst breit und deckt jeden Geschmack ab. Es lässt sich grob in drei Kategorien einteilen: Öko-Bekleidung, bei der eindeutig die Umweltverbundenheit im Vordergrund steht, Kleidung mit mittlerem oder hohem Mode-Grad, die den grünen Hintergrund betont, und Mode, die ökologisch korrekt produziert wird, dies aber nicht explizit herausstellt.
In die erste Kategorie fallen beispielsweise Firmen wie NaturaPura, Aßmus oder Hess Natur. Auch wenn der Design-Aspekt nicht vernachlässigt wird, liegt der Schwerpunkt bei der Produktentwicklung meist darauf, möglichst stark mit der Umwelt im Einklang zu sein. Damit sprechen diese Unternehmen eine engagierte, kritische Zielgruppe an. Diese ist zumeist bereit, für entsprechende Kleidung einen Preisaufschlag zu zahlen, auch wenn eine nachhaltig ausgerichtete Produktion heute nicht mehr zu deutlich höheren Preisen führen muss.
Die zweite Kategorie ist von der Zahl der Anbieter her sicher die größte: Unternehmen wie Frugi, People Wear Organic und By Green Cotton stellen auf vielfältige Weise den ökologischen Vorteil heraus: mit plakativen Slogans oder in Motiven mit typisch „natürlicher“ Farbgebung oder durch eine auffällige Ausweisung der genutzten Öko-Zertifikate. Selbst die großen Ketten wie H&M und C&A haben heute grüne Linien im Sortiment.
Die Unternehmen aus der dritten Kategorie sind besonders auf dem Vormarsch. Viele Hersteller wie Bla Bla Monkey, Maxomorra oder Finkid legen durchaus Wert auf ökologische Produkte, die sie in frischen Designs umsetzen, wollen aber auf keinen Fall in die als unsexy empfundene Öko-Ecke gedrängt werden.
Bio ist drin, auch wenn nicht Bio draufsteht
Kunden erkennen grüne Mode vermeintlich zuerst an den entsprechenden Zertifikaten. Dabei bilden die über 100 unterschiedlichen Öko-Siegel ein kaum noch zu überblickendes Dickicht an Auszeichnungen. Eine Übersicht über die wichtigsten Siegel und ihre Bedeutung finden Sie auf Seite 43.
Auch steht nicht jedes Zertifikat tatsächlich für die suggerierte Aussage. Manche Label klingen besser als die tatsächlich abgesicherten Bestandteile in der vorlaufenden Wertschöpfungskette.
Aber auch nicht jedes Label, das sich um Materialien aus einer nachhaltigen Produktion bemüht, weist dieses durch eines der üblichen Zertifikate aus, denn gerade für kleinere, vor allem jüngere Unternehmen stellt dieser Bio-Nachweis einen nicht unerheblichen Kostenfaktor dar. Einige Unternehmen produzieren darum zwar ökologisch korrekt, können oder wollen ihre Produkte aber nicht entsprechend auszeichnen, obgleich das aus Verbrauchersicht wünschenswert wäre.
Kundenansprüche verändern die Wertschöpfungskette
Die gestiegene Nachfrage nach biozertifizierter Kleidung hat auch eine Änderung in der Produktion bewirkt. Etliche Baumwollplantagen verzichten mittlerweile auf den Einsatz von chemischen Pestiziden, denn Bio-Baumwolle kann zu deutlich besseren Preisen verkauft werden. Welche Auswirkungen dies auf die Umwelt in den Herkunftsländern hat, lesen Sie auf Seite 37. Zudem ist auch die Nachfrage nach alternativen Fasern gestiegen. Mit viel Aufwand wurden neue Verfahren entwickelt, andere Materialien zu verarbeiten. Andere Unternehmen hingegen entdecken traditionelle Wege neu. Auf Seite 38 finden Sie eine Übersicht über Alternativen zur Baumwolle.
Auch in der Fertigung hat sich vieles getan. So wird in einigen Betrieben auf schädliche Farbstoffe, Bleichmittel oder Weichmacher verzichtet, was nicht nur zum Vorteil für die Träger der Kleidung, sondern auch für die Arbeiter in den Fabriken ist. Dass trotz aller positiven Ansätze flächendeckend zufriedenstellende Konditionen für Mensch und Umwelt erreicht werden können, scheint noch utopisch, denn dazu ist der Bedarf an günstiger Kleidung für die Weltbevölkerung einfach zu hoch.
Andere Länder, andere Sitten
Was die Einstellung gegenüber Öko-Textilien anbelangt, gibt es international Unterschiede. In Dänemark beispielsweise ist grüne Bekleidung so weit verbreitet, dass sie fast zum Standard gehört. In Italien lässt sich derzeit ein Wandel beobachten. Auch wenn sich einige Unternehmen mittlerweile nach Bio-Standards zertifizieren lassen, besteht doch die Sorge, in den „Öko-Topf“ gemengt zu werden. Auf der Pitti Immagine Bimbo gab es in diesem Sommer einen gesonderten Bereich für Organic-Labels, den viele nachhaltige Markenaussteller bewusst gemieden haben. Allerdings setzt in Italien langsam ein Umdenken ein: Im Rahmen einer Initiative des Modeverbandes Camera Nazionale della Moda haben sich im vergangenen Monat zehn Luxusmarken, darunter Gucci, Prada und Versace, dazu verpflichtet, den Einsatz von Chemikalien in der Produktion zu reduzieren.
In Amerika ist Organic Fashion ein Statussymbol. Vor allem bei meinungsführenden jungen Erwachsenen in größeren Städten wird das eigene Umweltbewusstsein in Blogs und sozialen Netzwerken kommuniziert. Als Multiplikatoren auf diesen Plattformen sind sie mittlerweile zu gefragten Werbeträgern geworden und werden von Unternehmen auf vielfältige Weise unterstützt, sodass deren Produkte einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Auch wenn viele Blogs eher im konsumfördernden Dienst der Hersteller stehen, als sich eine kritische Reflexion zu erlauben, können gerade kleinere Labels einen ersten Zugang zu Konsumenten finden, bevor sie sich um die wirklich relevanten Handelspartner bemühen.
(ch)