Das Multitalent: Rainer Stäbler, CEO von Britax Römer

Rainer Stäbler ist seit über 20 Jahren in verschiedenen Management-Positionen tätig. Bevor er im Juli 2015 als Managing Director EMEA bei Britax Childcare startete, war er die letzten vier Jahre CEO des Versandhauses Walz. Stäbler hat zwei Söhne im Alter von zwei und fünf Jahren.

Aus dem Chefsessel bei Baby-Walz wechselte Rainer Stäbler 2015 zu Britax Römer, einem der führenden Hersteller für Kindersitze. Es ist an der Zeit, zum Gespräch über die zahlreichen Crashs im Unternehmen, Airbags in Kindersitzen und das Thema „I-Size“ zu bitten.

Deutschland ist das Land der Experten. Kein Wunder also, dass es auch im Bereich der Erstausstattung starke und über die Landesgrenzen hinausstrahlende Unternehmen wie das Haus Britax Römer gibt. Etwas ungewöhnlicher ist es, wenn ein Geschäftsführer wie Rainer Stäbler als Seitenwechsler in die Chefetage einer ingenieurslastigen Firma berufen wird. Immerhin gilt es, die Spitzenposition in der Branche zu behaupten und zugleich technologische Innovationen rund um das Thema „Kindersicherheit“ zu befördern. Dabei dürfte es sogar ein kluger Schachzug gewesen sein, den ebenso ausgewiesenen wie ausgeruhten Handelsexperten an das Haus zu binden. Mit dem von Stäbler eingebrachten Know-how, was der Handel braucht und in welcher Umwälzung er steckt, kann sich das Haus konsequent auf die Zukunft ausrichten. Und so richtet Stäbler ruhig, verbindlich und vor allem strategisch klug das Unternehmen aus. Der Umzug von Ulm nach Leipheim erlaubt es ihm, den Stammsitz von Grund auf neu zu gestalten. Der Produktion bekommen die neuen Flächen hervorragend. Und dass Platz ist für gleich zwei Crashtest-Anlagen im Haus bietet beste Voraussetzungen, um in Sachen Sicherheit Tag für Tag zu forschen und zu optimieren – und um im Wettbewerb mit den Automobilherstellern in der Region in der Gunst der Ingenieure zu stehen. Konsequent konzentriert Stäbler die Herstellung auf den europäischen Raum, um bei der Qualität keine Abstriche zu machen. 

Modell: B-Lite
UVP: 199,90 Euro
Altersgruppe: Geburt bis 3 Jahre

Childhood Business: Als Sie 2015 von Baby-Walz zu Britax Römer kamen, wechselten Sie die Perspektive vom Händler zum Hersteller. Was war im Rückblick die größte Umstellung für Sie?

Rainer Stäbler: Gerade dadurch, dass Britax Römer sich in Sachen Sicherheit engagiert, ist die Zeitkomponente eine völlig andere – man muss mehr Geduld aufbringen, denn es kann nicht auf die Schnelle etwas verändert oder entwickelt werden, wenn man ein sicheres und ein ja auch durch gesetzliche Anforderungen reglementiertes Produkt verkaufen will. Neue oder verbesserte Produkte sind erst dann markt­reif und für Kunden zugänglich, wenn sie umfänglich getestet und für sicher befunden wurden. Ich kenne den Handel aufgrund meiner Erfahrung natürlich gut auch von der Kundenseite her und musste mich anfangs etwas umgewöhnen, wie viel Vorlauf es braucht, bis der Konsument das Produkt in den Händen halten kann. Dabei habe ich noch größeren Respekt gewonnen, als ich en détail kennenlernte, wie viel Know-how und Ingenieursfertigkeiten in unseren Produkten stecken.

Modell: Baby-Safe i-Size
i-Size / Isofix: ja/ja
UVP: ab 200 Euro
Altersgruppe: Geburt bis 15 Monate

CB: Wie viel Zeit nimmt eine solche Entwicklung in Anspruch?

RS: Wenn es um eine echte Neuentwicklung geht, erstreckt sich der Prozess von der Produktidee über die Tests bis hin zum fertigen Produkt schon mal über zwei Jahre. So war es zum Beispiel beim „Dualfix i-Size“. Das lässt sich dadurch erklären, dass erst mal sämtliche Werkzeuge und Stoffe für das neue Produkt hergestellt und viele Tests durchgeführt werden müssen, damit das Produkt unseren strengen Anforderungen entspricht. Bei einer Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts sind die Vorläufe natürlich kürzer, vielleicht ein halbes Jahr, da es nur um Änderungen eines ansonsten bereits komplett ausentwickelten Produkts geht.
In jedem Fall gilt: Gute Produkte brauchen Zeit. 

CB: Und was hat Sie an der Herstellerperspektive positiv überrascht?

RS: Ganz klar die Möglichkeit, von der ersten Idee bis zum tatsächlichen Vertrieb mit dabei zu sein. Das verschafft eine völlig neue Perspektive auf den Markt.

CB: Und können Sie besondere Impulse aufgrund Ihrer Retail-Vita einbringen?

RS: Ja, eine ganze Menge, denke ich. In den letzten drei Jahren hat die gesamte Mannschaft viele Veränderungen vornehmen können, auch in den Bereichen Design und Produktsprache. Technisch hatten wir schon immer die besten Produkte. Aber für den Endkunden sind unsere Produkte heute optisch noch attraktiver geworden. Auch den E-Commerce, der bei den Veränderungen auf Konsumentenseite ein nicht mehr wegzudenkendes Instrument darstellt, haben wir stark ausgebaut. Unternehmen und Marken müssen dort präsent sein, wo die Endkunden nach Informationen und Produkten suchen. Junge Eltern kommen immer besser vorinformiert in die Läden und wissen meist schon, welches Produkt sie kaufen möchten. Daher haben wir unseren Internetauftritt durch ein neues visuelles Design optimiert. Bei allen Veränderungen aber gilt: An erster Stelle steht immer die Sicherheit der Kinder, erst danach kommen Faktoren wie der Komfort oder das Design der Produkte.

CB: Eine eigene Internetpräsenz kann den Fachhandel piesacken. Welche Entwicklung sehen Sie für die stationären Partner voraus?

Modell: Go Big²
UVP: ab 769,90 Euro
Altersgruppe: Geburt bis 3 Jahre

RS: Ich hoffe sehr, dass der Handel weiterhin stark bleibt. Wir können keinen Händler künstlich am Leben halten. Ich bin aber fest überzeugt, dass gute Händler auch weiterhin erfolgreich sein werden. Allerdings wird sich in Zukunft noch deutlicher die Spreu vom Weizen trennen. Für eine kompetente Beratung und gute Serviceleistungen sind Eltern, gerade in Städten, durchaus bereit, den ein oder anderen Euro mehr zu bezahlen. Hilfestellung durch den Fachhändler bietet dem Konsumenten eine direkte Unterstützung, wenn mal etwas kaputtgeht. In Schweden, wo wir extrem erfolgreich sind, sieht man, wie der Fachhandel funktionieren kann – da sind die Eltern bereit, mehr Geld für einen guten Fachhändler auszugeben. Wenn stationäre Händler die Online-Instrumente nutzen, die in den letzten Jahren immer vielfältiger geworden sind, und diese als sinnvolle Ergänzung einsetzen, können sie auch weiterhin überleben.  

CB: Service ist das eine, Preise sind das andere … 

RS: Das Preisthema liegt komplett bei den Händlern – so, wie es sein sollte. Man sieht die Herausforderung der kleineren durch große Händler, da letztere mit einer geringeren Marge arbeiten können. Das ist natürlich schade, da es kleine und mittelständische Unternehmen vor eine Herausforderung stellt. Aber verhindern können wir Hersteller das nicht. Ich bin ein großer Fan des Fachhandels und davon überzeugt, dass wir ihn brauchen. Daher empfinde ich die Entwicklung als sehr problematisch. Wir unterstützen gerne alle Fachhändler, die stationär unsere Produkte präsentieren. 

CB: Wo sehen Sie Britax Römer im Wettbewerb, der ja von sehr marketinggetriebenen Akteuren über Traditionsmarken bis hin zu Niedrigpreisanbietern reicht?

Modell: Jockey² Comfort
UVP: 119,90 Euro
Altersgruppe: 9 Monate bis 5 Jahre

RS: Wir haben eine sehr gute, zentrale Position zwischen den Extremen gefunden. Die Sicherheit der Produkte ist bei uns das A und O. Deswegen sind besonders auf Lifestyle und Fashion ausgelegte Marken nicht unsere Konkurrenten. Deren Profil steht nicht immer für Nachhaltigkeit und Qualität. Trotzdem investieren wir in die Waren- und Ladenpräsentation und können auch gegenüber Lifestyle-Marken bestehen. Leider werden unsere guten Produkte gern kopiert. Wir sehen aber auch auf Messen und in Asien viele Produkte, die den unsrigen nachempfunden sind, allerdings zu einem niedrigeren Preis ihr Heil suchen. Am Ende entscheidet der Kunde, welche Produkte sich bewähren. 

CB: Im letzten Jahr brachte Dorel Juvenile den ersten Autokindersitz mit einem Airbag auf den Markt. Warum kam das nicht von Ihnen?

Modell: Dualfix i-Size
i-Size / Isofix: ja/ja
UVP: 530 Euro
Altersgruppe: 0 bis 4 Jahre

RS: Wir haben in den letzten Jahren viel über das Thema nachgedacht und werden es auch in Zukunft sorgfältig verfolgen. Allerdings bleiben Sicherheits­bedenken. Ein Airbag entfaltet sich mit hohem Druck und hoher Ge­schwindigkeit und ist dabei sehr nah am Kopf des Kindes, um die bestmögliche Optimierung der Rückhalteleistung zu erzielen. Ak­tuell ist es nicht unser Thema. Und ich habe Respekt vor dem Mut auf Seiten von Dorel, mit der Marke Maxi-Cosi eine solche Inno­vation auf den Markt zu bringen.

CB: Auf welche neuen Themen darf man sich stattdessen freuen?

RS: Wir sind stetig dabei, unsere Sitze noch sicherer zu machen. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Frage, wie sich in Zukunft das Fahrverhalten verändern und wie sich das auf Autositze auswirken wird. Auch das Thema „Stadt“ bearbeiten wir weiter, da die Konsumenten immer seltener ein eigenes Auto haben. Wir arbeiten sehr intensiv mit einigen Automobilherstellern zusammen, um das Zusammenspiel von Fahrzeug und Kindersitz weiter zu optimieren, sodass in Zukunft Signale von Autosystemen bei Unfällen direkt an die Sitze weitergegeben werden. 

CB: Warum kündigten Sie zur Kind + Jugend 2017 kein i-Size-Produkt der Phase 2 an?

RS: Ein neues Produkt wird bei uns dann entwickelt, wenn es einen deutlichen Mehrwert verspricht. Bisher haben wir uns sehr stark auf die Weiterentwicklung der Sitze aus der ehemaligen Gruppe 0/I fokussiert und werden auch noch weitere Produkte für diese Gruppe auf den Markt bringen. In der Gruppe II/III lassen wir uns etwas mehr Zeit, da der große Mehrwert hier noch nicht gegeben ist. Die vorhandenen Produkte sind qualitativ überdurchschnittlich. Wussten Sie, dass im Jahr 2017 bei 95 Prozent aller Euro-NCAP-Fahrzeug-Crashtests unsere Produkte einge­setzt wurden? Wir haben ganz einfach schon den besten Sitz in der Altersgruppe, die sich mit den entsprechenden Sitzen nach der i-Size-Norm vergleichen lässt. In 2018 werden wir zur Kind + Jugend natürlich einige Neuheiten präsentieren. 

CB: Stehen nach den Übernahmen der Marken Brio und Seed weitere Übernahmen an? 

Modell: Seed Papilio
UVP: ab 849,90 Euro
Altersgruppe: 6 Monate bis 3 Jahre

RS: Wir suchen nicht aktiv. Aber bietet sich wieder eine passende Gelegenheit, werden wir sie nutzen. Sehen wir in Zukunft ein tolles Produkt mit einer guten Basis, ist eine Erweiterung nicht ausgeschlossen. Die Marke Seed werden wir übrigens so entwickeln, dass sie nach und nach in die Familie übernommen wird. Wir lassen uns dabei aber die nötige Zeit, um eine gelungene und langanhaltende Integration der Marke zu garantieren. 

CB: Sie verfügen am neuen Standort in Leipheim über zwei nagelneue Crashtest-Anlagen. Sehen Sie das als Wettbewerbsvorteil?  

RS: Der neue Standort ist ein Riesenschritt nach vorn. Wir produzieren anders als zuvor auf einer einzigen Ebene und binden auch einige Zulieferer wie den Kunststofffertiger Rompa durch die direkte Ansiedelung im Umfeld nahtlos an. Wir haben uns dem Ziel verschrieben, fast alle Kindersitze in Deutschland und komplett nur in Europa zu fertigen. Unsere Crashtest-Anlagen bieten in Verbindung mit der Produktion ganz klare Vorteile. Bei der Produktentwicklung nutzen unsere Ingenieure die Anlage ausgiebig, um beispielsweise Materialverhalten und Belastungsfälle zu simulieren und die Produkte immer weiter zu verbessern. Da wir auch die bereits eingeführten Sitze permanent weiterentwickeln, ist die eigene Anlage sinnvoll. Um auch in Zukunft immer sicherere Sitze und höhere Standards etablieren zu können, ist es unumgänglich, die neuste Technik für Tests im eigenen Haus zu haben. Unsere Anlagen können die Aufprallimpulse so  modulieren, dass diese ganz unterschiedlichen Autotypen entsprechen. Damit gehen wir bei der Produktentwicklung weit über die zur Produktzulassung vorgeschriebenen Standardtests hinaus. Ich denke, unsere Anlage wird auch in Zukunft sicherstellen, dass unsere Produkte zu den besten der Branche gehören. Und dass unsere Modelle durch die umfangreicheren Simulationen und Tests auf Reserven hin entwickelt sind, um Kindern das zu bieten, was sie verdienen: höchste Sicherheit.

CB: Produkttests haben bei Verbrauchern einen hohen Stellenwert. Schlechte Ergebnisse können die Bilanz verhageln. Wie stehen Sie nach dem Wechsel vom Handel zum Hersteller den Tests gegenüber?

RS: Für die Verbraucher in Deutschland bietet die Stiftung Warentest das wichtigste Prüfsiegel. Konsumenten sollten aber immer im Hinterkopf haben, dass der Testsieger immer nur der Erstplatzierte unter den ausgewählten und getesteten Sitzen ist. Auch gelten die Ergebnisse nur für das Auto, in dem getestet wurde. Wenn Konsumenten dies berücksichtigen, schätzen sie die limitierte Aussagekraft des Siegels richtig ein. Selbstverständlich freut man sich, wenn man Testsieger wird.   Insbesondere die Crashtests von Euro-NCAP finden wir enorm wichtig, da durch das offene Prüf­protokoll das gesamte System sehr trans­parent gestaltet ist. Darüber hinaus werden hier die Kindersitze und die Fahrzeuge in Kombination getestet. Jedes Auto verhält sich anders in einem Crash und unsere Kindersitze werden in sehr unterschiedlichen Fahrzeugtypen ordentlich geprüft. 

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