Lange stemmten sich die Veranstalter gegen die Absage ihrer Events im Sommer 2020. Mittlerweile steht fest: alle relevanten Messen in Europa werden in diesem Jahr nicht stattfinden. Inzwischen steht fest: Keiner der Messestandorte im übrigen Europa wird in diesem Sommer seine Tore für Fachbesucher öffnen.
Childhood Business berichtete online laufend über das Auf und Ab der Entscheidungen. Nahezu jede Veranstalter vermeldete zunächst eine Terminverschiebung mit der Tendenz, die Veranstaltungen im August oder gar im September auszurichten. Doch am Ende wurden sie alle abgesagt.
Zu den Beschlüssen der Organisatoren führte zum einen die lange Unsicherheit, ob oder unter welchen hygienischen Auflagen Großveranstaltungen wieder stattfinden könnten. Zum anderen dürften es vor allem wirtschaftliche Erwägungen gewesen sein, die Events abzusagen. Gespräche mit Ausstellern und die im Ergebnis zu geringe Anzahl an Standbuchungen, über die jenseits der Kind + Jugend mit ihrem der Absage mitgereichten „exzellenten Anmeldestatus“ geschwiegen wird, entzogen einer Ausrichtung die wirtschaftliche Basis.
Reisebeschränkungen internationaler Aussteller und vor allem auch Einkäufer, die insbesondere in Florenz, Paris und Köln eine große Rolle spielen, verhindern deren Kommen oder Quarantänebestimmungen deren Rückkehr. Auch die Sorge um Mitarbeiter wird bei vielen Unternehmen mitgeschwungen haben, ebenso wie die Einschätzung, dass die Aussichten auf Besucher und Umsätze den Aufwand nicht wert sind.
Denn wer von den Fachbesuchern am Ende tatsächlich zu den Events kommen würde, darüber ließ sich in den letzten Monaten – bis heute – nur spekulieren. Internationale Gäste können teilweise aufgrund von Reisebeschränkungen beziehungsweise aufgrund eines eingeschränkten Flugreiseangebots ebenso ausbleiben, wie auch einzelne Entscheider von einer Teilnahme aus einem Empfinden der Unsicherheit heraus absehen werden.
Doch selbst bei den geneigten Unternehmen spielt noch eine weitere Problematik eine große Rolle. Vielen Marken ist es aufgrund der Schließungen von Betrieben während des bisherigen Höhepunktes der Corona-Krise in mehreren Produktionsländern nicht gelungen, ihre neuen Musterkollektion fertigzustellen. Noch Mitte Juli war aus zahlreichen Häusern, darunter auch großen Häusern, zu hören, dass die Kollektionen noch nicht fertig sind beziehungsweise nicht in der üblicherweise nötigen Vervielfachung zur Verfügung stehen.
Und selbstverständlich sind die massiven wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Hersteller der Kindermodekollektionen nicht außer Acht zu lassen. Da die Szene durch rund 3.000 kleine Anbieter geprägt ist, die zu einem großen Teil das Ausstellerfeld der Veranstalter stellen, schlagen deren Anstrengungen, Kosten zu sparen, auf die Absage von Messeteilnahmen direkt durch.
Playtime Paris & Co.
Immerhin hatte der Veranstalter Picaflor von Sebastién de Hutten, der hinter der Playtime-Reihe steht, als einzige Messeorganisation diese wirtschaftliche Komponente adressiert. Da die Playtime Paris vor allem für ihre große Auswahl an jungen, neuen und internationalen Labels bekannt ist und diese besonders unter den Folgen leiden, kündigte die Messe einen für Veranstalter mutigen und für die Aussteller spürbaren Schritt an: Um auch in dieser schwierigen Zeit einen Messeauftritt nicht absagen zu müssen, wollte die Messe die Ausstellerpreise deutlich senken.
Die reduzierten Preise machen die Messe nach Eventdirektorin Chantal Danguillaume für den Organisator zu einer „Non-Profit-Veranstaltung“. Konkret sollte ein Rabatt in Höhe von 20 bis 25 Prozent auf alle Stände der Veranstaltung in Paris sowie zur Playtime New York gewährt werden. Für die Veranstaltung in Shanghai wurde ein finanzielles Hilfspaket für internationale, anreisende Aussteller in Aussicht gestellt, zu dem aber keine Details bekannt wurden. Wer sich hingegen für die Nutzung der digitalen Plattform Playtime Online entscheidet, erhält einen Rabatt in Höhe von 50 Prozent.
Doch alle Anstrengungen reichten am Ende nicht. Nachdem die Organisatoren der Playtime Paris Anfang April 2020 noch auf eine Messeausrichtung im Juli hofften, diese Mitte April dann bereits vorsorglich für den September 2020 avisierten und für den Mai schließlich die endgültige Entscheidung in Aussicht stellten, hieß es bereits Ende April: Die Playtime Paris wird in 2020 nicht stattfinden. Auch die Playtime New York wurde abgesagt, während für die Playtime Shanghai zunächst noch eine Chance bestand. Inzwischen steht fest, dass auch sie nicht stattfinden wird.
De Hutten, CEO der Playtime-Messen, erläutert die Entscheidung wie folgt: „Obwohl wir eine Show im September in Betracht gezogen haben, verstehen wir jetzt, nachdem wir Informationen aus vielen verschiedenen Quellen eingeholt haben, dass dies keine realisierbare Option ist. Hier geht es nicht um Playtime, sondern um jeden in der Kinderindustrie – und darum, das Richtige zu tun.“
Auch wenn es mit dem B2B-Marktplatz der Playtime eine digitale Option gibt, bedauert de Hutten, dass die physische Messe nicht stattfinden kann, da die Möglichkeit, sich persönlich auszutauschen, die „erste Wahl“ sei.
Immerhin kann die Playtime auf einen bereits seit mehreren Jahren verfolgten digitalen Messemarktplatz zurückgreifen. Gestartet unter dem Kunstbegriff Playologie, dann in Playtime Online umbenannt und aktuell als B2B-Marktplatz „Iloveplaytime“ firmierend, bietet der Veranstalter digitale Showrooms an.
Pitti Bimbo
Auch die Veranstalter der Pitti Bimbo kämpften hart für einen Ausrichtungstermin. Denn die Veranstaltungen der Pitti Immagine haben für die italienische Modeindustrie eine außerordentlich große Bedeutung – gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen. Aus diesem Grund wollte man lange verhindern, dass die Messen in diesem Sommer ausfielen, um die Wiederbelebung der Wirtschaft zu unterstützen.
Daher hatte es noch Mitte März geheißen, dass die Pitti Bimbo trotz der damals schon massiven, aber früher als in Deutschland und damit schon länger wirkenden Veranstaltungsverbote in Italien an einer Ausrichtung zum regulären Veranstaltungstermin Mitte Juni festhalten wolle. Gut zwei Wochen später, Anfang April, wurde dann mitgeteilt, dass die Messen nach hinten verschoben werden. Für die 91. Ausgabe der Pitti Bimbo wurde ein Termin am 9. und 10. September 2020 avisiert. Auch sollte die Messe von drei auf zwei Tage verkürzt werden. Immerhin galt es, die Fragranze bereits vom 11. September an umzusetzen. Diese ist zwar nicht am gleichen Ort wie die Pitti Bimbo im Fortezza da Basso geplant, sondern in der Stazione Leopolda. Dennoch muss die gleiche Organisation das Event umsetzen.
Doch Anfang Juni 2020 kam dann das Aus. Der Veranstalter teilte mit, dass das Board nach einem Bericht von CEO Raffaello Napoleone und General Manager Agostino Poletto aufgrund zu geringer Anmeldezahlen vonseiten der Aussteller, die sich wegen der anhaltenden Schwierigkeiten der Unternehmen zurückhaltend zeigten, alle Veranstaltungen für 2020 absagt. Alternativ wolle man in diesem Sommer die digitale Plattform Pitti Connect forcieren. Diese solle Anfang Juli allen Ausstellern zur Verfügung stehen.
„Dies war eine sehr schmerzhafte, aber unvermeidliche Entscheidung“, sagt Claudio Marenzi, Präsident von Pitti Immagine, „diktiert durch die Bedingungen operativer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten, in denen sich die Mehrheit der produzierenden Unternehmen und Einzelhändler –
Geschäfte wie Kaufhäuser – befindet. Ebenso resultiert sie aus den Unsicherheiten, die nach wie vor hinsichtlich der Modalitäten für Reisen von einem Land in ein anderes bestehen, einschließlich der Quarantäne-Beschränkungen, die die Reisepläne der internationalen Käufer einschränken.“
Weiter fügte Napoleone hinzu: „Wir werden jetzt alle unsere Ressourcen in die digitalen Messe Pitti Connect stecken.“ Wie bei der Pitti üblich, wird die Messe dafür finanziell von den Behörden unterstützt. Substanzielle Hilfe für den Ausbau der digitalen Plattform erhält man von der italienischen Handelsagentur, der Agenzia ICE. Dabei ist die Pitti Connect nicht neu. Im Bereich der Kindermode spielt sie jedoch bis heute keine große Rolle. Dennoch, so Napoleone, sei man sehr zuversichtlich, „dass wir den Unternehmen den echten Pitti-Service bieten können, der in der Lage ist, die nötigen Geschäfts-, Förderungs- und Kommunikationsanforderungen zu erfüllen, insbesondere in dieser Saison.“
Das Feedback aus den letzten Monaten zu neuen Funktionalitäten der App sei sehr positiv gewesen. Die neue digitale Plattform soll ab der ersten Juliwoche zur Verfügung stehen und Unternehmen bei der Einhaltung der traditionellen Zeitplanung der Orders helfen. Diese solle zudem auf den gesamten September ausgedehnt werden.
Pitti Connect, so heißt es weiter, sei ein fortschrittliches Netzwerk- und Marktplatz-Tool, das es Ausstellern ermöglicht, ihre Sichtbarkeit gegenüber Tausenden von qualifizierten Käufern zu erhöhen. Die App erlaubt die Verwaltung von Aufträgen und die Durchführung von digitalen Veranstaltungen sowie Live-Präsentationen. Damit will Pitti Connect mehr als ein virtueller Showroom sein. Die App verspricht Marken die Möglichkeit, Auftritte redaktionell und kuratorisch zu gestalten.
CIFF Youth
Sehr lang hatten die Veranstalter der dänischen CIFF Youth an der Ausrichtung in Kopenhagen festgehalten. Im Juni noch, als sich die Playtime Paris und die Pitti Bimbo bereits zurückgezogen hatten, hieß es vom Veranstalter der CIFF (Copenhagen International Fashion Fair) und der CIFF Youth, dass die Messen in der Zeit vom 9. bis zum 12. August 2020 stattfinden würden. Damit wäre die CIFF Youth wieder auf ihren alten, aus den letzten Jahren im Sommer bekannten Termin gerückt. Eigentlich hatte man in 2020 das Experiment wagen wollen, als erster Branchentermin Anfang Juni den internationalen Messezirkus zu eröffnen. Doch Anfang Juli kam dann auch aus der dänischen Hauptstadt die Nachricht, dass die Messen ausfallen werden.
Aktuell ist man bemüht, mit den „Elevated Order Days by CIFF“ im August 2020 zumindest für das dänische, nationale Publikum ein alternatives Format zu schaffen. Hintergrund der Absage dürften auch hier die unzureichenden Anmeldezahlen vonseiten der Aussteller sein. Dabei gaben die dänischen Gesundheitsbehörden Ende Mai 2020 grundsätzlich grünes Licht für die Kopenhagener Modewoche und damit für die CIFF, die traditionell Tausende von Besuchern anzieht. In den folgenden Wochen wurden Gespräche mit der Industrie geführt – und die Organisatoren kamen zu dem Schluss, dass „die Welt nach der Corona-Krise einfach nicht bereit ist für die CIFF, wie wir sie kennen.“
Sunday School
Am längsten hielt die niederländische Sunday School an ihrer Ausrichtung fest. Dieser Nachfolger der früheren Kleine Fabriek in Utrecht gilt als eines der aktuell hippsten, auf einen fröhlichen Tag komprimierten Events. Ursprünglich für den 28. Juni geplant, hatte sich der Organisator Rob de Vos für eine Verlegung auf den 12. und 13. Juli entschieden. Damit sollte der Orderanlass erstmals auf zwei Tage gestreckt werden, um den in Utrecht in der Regel recht hohen Andrang zu entzerren. Dann wurde noch einmal nach hinten geschoben auf den 26. und 27. Juli. Doch Mitte Juli wurden das Event dann kurzfristig abgesagt.
Der wichtigste Grund dafür war, so de Vos, dass es vielen Marken aufgrund der Sperrung während der Corona-Krise in mehreren Produktionsländern nicht gelungen sei, ihre neuen Musterkollektionen fertig zu bekommen. Er fügte aber auch an, dass eine Reihe von Einkäufern signalisierte, dass sie es noch immer als riskant empfänden, in diesem Sommer eine Fachmesse zu besuchen – trotz der vom Veranstalter ergriffenen Maßnahmen. So bleibt nur die Ankündigung des nächsten Termins der ausgefallenen 6. Ausgabe für Anfang Januar, der dann ebenfalls über zwei Tage gehen soll.
INDX Kidswear
Auch in Großbritannien werden für den Rest des Jahres 2020 die geplanten INDX-Shows, darunter die INDX Kidswear, nicht wie geplant stattfinden. Beabsichtigt sind ersatzweise INDX-Einkaufsveranstaltungen auf reiner Terminbasis. Zusätzlich arbeite man für alle Veranstaltungen auch an einer digitalen Option.