Nach fast 25 Jahren kam Michael Neumanns Abschied von Dorel Europe überraschend. Dass das Unternehmen darüber weitestgehend schweigt tut dem Branchenexperten Unrecht.
Nach knapp 25 Jahren hat Michael Neumann sein Amt als Managing Director von Dorel Juvenile Europe Ende Juni 2019 niedergelegt und wird Ende September offiziell aus dem Unternehmen ausscheiden. Handelspartner wurden ordnungsgemäß per Brief informiert.
Doch ein offizielles Statement zu dieser Personalie gibt es von Dorel nicht. Üblicherweise wären Worte des Dankes angebracht, wenn sich nach mehr als zwei Jahrzehnten die Wege von Arbeitgeber und einem der leitenden Angestellten trennen. Auch eine Information, wer künftig die Geschicke des Hauses lenken wird, das mit seiner Marke Maxi-Cosi in Deutschland zu den relevanten Anbietern von Autositzen und Kinderwagen gehört, wäre mehr als opportun.
Auch auf Nachfrage in der Pressestelle herrschte zunächst Funkstille, bis sich eine Pressemitarbeiterin aus den Niederlanden in der Childhood-Business-Redaktion meldete. Ein Pressekommuniqué gibt es nicht, doch man bringt zum Ausdruck, das Unternehmen sei „sehr dankbar für die große Unterstützung und das Engagement (ist), das Michael Neumann für Dorel Juvenile Europe gezeigt hat. Nach 20 Jahren hat Michael Neumann die Entscheidung getroffen, seine Karriere außerhalb von Dorel Juvenile Europe zum 1. Juli 2019 fortzusetzen.“
Inwieweit das Ausscheiden Neumanns mit den wirtschaftlichen Herausforderungen des Unternehmens zu tun hat, bleibt spekulativ. Über den Entschluss, rund 200 Mitarbeiter in Frankreich zu entlassen, wurde hierzulande ebenso wenig informiert. Dabei gibt es Stimmen von Branchenkennern, die diesen Einschnitt als signifikant bezeichnen.
Auf weitere Nachfrage zum Sachverhalt teilte die Pressefrau mit, dass Dorel France am 9. April 2019 ein Beratungsgesuch an die Betriebsräte und Arbeitsschutzausschüsse Frankreichs für einen Umstrukturierungsprozess zwecks Schaffung einer neuen Organisationsstruktur gestellt habe. Da Dorel France vor wirtschaftlichen Herausforderungen stehe, sei dieser Prozess notwendig, um das Unternehmen agiler zu machen und sich darauf zu konzentrieren, wieder eine wettbewerbsfähige und beständige Position auf dem Markt einzunehmen.
Die Probleme zumindest in Frankreich müssen bereits außerordentlich sein, da die in Betracht gezogenen Maßnahmen als notwendig hingestellt werden, um „die weitere Lebensfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten“ und die Vermögenswerte von Dorel France zu maximieren.
Wie es in Deutschland weitergeht, ist nicht ganz klar. Probleme bei der Auslieferung, die softwarebedingt seien, das Vertriebsteam aber trotzdem in Erklärungsnot brachten, dürften sich früher oder später zwar geben. Doch Themen wie dieses kommen zur Unzeit hoch, denn der Druck in der Branche ist enorm. Die Herausforderungen durch den Wettbewerb nehmen zu, teils durch aggressive Anbieter, aber auch durch zahlreiche asiatische Hersteller, die über Online-Plattformen Direktkundengeschäfte betreiben.
Dabei steht Dorel Deutschland, den offiziellen Zahlen nach, auf den ersten Blick ganz gut da. Die letzterreichbare Bilanz für 2017 weist einen Umsatz von immerhin rund 72 Millionen Euro aus, zwar zwei Millionen weniger als in 2016, aber dennoch deutlich mehr als nur wenige Jahre zuvor. Betrachtet man allerdings das reine Inlandsgeschäft, wurden 2016 vor den Schmälerungen in Deutschland noch knapp 91 Millionen Euro erlöst, in 2017 hingegen fast zehn Millionen Euro weniger.
Damit die Zahlen zulegen, setzt das Unternehmen nach dem Abgang von Neumann auf Salesdirector Anna Linquette, die ab sofort für die DACH-Region kaufmännisch verantwortlich ist.
Zu Fragen nach seinem Abschied bei Dorel verliert Michael Neumann kein Wort. Doch sprachlos ist er nicht. Denn er wird der Branche künftig, zumindest vorerst, als Sprecher des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller (BDKH) erhaltenbleiben. Den Verband, dem Childhood Business als exklusiver Medienpartner verbunden ist, hatte Neumann 2013 mit initiiert und gehörte ihm bisher als Vorstand an. Vielleicht ist es für den BDKH ein Vorteil, mit Neumann einen Akteur zu haben, der die kommenden Monate bar sonstiger Verpflichtungen dazu nutzen kann, neue Aktivitäten zu starten.
Childhood Business: Sie bleiben der Branche erhalten und wollen sich für den Verband, den Sie mit ins Leben gerufen haben, auch weiterhin engagieren. Sie sind aber nicht mehr als Firmenvertreter bei Dorel tätig. Müssen Sie Ihr Vorstandsamt daher nicht niederlegen?
Michael Neumann: Der Bundesverband Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller liegt mir am Herzen und ich werde ihm auch weiterhin zur Verfügung stehen. Gespräche mit meinen Vorstandskollegen, um das formell zu organisieren, finden gerade statt.
CB: Wenn das geregelt ist: Welche Akzente wollen Sie künftig setzen?
MN: Natürlich ist die Verbreiterung der Mitgliederbasis sehr wichtig. Aber in erster Linie wollen wir unseren Mitgliedern einen „Added Value“ für ihre Mitgliedschaft bieten. So haben wir kürzlich in Hamburg einen Topvortrag von Barbara Liebermeister, die unter anderem DAX-Vorstände berät, über Führung im digitalen Zeitalter organisiert. Im Herbst wird es einen neuen Branchenreport zur Baby- und Kinderausstattung des renommierten Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) geben. Dessen Leiter, Dr. Kai Hudetz, wird unsere BDKH-Mitglieder dazu in einer exklusiven Veranstaltung informieren. Das so wichtige Networking gibt es ganz automatisch obendrauf. Wer bei uns ist, profitiert letztlich mehr, als er dafür investieren muss.
CB: Welche Rolle hat der Verband sich seit seiner Gründung bereits erarbeiten können? Und was kostet eine Mitgliedschaft?
MN: Der Bundesverband repräsentiert mit seinen Marken bereits einen signifikanten Teil des Marktes. Wir haben viele der Branchenschwergewichte bei uns, etwa Alvi, Britax Römer, Dorel, Joie, Lässig oder Rotho Babydesign. Um auch jungen Herstellern und Start-ups entgegenzukommen, haben wir für diese im vergangenen Jahr einen niedrigeren Mitgliedsbeitrag beschlossen. Der liegt bei 1.500 Euro jährlich und umfasst ein Einstiegspaket mit juristischer Beratung und anderen Vorteilen, die allein damit das Investment in eine Branchenmitgliedschaft wirtschaftlich mehr als rechtfertigen. Gerade auch für Brancheneinsteiger ist die Mitgliedschaft exzellent geeignet, um sich schnell einzufinden und Kontakte und Know-how aufzubauen.
CB: Ein Verband will doch auch Akzente politischer Natur setzen oder Interessen in Bezug auf Regularien verfolgen. Welche Aktivitäten gibt es in dieser Hinsicht?
MN: Nicht so unmittelbar greifbar, aber sehr wichtig ist unsere Arbeit im europäischen Dachverband nationaler Verbände, der European Nursery Products Confederation (ENPC). Der BDKH ist hier selbstverständlich Mitglied. Der ENPC vertritt die Interessen unserer Industrie auf europäischer Ebene, also auch bei der Entwicklung von Standards und Normierungen.
Letztendlich brauchen wir eine gemeinsame Stimme, um der Branche mehr Gehör zu verschaffen, gerade weil sie aufgrund ihrer Kleinheit ansonsten keine ausreichende Beachtung findet.